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K A T R I N A

Ich atme tief durch, als Leroy sich erhebt. Schluckend senke ich den Kopf. Habe ich mich gerade wirklich für ein Leben mit ihm entschieden, ohne zu wissen, was mich erwarten wird? Ich spanne mich an, als ich bemerke, dass er mich umkreist. Nervös warte ich auf das, was nun folgen wird. Ich zucke zusammen, als ich seine Hände an meinen spüre.

Ruhig, Rina... Er löst nur den Knoten.

Ständig streifen sie unsere Finger, bis sich der Knoten löst und ich meine Hände endlich wieder frei bewegen kann. Hastig ziehe ich sie an meine Brust und reibe über meine geröteten Handgelenke. Leroy bleibt hinter mir stehen. Ich spüre, wie sein Atem gegen meinen Nacken schlägt und quittiere dies mit einer Gänsehaut.

„Folg' mir", höre ich ihn plötzlich sagen. Zögerlich stehe ich auf und laufe ihm nach. Wie schon zuvor gedacht befinden wir uns in einer Lagerhalle. Erst jetzt spüre ich, wie kalt es eigentlich ist. Selbst meine Hände sind eiskalt und auch die reibenden Bewegungen machen es nicht besser. Ich fühle mich in meiner eigenen Haut nicht wohl, denn bitteres Gefühl der Angst macht sich langsam aber sicher in mir breit und ich weiß, dass dieses Gefühl nicht so schnell verschwinden wird. Der Mann vor mir läuft zügig voran, womit ich nicht mithalten kann, schon gar nicht, weil mir der Po eingeschlafen ist.

Und dann stolpere ich.

Ich reiße die Augen auf und schnappe laut nach Luft, doch es ist längst zu spät. Ich falle und mein Kinn macht entsetzlich hart Bekanntschaft mit dem steinigen Boden. Viel zu spät habe ich verstanden, dass dies nicht passiert wäre, wenn ich meine Hände zum Schutz gehoben hätte. Gewisse Sekunden rühre ich mich nicht, doch dann tritt der beißende Schmerz ein. Mein Kinn brennt höllisch und ich spüre, wie die Stelle heiß wird. Tränen sammeln sich in meinen Augen.

Es brennt, wie als würde man mir eine Kerze unters Kinn halten.

Schniefend stütze ich mich auf den Ellenbogen ab und hebe den Oberkörper, auf den Knien sitzend, hoch. Leroy blende ich komplett aus, doch er kommt mir wieder in den Sinn, als ich die Augen kurz öffne und seine Schuhe vor meinem herunterhängendem Gesicht erblicke. Dann höre ich Schritte und schon spüre ich zwei kalte Hände an meiner Taille. Sachte hebt er mich hoch und stellt mich auf meinen Beinen. Scharf ziehe ich die Luft ein und versuche die Tränen zu unterdrücken, doch es tut so sehr weh, dass ich für einen Moment schwarze Punkte vor meinem Auge aufflackern sehe.

„Du hast dir nur die Haut aufgeschürft. Es ist ja nicht so, als hättest du einen Kieferbruch, also hör auf zu flennen", höre ich ihn nahe meines Ohrs sagen. Er klingt so teilnahmslos, distanziert, dass ich es nicht mehr als normal empfinden kann. Ein kalter Schauer jagt mir die Wirbelsäule runter. Ich schnaube leise.

„Falle du doch mal so wie ich und kommentiere dann meinen Schmerz", flüstere ich wütend und hoffe, dass er es nicht gehört hat. Doch er steht immer noch hinter mir, die Hände auf meiner Hüfte platziert. Wie also, hätte er es nicht hören können?

Und ich bin mir sicher. Er hat es gehört. Denn wenige Sekunden später liege ich wieder auf dem Boden. Ich schreie erschrocken auf und wäre diesmal sicher wieder mit meinem Kinn auf dem Boden gelandet, doch ich drehe den Kopf rechtzeitig zur Seite und falle somit auf der linken Wange. Doch wie auch nicht? Ich habe nicht damit gerechnet, dass er mich schubst. 

„Und? Wie ist der Schmerz jetzt so?", höre ich ihn fragen. Diesmal hat er sich neben mich gehockt und schaute mir in die Augen. Seine giftgrünen Augen blicken mich gelangweilt an. Die Tränen trüben meine Sicht und nur mühevoll halte ich mich zurück, nicht sofort los zu schreien. Er hat mich einfach geschubst... Wieso hat er das getan? Nur weil ich etwas erwidert habe? Nur weil ich mir das Recht nahm, auf seine dumme Aussage zu reagieren?

Doch was dachte ich mir auch dabei überhaupt etwas zu sagen...

Das war wirklich dumm von mir. Er seufzt leise und reißt mich aus meinen Gedanken. Ich habe mich nicht vom Fleck gerührt und bloß still meinen Tränen freien Lauf gelassen. Ich spüre seine Hand an meiner rechten Wange und sodann die andere an meiner linken Wange. Langsam dreht er meinen Kopf in die linke Richtung und setzt ihn vorsichtig ab. Dann spüre ich seinen Arm um meine Schultern und der andere legt sich um meine Kniekehlen. Mit einer einzigen Bewegung steht er wieder auf den Beinen, nur diesmal mit mir in seinen Armen. Dann läuft er los und beachtet mich nicht weiter. Ich atme leise die Luft aus, die ich unbemerkt angehalten habe. Mein Kopf dreht sich und mir wird heiß.

Jetzt bloß nicht das Bewusstsein verlieren...

Zögerlich lehne ich meinen Kopf an seine Brust. Zwar will ich am liebsten eine feste Mauer zwischen uns Beiden bauen, damit er mir ja fern bleibt, doch da ich Angst habe tatsächlich das Bewusstsein zu verlieren, jetzt wo mir plötzlich so schwindelig wurde, halte ich für einen Moment die Gedanken an, ignoriere alles und schließe die Augen. Das ist nämlich immer noch besser als nicht mehr die Kontrolle über meinen Körper haben zu können... Er atmet einmal tief durch, schiebt meinen Kopf jedoch nicht weg. Das Brennen an meinem Kinn lässt mich die Zähne zusammenbeißen, doch als wir die Lagerhalle verlassen, schlägt mir augenblicklich die eisige Kälte ins Gesicht und lässt mich für einen Moment wohlig seufzend. Ja, die Kälte tut gerade verdammt gut. Draußen dämmert es bereits. Die schwache Beleuchtung der Straßenlaternen wirkt gespenstisch und lässt meinen Körper mit einer Gänsehaut übersähen.

Leroy presst mich plötzlich fester an sich und das wirklich so eng, dass mein Gesicht sich ungewollt in seine Halsbeuge vergräbt. Dann nimmt er plötzlich seinen Arm um meinen Rücken weg und ich klammere mich regelrecht an ihn.

Nochmal falle ich nicht!

Er atmet wieder tief und laut durch, als er bemerkt wie nah ich ihm wirklich bin, was mich kurz leer schlucken lässt.

Er hält mich fest und nicht ich ihn!

Zähne zusammenbeißend, werfe ich einen Blick zu ihm. Konzentriert liegen seine Augen auf etwas, das sich wohl hinter meinem Rücken befindet. Durch das gedämmte Licht entstehen dunkle Schatten unter seinen Augen, konturieren sein markantes Gesicht. Es erschreckt und fasziniert mich zugleich, wie gut die Schatten zu ihm passen, als wären sie ein Teil von ihm. Ein mir bekanntes Geräusch reißt mich aus meiner Trance. Ich erkenne die Umrisse eines Fahrzeugs, als ich langsam über meine Schulter schaue. Dann hat er also nur seine Autoschlüssel aus der Hosentasche rausgeholt und mich deshalb so an sich gedrückt? Ich spüre seine Hand wieder an meinem Rücken. Er öffnet die Autotür und setzt mich auf die Rückbank. Er schnallt mich an, als würde ich das selber nicht können und schließt daraufhin die Autotür, ohne mich noch eines weiteren Blickes zu würdigen. Doch gleich darauf öffnet sich wieder die Autotür, nachdem er kurz am Kofferraum gewesen ist. Und als ich plötzlich das Seil und das Klebeband in seinen Händen sehe, reiße ich unwillkürlich die Augen auf.

Ich sehe erschrocken zu ihm auf, doch er hat seinen undurchdringlichen Blick aufgesetzt.

„Was, was wird das?", verhasple ich mich.

„Entweder du fügst dich mir oder es wird unangenehm", entgegnet er bloß.

Als ich mich nicht rühre, ziehen sich seine Augenbrauen zusammen. Ich schlucke.

„Hör zu, ich will mir nicht die Hände schmutzig machen, also denke ein wenig an dein Kinn und tue das, was ich möchte. Dann werde ich dir auch nichts tun", sagt er vorsichtig, als würde ich durch seine schneidenden Worte zerbrechen können.

Tue einfach das, was er sagt, Rina...

Und als ich ihm meine Hände reiche, damit er sie festbinden kann und ich zuletzt noch einen Klebestreifen auf den Mund bekomme, frage ich mich, ob es ein Fehler war mich für mein Leben zu entscheiden.

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Hallo, ihr Lieben.

Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!

Was hält ihr von Leroy? Hat Rina sich richtig entschieden? Und was glaubt ihr, wird sie nun erwarten?

Bis bald.

SevenTimes-

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Belleza del SilencioWo Geschichten leben. Entdecke jetzt