»19« Streitereien

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K A T R I N A

Mit etwa sechs Jahren habe ich einmal aus Versehen eine Katze verletzt. Es war die Katze unseres Nachbars, die merkwürdigerweise sehr oft vor unserer Haustür saß und schlief. Voller Euphorie öffnete ich die Tür, rannte hinaus und verletzte sie am Schwanz. Sie hat so laut geschrien, dass es bis heute noch in meinen Ohren widerhallt, wenn ich mich daran zurückerinnere. Ihr Gebrüll hatte mich entsetzt und sogleich bin ich auf die Knie gefallen und habe geweint. Mom kam wenige Sekunden darauf heraus, half mir sie zu verarzten und sprach auf mich ein, dass es doch ein Versehen war und die Katze es mir sicher verzeihen wird. Ich machte mir tagelang Vorwürfe, habe Mom gezwungen sich in meinem Namen beim Nachbar zu entschuldigen und seiner Katze die besten Leckereien zu kaufen, damit ihr klar wird, dass es mir wirklich sehr leid tut, bis mein Nachbar mir versicherte, dass seine Katze mir vergeben hat. Ich durfte sie danach sogar streicheln! Es war wirklich wunderbar.

Das war meine einzige schlimme Tat in meinem Leben. Weder davor noch seitdem habe ich je wieder jemanden verletzt und doch werde ich bestraft, als hätte ich jeden Tag gesündigt.

„Katrina!", höre ich ihn brüllen, doch ich habe nicht vor den riesigen Kleiderschrank zu verlassen. Zittrig schließe ich die Augen. Ich bin es nicht gewohnt, dass er mich beim Namen nennt und jetzt brüllt er ihn auch noch so laut, dass sich mir die Haare am Nacken vor Schreck sträuben.

„Das kann nicht sein", wispere ich. Tränen der Angst und der Panik kullern mir die Wange herunter.

„Pablo, toma tu posición. Vamos! Lo juro, si no la veo en diez minutos, los mataré a todos!", höre ich ihn irgendwen anbrüllen. Wimmernd schließe ich die Augen, lehne meinen Kopf gegen den Schrank und bete, dass Leroy mich nicht findet.

Ich hätte den Keller nicht betreten dürfen.

Drei Tage vorher...

„Wir sind also verlobt? Und wann wolltest du mir das erzählen?", frage ich geradeheraus, sobald sein Chauffeur den Motor startet. Leroy sieht von seinem Mobiltelefon auf und schenkt mir einen kurzen Blick, bevor er wieder darauf runtersieht. Einige Sekunden vergehen und er äußert sich immer noch nicht. Ich zähle sogar innerlich bis dreißig, doch er scheint nicht reagieren zu wollen.

„Wieso bist...-", beginne ich, doch er unterbricht mich.

„Halt den Mund."

„Was soll das denn jetzt?"

Weitere Sekunden verstreichen, als er endlich den Blick hebt. Ich schlucke. Es mag lächerlich klingen, doch habe ich das Gefühl, dass seine Augen mich mit Feuerbällen beschießen.

„Mir ist danach gewesen und jetzt halt den Mund", erwidert er. Verärgert ziehe ich die Augenbrauen zusammen, bleibe aber still, da ich die Drohung aus seinen Worten heraushöre und ich Leroy inzwischen einiges zutraue, doch den Blick will ich noch nicht von ihm abwenden. Er scheint nicht einmal wirklich vertieft in sein Telefon zu sein! Ich bin mir auch sicher, dass es nichts Spannendes zu sehen gibt und doch hält er es sich vor die Nase, als ginge es um etwas Wichtiges, nur um nicht mit mir zu sprechen.

„Wann kann ich eigentlich wieder zurück?", frage ich ihn verunsichert. Eine ganze Weile lang blieb es nun zwischen uns still und so langsam macht diese Stille mich kirre.

Leroy antwortet nicht.

„Ich muss bald wieder in die Uni", krächze ich. Wenn ich nicht einmal die Uni besuchen darf, dann war's das mit meinem Leben. Ich weiß, dass ich irgendwann einen Weg finden werde ihm zu entkommen, doch dann möchte ich nicht alles verloren haben und von Neuem anfangen müssen! Ich möchte weiterhin meinen Lebensunterhalt sichern können, das wird er doch verstehen, oder?

Belleza del SilencioWo Geschichten leben. Entdecke jetzt