»1« Belleza del Silencio

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K A T R I N A

Es war vorhersehbar. Die Kinder in der Vorschule haben es gesagt und dann die in der Highschool.

Ich bin und bleibe langweilig.

Denn ich gehe kaum hinaus, was erklärt, wieso ich so blass bin und ich habe auch kaum Freunde, da ich ständig damit beschäftigt gewesen bin zu lernen, statt mit ihnen feiern zu gehen. Irgendwann fanden meine Mitschüler mich dann auch uninteressant und beachteten mich gar nicht, außer sie wollten mit mir an einem Projekt zusammenarbeiten. Ich verstehe sie, denn immer wenn man auf mich zukam, habe ich abgeblockt. Viel zu oft kam ich mir ausgenutzt vor und mit Menschen, die sich offensichtlich über mich lustig machen, wollte ich nun mal auch nichts zu tun haben. Außerdem wollte ich mich nicht ablenken lassen, denn Multitaskingfähig bin ich sicher nicht. Die Schule ist schwer gewesen und viele sind bei den letzten Prüfungen durchgefallen. Oh, und nicht zu vergessen bin ich ein Bücherwurm, was meine Mitschüler nicht so cool fanden.

Doch dann gibt es Tage wie diese, wo ich mir etwas mehr Spaß herbeiwünsche. Es müssen nicht Nachtclubs sein, mir würde ein Abend mit Freunden im Garten reichen. Ich habe noch meine beste Freundin Tara, doch trotzdem muss ich zugeben, dass ich gerne noch zwei weitere Freundinnen hätte, da Tara gefühlt rund um die Uhr arbeitet und nicht ständig Zeit für mich hat. Nur habe ich keine andere Wahl, als mich damit abzufinden. Wäre ich wenigsten etwas offener und kontaktfreudiger, so würde ich sicher schnell mehrere Freunde finden, nur fällt es mir selbst in der Uni schwer jemanden anzusprechen. Wieso kommt nicht einer der netten Mädels mal einfach auf mich zu?

Die Stille der Nacht oder des Waldes kann der Seele ein Hilfsmittel sein, in ihre eigene Tiefe hineinzulauschen.

Aus diesem Grund, liebe ich auch die Nacht und die Wälder, weswegen ich es bevorzuge nur in der Nacht spazieren zu gehen. Seufzend stehe ich von der Fensterbank meines Zimmers auf und lege mein Literaturbuch zur Seite. Die Sonne ist schon lange untergegangen, draußen ist es nun stockfinster.

Inzwischen bin ich schon zweiundzwanzig Jahre alt und immer noch lebe ich bei meinen Eltern. Ziemlich peinlich, aber ich kann nun mal nichts dagegen tun. Ich meine, wenn ich nicht so panische Angst davor hätte alleine zu leben - wobei ich dies größtenteils schon tat - dann wäre ich schon längst ausgezogen. Es ist nun mal etwas anderes, wenn man einfach nur allein Zuhause ist, weil die Eltern arbeiten sind und es ist etwas anderes, wenn man nach Hause kommt und du weißt, dass keiner auf dich wartet. Und ich liebe meine Eltern. Meine Mom die Ärztin und mein Dad der Hausmeister. Natürlich, wünschte ich mir einmal eine Schwester oder einen Bruder, doch bevor dies hätte passieren können, bekam Mom Gebärmutterhalskrebs. Ich danke Gott, dass sie keine Schaden von getragen hatte, nur musste sie eben ihre Gebärmutter entfernen.

„Katrina, kommst du mal bitte runter?", höre ich auch schon ihre Stimme. Ich erhebe mich seufzend, verlasse mein Zimmer und laufe in die Küche.

„Ja?", frage ich, als meine Mutter immer noch nicht spricht.

„Ach ja! Also, ich wollte dir nur noch sagen, dass du bitte auf dich achtest, während wir weg sind und bitte Rina, gehe so spät am Abend nicht so oft nach draußen, ja? Ich weiß, wie sehr du es liebst, aber jetzt im Winter wird es früh dunkel und da kann so vieles passieren. Gott weiß, wer da draußen alles rumlungert.", rattert sie gefühlt runter, als hätte sie die Worte auswendig gelernt, wobei sie den letzten Satz außer Atem haucht. Ich lege die Stirn in Furchen und verkneife es mir, genervt zu seufzen. Auch wenn ich innerlich nur den Kopf schütteln muss.

Jeder der in New York lebt, weiß was dort draußen rumlungert.

„Ist gut, Mom", beruhige ich sie. Ich glaube, dass Kinder in den Augen der Eltern für immer Kinder bleiben. Meine Mutter wird wohl niemals damit aufhören sich zu sorgen, wenn ich Nachts spazieren gehe. Die dunkelblauen Augen, die meinen so ähnlich sind, sehen auch jetzt so unglaublich besorgt aus. Ich lege lächelnd den Kopf schräg und nehme sie sanft in den Arm.

Belleza del SilencioWo Geschichten leben. Entdecke jetzt