K A T R I N A
„Ich bin inzwischen sechsundzwanzig Jahre alt. Vor einigen Jahren hat mein Vater mich zu einem Freund von sich geschickt. Dieser leitete eine Schule für Kampfsport, wo es hauptsächlich um Disziplin und Stärke ging. Mein Vater hat sich immer gewünscht, dass ich dort hingehe, um mich eines Tages vernünftig verteidigen zu können und auch, weil er immer der Meinung war, dass diese Schule irgendwo ein wenig Heilung für die Seele ist, also tat ich ihm diesen Gefallen. Ich habe dort Kung-Fu und Wushu gelernt, doch ich musste auch lernen, Verantwortung zu übernehmen, genauso wie alle anderen Schüler. Die Schule war dafür bekannt, dass sie Waisenkinder aufnahm und jedem Trainee wurde ein Waisenkind zugeteilt, auf das man gut aufpassen und auch erziehen musste. Ich bekam Danny. Danny war für mich noch ein Baby, knapp zwei Jahre alt, er konnte gerade erst gehen und es nervte mich, dass ich auf ein Baby aufzupassen hatte, der so viel Zeit einnahm, doch die, die viel zu lernen hatten, bekamen eben sehr kleine Kinder, auf die sie aufzupassen hatten. Als ich fertig mit der Schule war, bedeutete mir Danny die Welt. Also habe ich ihn adoptiert."
Zunächst starre ich ihn sprachlos an, weiß einfach nicht, was ich sagen soll, so sehr erstaunt und rührt die Geschichte mich.
„Wow", bringe ich sodann wispernd über die Lippen. „Ihr habt die selben Augen und auch die zwei kleinen Grübchen neben den Lippen, das ist doch kein Zufall!"
Leroy zuckt die Schultern und richtet weiterhin seine Haare.
„Danny nennt es Schicksal", wiederholt er.
„Danny weiß also, dass du nicht sein leiblicher Vater bist."
„Alle wissen es, aber das wird nie erwähnt. Danny ist nun mal ein Waisenkind und jetzt hat er jemanden, den er einen Vater nennen kann. Das wird ihm niemand kaputt machen", erwidert er, kraust die Nase und verzieht seinen Mund, wie als hätte er sich im rechten Moment noch davon abgehalten, etwas zuzufügen.
Und da wird es mir klar.
„Du hast etwas ausgelassen", spreche ich meine Gedanken laut aus und Leroy hält prompt in seiner Bewegung inne. Ich habe es so klingen lassen, als wüsste ich, was er ausgelassen hat, doch dabei ist das bloß eine Vermutung, aber seine Körperhaltung zeigt mir nun, dass ich recht habe.
Doch leider bekommt er sich viel zu schnell wieder in den Griff.
„Genauso wie du", entgegnet er und ich runzle verwirrt die Stirn. Er nimmt die Hände aus seinen Haaren, die nun fertig frisiert sind und dreht sich zu mir um. „Mit wie vielen Männern hast du denn nun in der Woche geschlafen?"
„Du bist unmöglich." Ich schüttle den Kopf, spüre wie mir die Gesichtszüge entgleiten und laufe auf meine Tasche zu. Leroy greift still nach einem feuchten Tuch und macht sich damit die Hände sauber, ehe er nach seiner Gesichtscreme greift.
„Wenn du mir sagst, was du ausgelassen hast, sage ich dir vielleicht, was ich ausgelassen habe", kommt es ruhig von ihm, als er sich wieder zum Spiegel umdreht.
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. Verdammt, ich will es wissen! Ich seufze und sehe vorsichtig zu ihm auf, bloß um mitzubekommen, dass er mich bereits ansieht. Heute scheint er wirklich etwas besser drauf zu sein. So wie heute hat er bisher noch nie mit mir gesprochen.
„Null", gebe ich also kleinlaut zu. Er hebt die Augenbrauen hoch und kneift die Augen zu.
„Was? Ich habe dich nicht verstanden."
„Ich habe noch nie ein näheres Verhältnis mit Männern gehabt", wiederhole ich beschämt und spiele mit dem Reißverschluss meiner Strickjacke. Anders als ich dachte, lacht Leroy gar nicht.
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Belleza del Silencio
Misterio / Suspenso[Band I] Leroy Kingston. Er ist gefährlich. Er ist skrupellos und er lechzt nach Rache. Als Mafiaboss ist er es gewohnt, Leben einfach auszuschalten, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Wieso nur klappte es bei Katrina nicht? War es die Angst i...