Sonntag, 11. März 1945

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Sonntag, 11. März 1945

Anton und Gerhard wurden wieder eingezogen, als richtige Soldaten. Ich kann es nicht glauben, die beiden sind doch erst sechzehn!

Anton kam heute vorbei, um sich zu verabschieden. Wir gingen zusammen in den Park, zu meinem Geheimplatz unter der Trauerweide.

Er saß neben mir auf der Wurzel und obwohl wir uns so nah waren, kam er mir unerreichbar vor. Ich glaube, wir waren beide etwas sprachlos und so blieb vieles ungesagt. Ich konnte nur eines tun, um ihm zu zeigen, wie viel er mir bedeutete: ihm seine Uhr zurückgeben. Diesen Augenblick hatte ich mir lange aufgespart. Die Überraschung und Freude in seinen Augen war alles wert!

„Womit hast du sie zurückgetauscht?", fragte er.

Ich zuckte mit den Schultern und wich seinem Blick aus. „Das lass mal meine Sorge sein." Wenn er wüsste ... Würde er die Uhr überhaupt annehmen?

„Du brauchst dieses ganze Essen nicht nur für deine Familie, oder?", sagte er nach einer Weile.
Die Frage überraschte mich nicht. Natürlich war ihm das aufgefallen. Er war schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Wie gerne hätte ich mich ihm anvertraut. Ich glaube, er hätte es verstanden. Vielleicht hätte er sogar an meiner Stelle das Gleiche getan. Aber was brachte es, ihm jetzt davon zu erzählen, wenn er doch morgen schon fort war? Außerdem hatte ich geschworen, Ilses Geheimnis zu bewahren.

Ich schüttelte stumm den Kopf und spürte Antons Blick auf mir, erwiderte ihn aber nicht.
„Komm", sagte ich dann und erhob mich rasch, bevor er noch weiter fragen konnte. Er folgte mir. Als ich die Äste der Weide teilte, um hindurchzuschlüpfen, legte er auf einmal seine Hand auf meinen Arm.

Ein kurzes Kribbeln durchzuckte mich, wie bei einem Stromstoß. Ich drehte mich langsam zu ihm um. Er stand ganz dicht hinter mir. Der Blick seiner tiefgründigen braunen Augen hielt mich gefangen. Würde er mich jetzt küssen? Fast wünschte ich es mir. Seine Lippen sahen so aus, als müssten sie ganz weich und gefühlvoll sein ... Doch dann erinnerte ich mich an Martin und vor Verlegenheit schoss mir das Blut in die Wangen. Nein, ich konnte Anton nicht küssen, nachdem das passiert war.

Ich leckte mir über die trocken gewordenen Lippen und drehte mich wieder um. Den ganzen Heimweg über hätte ich mich dafür ohrfeigen können. Aber es wäre sowieso nicht gut gewesen. Er ist jetzt weg und vielleicht – vielleicht sehen wir uns nie wieder. Es wäre nicht gut, wenn man sich zu sehr aneinander gewöhnt. Ich könnte es nicht ertragen, noch jemanden zu verlieren.
Am Gartenzaun blickte ich ihm noch einmal in die Augen. Es fiel mir schwer, die nächsten Worte auszusprechen. Ich hasse Abschiede. Ich will mich nie mehr von jemandem verabschieden müssen. Es schnürte mir das Herz und die Kehle zu.

„Pass auf dich auf, Anton", sagte ich und konnte meine Stimme gerade so vom Zittern abhalten. „Und auf Gerhard!"

Ich versuchte, mir sein Gesicht einzuprägen, dessen Züge bereits im Schatten lagen, die gefühlvollen Lippen, die ausdrucksstarken Augen, sein ernster Blick und dieses kleine Muttermal unter seinem linken Ohrläppchen.

Bitte, komm gesund wieder heim, betete ich im Stillen. Lass diesen Krieg bald vorbei sein!

Luises Tagebuch - Meine Welt in TrümmernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt