Mittwoch, 4. April 1945

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Mittwoch, 4. April 1945

Neben dem Schinkenstück hatte ich auch Eier, Milch – richtige Vollmilch –, Kartoffeln und Kohl in meinem Korb, als ich heute zu Ilse ging. Ich malte mir schon die Freude auf ihren Gesichtern aus. Das ist für mich die beste Belohnung für meine gefährlichen Wege. Jeder Zweifel, den ich am Anfang hatte, ist jetzt von der Zuversicht abgelöst worden, einen echten Unterschied zu machen.

„Vater geht es viel besser", berichtete mir Ilse strahlend. „Dank deiner Medizin und der guten Versorgung."

Ich atmete auf. „Das freut mich."

Dann war es also nicht umsonst, alles, was ich getan habe!

„Jetzt muss nur noch der Krieg bald aus sein, damit Papa wieder heimkommen kann", sagte sie hoffnungsvoll.

„Ja", seufzte ich. „Das wünsche ich mir auch." Natürlich dachte ich dabei an Vati.

„Noch immer keine Nachricht?" Sie sah mich mitfühlend an.

Ich schüttelte den Kopf.

„Gib die Hoffnung nicht auf!"

Bald darauf verabschiedete ich mich, weil ich zum Dienst musste und nicht schon wieder zu spät kommen wollte. Als ich aus dem Haus trat und mich wie immer vorsichtig umschaute, stand auf einmal Erika Weidenpesch vor mir. Seit dem Ende der Schule hatte ich sie nicht mehr gesehen. Sie ist mit ihrer BDM-Gruppe woanders eingeteilt. Auf die hätte ich nun wirklich verzichten können!

Mit ihrem bulligen Körper verstellte sie mir den Weg, während sie mich misstrauisch musterte. „Was machst du denn hier?"

Ich drückte meinen leeren Korb schützend an mich. „Nichts."

„Du wohnst doch gar nicht hier."

Was geht's dich an?, hätte ich sie am liebsten angeblafft. Aber ich wollte keinen Streit. „Ich muss weiter, bin schon spät dran", nuschelte ich und drängte mich an ihr vorbei.

Sie ließ mich ziehen, aber ich spürte beinahe ihren bohrenden Blick in meinem Nacken. Ob sie weiß, dass Ilse in dieser Straße wohnt? Hoffentlich petzt sie nicht.

Luises Tagebuch - Meine Welt in TrümmernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt