Sonntag, 18. März 1945
Heute habe ich ein Gespräch von zwei Patienten mitgehört, das mich sehr nachdenklich gestimmt hat. Ich putzte gerade um sie herum den Boden. Sie ließen sich in ihrer Unterhaltung nicht stören, hoben aber zuvorkommend ihre Beine an, damit ich unter ihren Stühlen wischen konnte.
„Mein Einsatz war viel zu früh zu Ende. Hab gehört, dass sich meine Division danach noch gut gehalten hat", sagte der eine mit Kopfverband leise zu seinem Kameraden.
„Meine auch", meinte der andere, ein junger Mann mit stark vernarbtem Gesicht. „Hat gekämpft bis zur letzten Patrone, wie es die Führung befiehlt. Da haben wir uns nichts vorzuwerfen. Wir hatten am Ende nur noch unsere Gewehre, damit kann man ja gegen Panzer nichts ausrichten. Das hat sogar unser Kommandant eingesehen und sich ergeben."
„Wie bist du denn rausgekommen?"
„Mich haben sie halt kurz vorher abgeschossen."
„Ich habe von Einheiten gehört, die dem Feind regelrecht in die Arme gelaufen sind. Das war schon nicht mehr feierlich."
„Nee, eine Schande ist das. Die sollte man alle an die Ostfront schicken. Wer den Russen gegenübersteht, denkt so schnell nicht ans Aufgeben."
„Der Amerikaner steht ja schon am Rhein. Ich würde sagen, ein paar Wochen noch, dann haben sie Berlin erreicht."
„Und Leipzig", fügte der andere hinzu.
„Ja, Leipzig sowieso. Kann man nur hoffen, dass der Ami hier eher ankommt als der Russe."
Ich erschauderte bei dem Gedanken. Könnten die Amis wirklich schon in wenigen Wochen Leipzig erreichen? Wird dann auch hier gekämpft?
Und Anton? Gegen wen muss er antreten? Die Russen, die angeblich so viel schlimmer sind als die Amerikaner? Wird seine Einheit auch kämpfen bis zur letzten Patrone? Mit dem Gewehr gegen Panzer? Man kann eigentlich nur hoffen, dass er verwundet wird oder in amerikanische Kriegsgefangenschaft kommt, so schlimm das auch klingt.
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Luises Tagebuch - Meine Welt in Trümmern
Historical FictionLeipzig, 1944: Das letzte Jahr des Krieges ist angebrochen und auch an der „Heimatfront" werden die Nahrungsmittel knapper und die Luftangriffe häufiger. Luise Hofmann ist 15 und seit Jahren treues BDM-Mädel. Doch je weiter der Krieg voranschreitet...