Samstag, 28. April 1945

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Samstag, 28. April 1945

Heute erreichte mich eine Nachricht von Ilse. Ich war überrascht und glücklich, von ihr zu hören. Offenbar hatte sie bei unseren Nachbarn nachgefragt, wo wir uns aufhielten.

In dem Brief schrieb sie mir, dass sie wenige Tage vor Leipzigs Kapitulation von einem Bekannten gewarnt worden waren, dass die Gestapo in nächster Zeit verstärkt Verhaftungen vornehmen würde, auch von solchen Menschen, die bisher noch verschont geblieben waren, aber schon länger unter deren Beobachtung standen.

Deshalb war Ilse mit ihrer Mutter und ihrem Bruder bei ihrem Pfarrer untergetaucht, der ihnen bereits geholfen hatte, Herr Matuzek zu verstecken. Sobald sie von Leipzigs Befreiung gehört hatten, waren sie zurückgekehrt und nun wieder als Familie vereint. Sie waren außer Gefahr und brauchten keine Angst mehr zu haben. Was für freudige Nachrichten!

Sie schrieb mir auch, wie leid es ihr tat, zu hören, dass wir unser Haus verloren hatten, und bat mich, so bald wie möglich bei ihnen vorbeizukommen. Ihr Vater will sich gebührend bei mir bedanken.

Mal sehen, wann ich Mutti davon überzeugen kann, mich wieder allein draußen zu bewegen. Ich habe ihr natürlich mittlerweile alles gestanden: von Ilses Vater, dem Schwarzhandel mit Lebensmittelmarken und auch, welche Rolle Onkel Philip dabei gespielt hat. Kurz darauf hat Mutti ihrem Bruder einen Besuch abgestattet - zum ersten Mal seit Jahren. Aber soweit ich weiß, verlief der alles andere als freundlich. Sie hat ihn dafür zur Rede gestellt, dass er ihr nichts von meinen regelmäßigen Besuchen gesagt hat. Dabei war sie es doch, die vor Jahren den Kontakt abgebrochen hat. Ich finde es traurig, dass sie sich auch jetzt nicht mit ihrem Bruder vertragen kann, gerade jetzt brauchen wir doch Familie!

Luises Tagebuch - Meine Welt in TrümmernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt