Die Strafarbeit [2/3]

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Zwei Tage später erschien Hermine wieder zum Unterricht. Ihre Augen suchten den blonden Slytherin. Die Blicke der beiden kreuzten sich und für einen Moment erschienen seine Gesichtszüge milder, dann sah er weg.
Hermine musste sich zwingen, sich auf die Stunde zu konzentrieren. Doch immer wieder wanderten ihre Augen nach vorne rechts und starrten Dracos Rücken an.
»... Miss Granger?«
»Oh tut mir Leid, Professor McGonagall, ich war mit meinen Gedanken woanders.«
»Das habe ich gemerkt. Mr. Malfoy, würden Sie so nett sein und die Frage beantworten?«, fragte die Schulleiterin spitz.
Draco schreckte hoch. »Äh, nein Professor.«
Ron grinste.
»Hört mir in der Klasse überhaupt jemand zu?«, schnaubte die Lehrerin. »Sie beide kommen heute Abend nach dem Essen zum Lehrerzimmer - Strafarbeit.«
Rons Grinsen war wie weggewischt. Leise begann er vor sich hin zu schimpfen.
Hermine saß den Rest der Stunde beklommen da. Sie wollte nicht mit Draco bei McGonagall nachsitzen. Sie konnte es sich nicht erklären, doch sie hatte das Gefühl, es wäre nicht gut, noch mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Bestimmt bekamen sie jetzt die Vorhaltungen wegen ihres Verschwindens gemacht, die Professor McGonagall bisher zurückgehalten hatte, denn bloße Unaufmerksamkeit konnte nicht der Grund für die überzogene Reaktion sein. Dafür kannte sie die Schulleiterin zu gut.
Mit gesenktem Kopf schlich Hermine nach dem letzten Unterricht vor der Mittagspause hinter ihren Freunden her. Bevor sie die große Halle betraten, blieb Hermine stehen. Sie musste die Schulleiterin davon überzeugen, Draco und ihr die Strafarbeit zu erlassen.
»Geht schon mal zum Essen, ich habe noch etwas zu erledigen«, rief sie den anderen zu und sauste los Richtung Lehrerzimmer.
Bereits hinter der nächsten Ecke wurde sie unsanft gestoppt. Sie prallte gegen einen Mitschüler. Der Schulterriemen ihrer Tasche riss und kurz darauf lagen Bücher, Federkiele und Pergamente verstreut auf dem Boden. Sofort bückte sie sich.
»Kannst du nicht aufpassen, du ... Granger?«
Draco hockte sich augenblicklich neben sie und begann, seine Schulutensilien einzusammeln, die ebenfalls auf den Steinen verteilt waren.
»Pass bloß auf Draco, dass du die Sachen nicht verwechselst. Aus den Büchern, wo Schlamm raustropft, würde ich die Finger lassen«, sagte ein Slytherin und stieg über sie hinweg.
»Kümmere dich um deinen eigenen Kram, Blödmann«, schnauzte Draco zurück.
Er reicht Hermine das Verwandlungsbuch. Dabei sah er sie an. »Wir sehen uns heute Abend. Na, freust du dich schon darauf?«
»Darf ich mal vorbei, ihr Turteltauben?«, fragte Lavender Brown anzüglich und trat beinahe auf eine von Dracos Pergamentrollen, als sie versuchte, an den zweien vorbeizukommen.
Beide sprangen gleichzeitig auf, mit gezückten Zauberstäben. Lavender wurde schneeweiß und ging rückwärts. »Kein Grund so überzureagieren«, jammerte sie. »Uh, da haben sich ja zwei Spaßvögel gefunden.« Sie drehte sich um und lief in Richtung der großen Halle davon.
Schweigend hoben Draco und Hermine die restlichen Sachen auf und reparierten ihre Taschen. Als hätten sie sich verabredet, ging Hermine voran zum Mittagessen, während Draco noch ein paar Augenblicke verstreichen ließ, ehe er ihr folgte.
Weshalb sie überhaupt den Weg zurückgelaufen war, hatte Hermine vergessen.
Am Tisch der Gryffindors wurde sie mit langen Gesichtern empfangen. »Was ist?«, fragte sie.
Harry und Ginny interessierten sich plötzlich mächtig für die gefüllten Kohlrouladen, während Ron sie missmutig ansah. »Was war das mit Malfoy eben?«, wollte er wissen. »Lavender hat euch tuscheln sehen.«
»Ich bin mit ihm zusammengestoßen und die Bücher sind heruntergefallen. Das war alles.«
Lavender beugte sich hinüber. »Ich habe deutlich gehört, wie er sagte, er freue sich auf heute Abend und du bist rot geworden.«
»Du brauchst dringend eine Brille und ein Hörgerät dazu«, fauchte Hermine.
Lavender lächelte süffisant. »Es war euch peinlich, deshalb habt ihr mich auch bedroht. Was ist, Hermine? Bist du im Begriff, den einen Reinblüter gegen den anderen auszutauschen? Dann sag es offen, ich würde Ron gerne wieder haben. Ich finde sowieso, dass ihr nicht zusammen passt.«
»Das hat Malfoy auch schon mal gesagt«, erinnerte sich Ron und wechselte die Gesichtsfarbe. »B e v o r du ihn verteidigt hast«, fügte er mit zusammen gekniffenen Augen hinzu.
Hermine blickte Hilfe suchend zu Harry und Ginny, doch die hatten ihr Interesse am Essen noch nicht verloren. Hermine sprang auf, nahm ihre Schultasche und rief wütend: »Ihr seid ja alle bescheuert. Lasst mich bloß in Ruhe!« Mit knurrendem Magen rannte sie hinaus. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Draco den Kopf hob.
Sie lief sofort zum Gryffindorturm. »Papperlapapp«, und einen Augenblick später gab das Porträt der fetten Dame den Eingang frei.
Hermine ging in den Mädchenschlafsaal und warf sich aufs Bett. Sie fühlte sich hin und her gerissen. Sie wusste nicht, wie es gekommen war, aber sie mochte Draco. Er war stiller geworden, nicht mehr ganz so arrogant und überheblich wie früher, jedenfalls nicht, wenn er mit ihr zusammen war.
Hermine öffnete ihren Nachttischschrank und holte Dracos Zauberblume heraus. Eine Weile sah sie verträumt zu, wie sich die Blüte öffnete, wieder schloss und dabei die Farbe wechselte. Irgendwann bemerkte sie, wie sie lächelte. Noch immer dieses Lächeln im Gesicht verstaute Hermine die Blume wieder im Schränkchen. Als sie aufblickte erfror es allerdings. Ginny stand im Türrahmen und hielt ein Tablett in der Hand. Ihren Gesichtsausdruck konnte Hermine nicht deuten.
Rons Schwester näherte sich. Sie stellte das Essen neben dem Bett auf den Boden. »Der Zauber, er ist von Malfoy, nicht wahr?«, fragte sie leise.
»Könnte es nicht sein, dass ich ihn ganz allein für mich gemacht habe?«, fragte Hermine zurück.
Offenbar hatte ihre Freundin doch genau zugehört, was Lavender bei Tisch von sich gegeben hatte und ihre Schlüsse daraus gezogen, denn Ginny schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Entschuldige, aber das ist ein typisches Geschenk eines Mannes an eine Frau, die er sehr schätzt. Außerdem bist du für so etwas nicht romantisch genug.«
»Nur weil ich ein Bücherwurm bin, heißt das noch lange nicht, dass ich in dieser Hinsicht nicht auch kreativ sein kann«, klammerte sich Hermine an den nächsten Strohhalm. »Zudem denk mal darüber nach, von wem du sprichst. In seinen Augen bin ich ein wertloses Schlammblut. Schließlich hat er es mein ganzes Schulleben lang oft genug betont.«
»Gut, wenn du dich daran erinnerst. Ich glaube nicht, dass Malfoy sich durch den Sturz Voldemorts so verändert hat, dass er plötzlich auf muggelstämmige Hexen steht. Du hast ihm zu oft Paroli geboten, also sei weiterhin vorsichtig. Sollte er tatsächlich nett zu dir sein, so steckt garantiert eine finstere Absicht dahinter. Pass auf dich auf, ehe du dich und andere ins Unglück stürzt.«
»Ich weiß«, sagte Hermine tonlos.
Ginnys Lächeln wirkte ein wenig gezwungen. »Und jetzt iss etwas. Dir muss ja der Magen auf den Knien hängen.«
»Hat Lavender noch etwas gesagt, nachdem ich weg war?«, wollte Hermine wissen.
»Nicht viel. Sie hatte ihren Spaß gehabt.«

Draco gefiel der Gesichtsausdruck gar nicht, mit dem Hermine aus der großen Halle gestürmt war. Doch er zwang sich, weiter zu essen. Es ging ihn nichts an, wenn sie Stress mit ihren Freunden hatte. Wenig später bemerkte er, wie die kleine Weasley ein Tablett mitnahm. Gut, Granger würde also nicht hungern müssen.
Nach dem Essen ging Draco hinunter zu den Kerkern. Er blieb vor der Mauer stehen und flüsterte: »Blutsverräter«. Sofort glitt die Wand zurück.
Draco durchquerte den leeren Gemeinschaftsraum und betrat den Schlafsaal. Er schritt auf das erste der beiden Betten zu, kniete sich davor nieder und zog seinen Koffer darunter hervor. In diesem hatte er den Säbel und den Ring verstaut, welche er gemeinsam mit Hermine dem Skelett abgenommen hatte. Zum wiederholten Male entnahm er dem Geheimfach das Schmuckstück und betrachtete es eingehend. Durch Hermines Zauber glänzte das Silber wieder und Draco hatte die Initialen C.M. in der Innenseite entdecken können. Er wusste nicht was es war, aber etwas faszinierte ihn daran. Draco wollte unbedingt die Geschichte hinter dem Toten erfahren. Hoffentlich konnte ihm seine Mutter in der Sache weiterhelfen, dann entkam er der Unterredung mit seinem Vater, auf die er wenig erpicht war. Draco nahm sich vor, seine Mutter in den Weihnachtsferien darauf anzusprechen.
Nach einer kleinen Weile, legte er den Ring wieder an seinen Platz zurück und schob den Koffer unter das Bett. Draco schnappte sich seine Schultasche und betrat erneut den immer noch leeren Gemeinschaftsraum. Er setzte sich in die Nähe des Kamins. Das Feuer brannte Tag und Nacht, um den dunklen Kerker stets mit etwas warmem Licht zu füllen, da das grüne, dass allgemein vorherrschte, immer eine gewisse Kühle verströmte.
Draco begann mit seinen Hausaufgaben. Er hatte kaum die Hälfte geschafft, als Zabini eintrat.
Der Dunkle sah mitgenommen aus. Wenn Draco es nicht besser gewusst hätte, wäre ihm der Gedanke gekommen, er hätte geweint.
»Was ist los, Blaise? Ärger gehabt?«
Zabini schüttelte den Kopf.
»Liebeskummer?«, fragte Draco und grinste.
Der Blick, den Zabini ihm zuwarf, ließ ihn erstarren. Der Schuss ins Blaue hatte offenbar getroffen. Trotzdem wollte Draco nicht locker lassen.
»Was ist? Will die kleine Hufflepuff nichts mehr von dir wissen?«
Zabini stellte sich vor den Kamin und starrte in die Flammen. »Das ist es nicht. Es liegt an ihrer Familie.«
Draco horchte auf. »Blutstatus?«
»Halbblut.«
»Naja, könnte schlimmer sein.«
Zabini flog herum. »Das sagst du, ausgerechnet du? Du hast doch bisher noch nicht mal mit so jemandem geredet, wenn du nicht musstest.«
Draco überlegte. Er sollte seine nächsten Worte mit Bedacht wählen. »Vielleicht ist der Blutstatus gar nicht mehr so wichtig. Es zählt doch eigentlich nur, ob ihr zusammen passt oder nicht. Außerdem gibt es Peinlicheres, als sich in ein Halbblut zu verlieben.«
»Wer bist du und wo ist Draco Malfoy?«, fragte Zabini, doch er lächelte dabei ein wenig. »Warst du es nicht, der mir mal gesagt hat, Halbblüter sind auch nur die Hälfte wert?«
»Hast du schon mal etwas vom Dunklen Lord gehört, Blaise?«, fragte der Blonde ernst.
»Soll das ein Witz sein?«
»Er war ein Halbblut und alle hatten vor ihm gezittert. Professor Snape war ebenfalls ein begnadeter Zauberer. Du selbst hast mir gesagt, dass du sogar Granger für eine exzellente Hexe hältst und die ist ..., stammt von Muggeln ab. Ich denke, meine Ansicht von damals war nicht richtig.« Dracos Stimme wurde zum Schluss immer leiser, beinahe als spräche er zu sich selbst.
»Du redest von Fähigkeiten, Draco, nicht von Liebe. Könntest du etwas für ein Schlammblut empfinden, außer Verachtung natürlich?« Zabini sah ihn kritisch an.
Draco sagte langsam: »Blaise, wir haben diesen Hass auf Muggelgeborene mit der Muttermilch aufgesogen. Ich frage mich, was wäre, wenn er falsch ist? Ist es wirklich so bedeutsam, in wen wir uns verlieben? Ist es nicht vielmehr wichtiger, eine Partnerin zu finden, auf die wir uns jederzeit verlassen können? Die uns um unser Selbst willen liebt und nicht das, was wir darstellen? Ich schöre dir, ich werde dich nie als Blutsverräter bezeichnen, nur weil du eine Muggelhexe liebst.«
»Petronella ist ein Halbblut, Draco«, sagte Zabini ungeduldig.
»Ach ja stimmt, sagtest du bereits«, erwiderte der Blonde ein wenig verwirrt.

Brennendes EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt