Weihnachten [2/2]

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Manchmal ist es ein Vorteil einer großen Familie, dass man nie zur Ruhe kommt und somit nie zum Grübeln. Einer der Weasleys wuselte ständig um Hermine herum, so dass sie tagsüber genügend Ablenkung hatte. Nachts jedoch, war außer Ginny, mit der sie sich ein Zimmer teilte, niemand bei ihr. Mit Wucht bahnte sich dann die Erinnerung an Draco ihren Weg. In ihrem Inneren fühlte sie eine Sehnsucht, wie noch nie zuvor. Selbst nach Ron nicht. Jetzt kamen Hermine ihre Eifersucht auf Lavender und ihre stümperhaften Versuche, Ron mit McLaggen aufzuziehen, kindisch vor. Es war vielmehr so, dass sie sauer gewesen war, als hätte man ihr das Spielzeug weggenommen.
Plötzlich sah sie andere Bilder. Draco mit Pansy Parkinson beim Ball anlässlich des Trimagischen Turniers. Händchen haltend zu Beginn der sechsten Klasse.
Hör auf Hermine, schimpfte sie mit sich selbst. Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft. Für den Rest der Nacht gelang es ihr, den Slytherin aus ihren Gedanken zu verbannen.
Berge von Weihnachtsgeschenken wurden zwei Tage später ausgepackt. Wie immer hatte jeder etwas Selbstgemachtes bekommen, wie die unvermeidlichen Schals und Pullover, an denen Mrs. Weasley nach Hermines Ansicht schon zu Ostern beginnen musste, um alle Familienmitglieder und Freunde damit zu bedenken.
Überschattet wurde die Runde nur von der Tatsache, dass es das erste Weihnachtsfest ohne Fred war. George gab zwar sein Bestes, witzig für zwei zu sein, doch irgendwann merkte er, dass die anderen dadurch nur noch trauriger wurden.
Mr. Weasley erhob schließlich sein Glas. »Auf Fred, der gerne bei uns gewesen wäre.«
Hermine versuchte die anschließende bedrückende Stille zu durchbrechen, indem sie fragte, was Ron denn Lavender zu Weihnachten geschenkt hätte.
»Woher weißt du das schon wieder?«, fuhr Ron auf und lief tatsächlich rosafarben an.
»Ich dachte, weil sie dir doch auch was geschenkt hat«, sagte Hermine kleinlaut. »Sie meinte zu Parvati, du hättest dich sehr über ihren Miniaturhüter gefreut,« stammelte sie und wünschte, sie hätte nichts gesagt.
»'Ne Schachtel Pralinen«, sagte Ron mürrisch.
»Sehr einfallsreich«, spottete Ginny.
»Ronald Bilius Weasley«, rief seine Mutter und ihr Kehlkopf blähte sich dabei wie der eines Ochsenfrosches. »Du bist mit Hermine befreundet. Du wirst anderen Mädchen keine Geschenke machen und auch keine annehmen. Hast du das verstanden?«
Ron schluckte. »Ja, Mum.«
Er sah zerknirscht aus und Hermine plagte mal wieder ein schlechtes Gewissen. Gleichzeitig war sie jedoch erleichtert, dass Ron nicht weiter nachbohrte.
»Gibt es Neuigkeiten aus dem Ministerium, Mr. Weasley?«, fragte Harry schnell und entspannte dadurch die Situation.
Der Hausherr nickte und griff nach einem Plätzchen. Kauend sagte er: »Oh ja. Nächste Woche ist die zweite Anhörung von Lucius Malfoy. Sein Sohn und seine Frau werden vor dem Zaubergamot aussagen.«
»Was werden die schon zu sagen haben?«, maulte Ron und verschränkte die Arme. »Herauswinden werden sie sich wieder, wie immer.«
»Wahrscheinlich. Bei der letzten Anhörung, vor Schulbeginn, zeichnete sich ja schon ab, dass Narzissa und Draco ungeschoren davon kommen. Wenn es ihnen gelingt, nun auch Lucius zu entlasten, der nachweislich bei der Schlacht um Hogwarts nicht gekämpft hat, ist es möglich, dass er in einigen Monaten wieder auf freiem Fuß ist,« schloss Mr. Weasley.
»Schade eigentlich«, kommentierte Ginny und kuschelte sich an Harry. »Draco schien sich gut zu entwickeln, solange er nicht mehr unter dem Einfluss seines Vaters stand.«
»Was soll das denn heißen?«, begehrte Ron auf. »Er hat mich entwaffnet.«
»Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hat er sich bloß verteidigt. Sei froh, dass er nur Harrys Lieblingszauber angewandt hat und nichts Schlimmeres.« Ginny warf bei diesen Worten ihrer Freundin einen Blick zu. Doch Hermine schaute stur auf ihre Fingerspitzen.
Kurz nach Weihnachten kamen die Freunde abends ausgelassen zurück in den Fuchsbau. Sie hatten ohne Rons und Ginnys Eltern einen lustigen Tag in London verbracht. Es hatte durchaus seine Vorteile, volljährig zu sein. Mrs. Weasley bewirtete sie wieder reichlich. So nebenbei wandte sie sich an Hermine. »Ein Uhu hat auch deine Bestellung von Flourish & Blotts gebracht. Ich habe es oben neben dein Bett gelegt. Das Geld für die Lieferung hättest du dir allerdings sparen können, wo du doch sowieso heute in der Winkelgasse warst. Naja, ich verstehe schon, ist auch ein sehr dickes Werk, was du dir ausgesucht hast und wahrscheinlich wolltest du nicht noch mehr tragen, stimmt es?«
Hermine nickte, unfähig einen Ton herauszubringen. Sie wusste genau, sie hatte nichts im Buchladen der Winkelgasse bestellt.
Nach dem Essen hastete sie auf ihr Zimmer. Da lag der Wälzer, eingewickelt in das Packpapier samt Stempel von Flourish & Blotts. Hermine untersuchte es genauer. Es schien, als wäre es schon einmal benutzt worden.
Sie riss die Verpackung auf und erstarrte. Vor ihr lag die Erstausgabe der Geschichte Hogwarts, die sie in Hogsmeade gesehen hatte. »Oh Draco, warum tust du das?«, murmelte sie leise. Vorsichtig öffnete sie es.
Auf der ersten Seite lag ein zusammengefalteter Zettel, auf dem in seiner typischen steilen und engen Handschrift stand: Ich hätte auch zehn Galleonen dafür bezahlt. Fröhliche Weihnachten.
Darunter hatte er einen Christbaum gezeichnet, dessen Kerzen immer wieder an- und ausgingen.
Hermine drückte das Buch fest an ihre Brust und brach in Tränen aus.
»Ist etwas damit nicht in Ordnung?«, fragte Ginny, die plötzlich im Türrahmen auftauchte.
»Doch, doch, ich freue mich nur so, dass es endlich angekommen ist«, schluchzte Hermine und wischte sich hastig über die Augen.
Ginny kam näher und betrachtete den Einband. »Sag mal, ist das nicht das Buch, das du damals in Hogsmeade nicht gekauft hast, weil es dir zu teuer erschien?«
»Ich habe es jetzt günstiger bekommen«, erwiderte Hermine, froh, das zumindest das die Wahrheit war.
»Bei Flourish & Blotts? Ich war doch heute mit dir dort. Mir ist nicht aufgefallen, dass du es dir bestellt hast.«
Hermine blieb die Antwort schuldig.
Ginny schlug sich plötzlich vor die Stirn. »Es ist von Malfoy, nicht wahr? Ihn habe ich nämlich damals vor dem Antiquitätenladen getroffen.«
Hermine schlug die Augen nieder.
»Was läuft da zwischen euch?« Ginny war sauer. »Du musst dich entscheiden, Hermine. Es ist unfair Ron gegenüber. Schick das Buch zurück, oder sage meinem Bruder, dass es zwischen euch aus ist, weil du offenbar Gefühle für einen Kerl entwickelt hast, der dich bisher immer nur als Schlammblut beschimpft hat.«
Hermine warf sich auf ihr Bett und ließ den Tränen freien Lauf. Sie spürte, wie Ginny sich neben sie setzte und ihr durchs Haar strich. »Du liebst Ron doch, seit Jahren schon. Ihr passt großartig zusammen. Schick das Buch zurück, Hermine. Vielleicht will Malfoy tatsächlich etwas von dir, das wird aber spätestens dann aufhören, wenn sein Vater aus dem Gefängnis entlassen wird. Er kann nicht lieben, er schafft keinen Patronus. Geh zu Ron heute Nacht und ... sprich mit ihm, Hermine. Ich lenke Harry ab.«
Unter einem Vorwand holte Ginny ihren Freund noch einmal aus dem Bett, weil sie ihm etwas Dringendes zeigen wollte. Hermine ging hinunter und klopfte zaghaft an Rons Schlafzimmertür. Sie musste jetzt tun, was ihr Kopf befahl, auch wenn es ihr Herz in Stücke zu reißen schien.
»Herein«, sagte er verschlafen.
Hermine betrat den Raum. Sie trug nur ihr Nachthemd und bemerkte erst jetzt, dass sie vergessen hatte, sich etwas überzuziehen. Sie begann zu zittern, was jedoch nicht nur auf das fehlende Kleidungsstück zurückzuführen war. Sofort rückte Ron im Bett beiseite und hob die Decke an. Hermine kuschelte sich an ihn, doch die innere Kälte blieb.
»Äh, Hermine, was wird das jetzt?«, fragte Ron, deutlich nervös.
So eine Frage würde Draco nie stellen, schoss es ihr durch den Kopf.
»Ron, willst du mich verlieren?«, fragte sie mit bebender Stimme.
»Nein, natürlich nicht, nie.«
»Dann halte mich ganz fest in deinen Armen, ehe ich eine Dummheit begehe.«
»Aber du wolltest doch erst nach der Schule ...« Er stockte.
»Jetzt ist aber keine Schule, Ron.«
»Oh, ja schon.«
Hermine küsste ihn. Seine Lippen waren voll und weich, seine Zunge ungelenk und vorsichtig. Fahrig nestelte er an ihrem Nachhemd herum, drückte nasse Schmatzer auf Hals und Dekolletee.
Ich liebe Ron, nur Ron, wiederholte sich Hermine wie ein Mantra, schloss die Augen und ließ ihn gewähren.

Brennendes EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt