Elaine Hunter [2/3]

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Zwei Tage später rief Professor McGonagall Draco erneut zu sich. Sie eröffnete ihm, Elaine Hunter, oder vielmehr Rawlish, wie sie mittlerweile hieß, gefunden zu haben.
»Sie lebt in der Grafschaft Surrey, in einem kleinen Cottage.«
»Echt? Die muss ja mindestens hundertzwanzig sein«, rutschte es Draco heraus.
»Unsinn, aber in Ihren jungen Jahren ist jemand über vierzig schon steinalt. Elaine Hunter verließ Hogwarts in der fünften Klasse, ohne ihre ZAG's gemacht zu haben.«
»Das passt«, sagte Draco nachdenklich. »Onkel Chimärus starb, als er in der sechsten war. Wie kann ich mit ihr in Kontakt treten?«
»Das übernehme ich. Ich werde Ihnen Zeit und Ort mitteilen, an dem Sie sich mit Mrs. Rawlish treffen werden, sofern sie dem zustimmt. Sie sollten jemanden mitnehmen, denn Sie können da auf keinen Fall alleine hingehen«, sagte die Schulleiterin streng.
»Professor, Sie selbst haben mir verboten über die Sache zu sprechen. Da bleibt nur Miss Granger übrig. Außerdem finde ich, dass es ihre Pflicht sein sollte, dabei zu sein, zumal ich ohne sie niemals die Hinterlassenschaft hätte entdecken können.«
McGonagall nickte. »Gut argumentiert, Mr. Malfoy. Vielleicht bedürfen Sie auch Miss Grangers Hilfe vor Ort, Mrs. Rawlish hat nämlich einen Muggel geheiratet. Niemand in ihrer Familie ist magisch.«
»Mir bleibt auch nichts erspart«, murmelte Draco.
»Das will ich überhört haben. Mrs. Rawlishs Mann ist mittlerweile verstorben. Ihm werden Sie zumindest nicht mehr begegnen.« Professor McGonagall verharrte einen Moment und fuhr dann fort: »Miss Granger mitzunehmen halte ich wirklich für eine ausgezeichnete Idee. Sie haben noch nie ein Muggelhaus von innen gesehen, nehme ich an. Da werden einige Überraschungen auf Sie warten«, setzte die Lehrerin hinzu und sah ihren Schüler beinahe mitfühlend an.
Draco war sehr mit sich zufrieden. Auch Phase zwei seines Planes schien sich zu erfüllen.
Erwartungsgemäß zog Hermine Granger ein Gesicht wie Sieben-Tage-Regenwetter, als Professor McGonagall ihr im Schulleiterbüro eine Woche später eröffnete, auf welche Mission sie sich gemeinsam mit Draco Malfoy begeben sollte.
»Aber Professor, ich kenne die Frau doch gar nicht und was bitte schön, habe ich mit seinen Verwandten zu schaffen«, empörte sie sich, doch dabei wagte sie nicht, den Kopf zu wenden und Draco anzusehen. Er tat ebenfalls so, als wäre ihm die ganze Sache plötzlich lästig und schaute stur geradeaus auf Dumbledores Porträt.
»Das ist mein letztes Wort, Miss Granger«, sagte McGonagall scharf. »Sie waren mit ihm da unten und Sie werden es auch zu Ende bringen. Mr. Malfoys Absichten sind sehr ehrenhaft und ich erwarte, nein, ich verlange von Ihnen, dass Sie ihn dabei mit all Ihren Kräften unterstützen. Mrs. Rawlish freut sich schon sehr auf Ihren Besuch am kommenden Samstag.«
»Am Samstag?«, fuhr Hermine erneut auf. »Aber Professor, da ist doch das Quidditchspiel Gryffindor gegen Ravenclaw.«
»Ob Sie es nun glauben oder nicht – Miss Granger«, sagte die Schulleiterin und ihr Tonfall nahm dabei noch an Schärfe zu, »das ist mir durchaus bewusst. Da jedoch weder Sie noch Mr. Malfoy aktiv an diesem Spiel teilnehmen, wird der Schaden sich in Grenzen halten, wenn sie es verpassen.«
»Aber Ron ist der Hüter von Gryffindor. Ich muss dabei sein«, versuchte Hermine es erneut.
»Genug jetzt, Miss Granger. Ich denke, Mr. Weasley wird durchaus in der Lage sein, einige Quaffel aufzuhalten, auch wenn Sie ihm nicht dabei zujubeln. Grinsen Sie nicht so blöd, Mr. Malfoy.«
Draco biss sich in die Innenseite seiner Wange und setzte sofort wieder ein gelangweiltes Gesicht auf.
»Ich erwarte Sie beide am Samstag Nachmittag, hier in diesem Büro um zehn Minuten vor drei Uhr. Dann werde ich den Apparierschutz aufheben, so dass Sie nach Surrey gelangen können. Sie werden zwei Stunden mit Mrs. Rawlish verbringen und Tee trinken. Danach haben Sie ein Zeitfenster von einer viertel Stunde, um wieder hierher zurück apparieren zu können. Ansonsten müssen Sie nach Hogsmeade reisen und von dort aus laufen. Noch Fragen?«, wollte Professor McGonagall wissen.
Draco und Hermine schüttelten die Köpfe.
»Miss Granger, Sie können gehen. Mr. Malfoy, mit Ihnen habe ich noch etwas zu besprechen.«
Sofort sprang Hermine auf und verließ fluchtartig das Büro. Draco zwang sich, ihr nicht nachzusehen. Er hatte gehofft, mit ihr gemeinsam gehen zu können, um endlich mal wieder mit ihr alleine zu sein. Die Schulleiterin gab ihm lediglich ein paar allgemeine Verhaltensregeln in Bezug auf seinen bevorstehenden Kontakt mit Muggeln mit auf den Weg. In Draco keimte der Verdacht, Professor McGonagall wollte ihn nur davon abhalten, zusammen mit Hermine das Büro zu verlassen.Pünktlich zur festgesetzten Uhrzeit fand sich Draco am Samstag im Schulleiterbüro ein. Hermine war schon da und sah sichtlich nervös aus. Nie hätte sie es gewagt, McGonagalls Anweisungen zu ignorieren. Draco freute sich. Sobald Hermine die Geschichte seines Großonkels erfahren würde, musste sie die Familie Malfoy mit anderen Augen sehen. Draco würde fast einen ganzen Nachmittag mit ihr verbringen, wenn auch nicht allein, und Hermine Granger durfte niemandem davon erzählen. Das war das Beste daran. Noch ein Geheimnis mehr vor ihren Freunden.
Professor McGonagall betrachtete kritisch ihr Äußeres. Draco trug eine dunkle Hose, Stiefeletten und ein Jackett, in dessen Innentasche er seinen Zauberstab gesteckt hatte. Über seinem Arm hing ein schwarzer Mantel aus schwerem Walkstoff, in dessen Taschen sich das Notizbuch und der Ring seines Großonkels befanden. In der Hand hielt er seine Kappe aus Biberpelz.
Hermine hatte sich für eine braune Cordhose entschieden. Darüber eine Bluse mit Pullunder und einen Mantel mit Kapuze. Zusätzlich trug sie noch eine rote Strickmütze. Der Gryffindorschal war um ihren Hals geschlungen. Offenbar baute sie darauf, nach ihrem Ausflug direkt zum Spielfeld eilen zu können.
Die Schulleiterin nickte zufrieden. »Ziehen Sie Kappe und Mantel an, Mr. Malfoy und gehen Sie auf Ihre Plätze. Hier habe ich eine Aufnahme des Cottage, in dem Mrs. Rawlish lebt. Apparieren Sie in Sichtweite. Ich will nicht, dass Sie sich da draußen verlaufen. Sie müssen schon ein wenig näher an Mr. Malfoy heran, Miss Granger, wenn Sie gemeinsam dort ankommen wollen. Fassen Sie sich am besten bei den Händen. Ja genau, Mr. Malfoy. Jetzt bleibt mir nur noch Ihnen viel Glück und Erfolg zu wünschen. Wenn alles gut geht, sehen wir uns in zwei Stunden hier wieder.«
Draco starrte auf die Fotografie und bedauerte, dass sie beide Handschuhe trugen. Er hätte zu gerne ihre Haut berührt. Draco schloss die Augen. Vor das Cottage von Mrs. Rawlish in Surrey, dachte er. Ziel, Wille, Bedacht !
Sie begannen sich zu drehen und wirbelten um sich selbst durch die Luft. Nach einiger Zeit spürten sie wieder den harten Boden unter den Füßen. Schwankend hielten sie sich an den Händen fest und sahen sich eine Zeitlang schweigend in die Augen. Sie waren unter einem ausladenden Baum appariert, der von einem niedrigen weißen Zaun umgeben war. Schneeflocken schwebten auf sie hinab.
»Das ist die Dorflinde«, sagte Hermine schließlich. »Sieh, da vorne ist das Haus, das wir suchen.«
Sie löste sich von ihm und stieg über den Zaun. Draco folgte ihr. Für ihn sah ein Cottage beinahe wie das andere aus. Jedes hatte eine kleine Gartenpforte und ein gepflasterter Weg führte an derzeit leeren Blumenrabatten vorbei bis zum Häuschen.
»Hier riecht es ja geradezu nach Muggel«, sagte Draco und rümpfte die Nase. Einen Augenblick später biss er sich auf die Unterlippe und ärgerte sich über sich selbst. Das war wohl kaum die richtige Methode , um ihr zu zeigen, dass er sich geändert hatte.
Doch Hermine beachtete ihn nicht und ging geradewegs auf das Haus mit der Nummer Zehn zu. Sie öffnete den Riegel an der Pforte und trat hindurch.
Ein wenig beklommen kam Draco ihr nach. Er war sich nicht mehr so sicher, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, Elaine Rawlish aufzusuchen.
Hermine war bereits an der blau gestrichenen Tür mit Milchglaseinsatz angelangt und betätigte das Seil, welches neben dem Rahmen hinab baumelte. Ein schepperndes Geräusch ertönte aus dem Inneren, als würden leere Blechkannen zusammen geschlagen.
Ein Schatten zeigte sich durch die Glasscheibe und die Türe öffnete sich. Eine junge Frau, etwa in ihrem Alter, stand im Rahmen und sah sie freundlich an. »Herzlich Willkommen. Sie müssen Miss Granger und Mr. Malfoy sein. Ich bin Amanda Rawlish. Großmutter erwartet sie schon sehnsüchtig.«
Hermine bedankte sich und ging voran in den Flur. Draco folgte ihr und musste den Kopf einziehen, als er durch die Tür trat. Der Flur war schmal und kleiner als die winzigste Besenkammer im Haus der Malfoys. Zusätzlich eingeengt wurde er durch die Garderobe an der Seite. Mrs. Rawlishs Enkelin nahm ihnen ihre Überbekleidung ab. Das gefiel Draco überhaupt nicht, doch da Hermine Granger Schal, Mantel und Mütze widerstandslos übergab, machte er es besser ebenso. Nur das Notizbuch und den Ring holte er heraus und ließ sie unauffällig in den Taschen seines Jacketts verschwinden. Amanda Rawlish führte sie zu einer weißen Tür und ging voran in ein kleines Wohnzimmer.
Draco war mehr als froh, Hermine bei sich zu haben. Sie ging sicheren Schrittes quer durch den Raum, wozu sie lediglich drei Schritte benötigte auf einen großen roten Ohrensessel mit gehäkeltem Spitzendecken über der Lehne zu. Darin saß eine alte schlanke Frau mit schlohweißem Haar. Ihre großen braunen Augen blickten erstaunlich wachsam auf die Besucherin. Sie strahlte eine unglaubliche Wärme und Güte aus.
Plötzlich glaubte Draco zu erahnen, was sein Großonkel in ihr gesehen hatte. Elaine Rawlish lächelte Hermine herzlich an und reichte ihr die Hand. »Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen. Bitte setzen Sie sich, Miss Granger.«
Dann drehte sie langsam den Kopf und ihre Augen ertasteten den männlichen Besucher. Draco spürte, wie die alte Dame einen Moment den Atem anhielt und dann liefen ihr ohne Vorwarnung Tränen über das Gesicht. Draco stand da wie angewurzelt und wagte sich nicht zu rühren. Amanda Rawlish stürzte sogleich auf ihre Großmutter zu. »Was ist passiert, Omi? Regt dich der Besuch zu sehr auf? Soll ich sie nicht doch besser wieder weg schicken?«
Doch Elaine schüttelte energisch den Kopf. »Es ist nichts. Ich hatte nur für einen Augenblick geglaubt, einen Geist aus der Vergangenheit zu sehen.«
Draco warf Hermine einen hilflosen Blick zu, doch sie übersah ihn geflissentlich. »Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte Mrs. Rawlish, reichte auch ihm die Hand und deutete auf die Couch. »Nehmen Sie bitte neben Miss Granger Platz.«
Vorsichtig ergriff Draco die runzelige Hand, deren Finger sich unerwartet fest um seine schlossen. Dann umrundete er den Sessel und setzte sich neben Hermine auf das ebenfalls rote und mit Spitzendeckchen verzierte Sofa. Er rutschte so nah an sie heran, dass sie sich fast berührten. Die Muggelbehausung war ihm unheimlich. Zwischen dem Sofa, auf dem sie saßen und Elaines Sessel, befand sich ein niedriger Tisch. Auf ihm stand ein cremefarbenes, mit Rosen verziertes Service, bestehend aus drei Tassen und drei Tellern, sowie gold schimmerndem Besteck, welches ebenfalls mit Rosen geschmückt war. Ein gedeckter Apfelkuchen stand in der Mitte und daneben eine Teekanne mit einem Kännchen Milch, sowie ein Schälchen Schlagsahne. Viele kleine Fotografien hingen an den Wänden, offenbar Familienmitglieder, aber keines davon bewegte sich. Geradeaus stand ein breiter hölzerner Stuhl mit Lehne und grüner Polsterung vor einem Sekretär. Daneben hing eine Uhr, die leise tickte, während das goldenen Pendel hin und her schwang. »Danke Amanda, ich brauche dich nun nicht mehr«, sagte die alte Dame bestimmt.
»Ich bleibe in der Nähe, falls du es dir anders überlegst«, antwortete die Enkelin mit Blick auf Draco. Offenbar war ihr ganz und gar nicht geheuer, welche Reaktion sein Erscheinen bei ihrer Großmutter ausgelöst hatte.
Doch Elaine Rawlish erwiderte energisch: »Geh mit dem Hund spazieren.«
»Wir haben keinen Hund mehr, Omi.«
»Dann geh mit dem Nachbarn spazieren, oder alleine. Jedenfalls möchte ich, dass du für die nächsten zwei Stunden das Haus verlässt. Wir haben das doch alles schon besprochen. Geh bitte.«
Amanda sah misstrauisch aus, verließ aber das kleine Wohnzimmer. Elaine Rawlish wartete noch etwas, bis einem Knall nach zu urteilen die Haustüre ins Schloss flog.

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