Die Strafarbeit [3/3]

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Während des Abendessens schaute Draco zu Hermine hinüber. Sie sah wieder ganz normal aus. Dennoch nahm er sich vor, sie nachher zu fragen, was los gewesen war. Kaum waren die Haustische abgeräumt, als Professor McGonagall die beiden Delinquenten zu sich winkte. »Gehen Sie beide schon mal in das Pokalzimmer. Ich komme gleich nach.«
Draco sah Hermine an. »Pokalzimmer?«, formten seine Lippen, ohne dass ein Ton dabei herauskam.
Hermine zuckte die Achseln. Die beiden verließen die große Halle. Nicht wenige Schülerinnen und Schüler schauten ihnen verwundert nach.
Die Tür des Raumes, in dem die Trophäen vieler Jahrhunderte aufbewahrt wurden, war verschlossen.
»Nach dir, Granger«, sagte Draco und deutete eine Verbeugung an.
Mit Hilfe ihres Zauberstabes öffnete Hermine die Tür. In diesem Raum roch es immer nach einer Mischung aus Staub und Putzmitteln.
»Ich hoffe sehr, McGonagall hat uns nicht herbestellt, damit wir die angelaufenen Pokale wieder blank schrubben«, sagte Draco.
»Hat sie nicht«, erklang es von der Tür her. »Und es heißt immer noch Professor McGonagall, Mr. Malfoy.«
Draco sagte lieber nichts dazu.
Die Schulleiterin durchschritt den Raum und ging auf einen Schrank zu. Ein Wink mit dem Zauberstab, die Türen schlugen auf und die Akten flogen auf das Pult, das in der Nähe stand.
»Sie werden die Trophäen neu katalogisieren, und zwar per Hand. Jeden Abend ein bis zwei Stunden, dann dürften Sie bis Weihnachten fertig sein.«
Draco und Hermine sahen sich entgeistert an. »Meinen Sie nicht, die Strafe ist ein wenig überzogen, Professor?«, fragte Draco kühl.
»Nein, das finde ich nicht. Es geht nicht darum, dass Sie beide heute im Unterricht nicht zugehört haben. Es ist die Strafe für Ihren leichtsinnigen Ausflug und kommen Sie mir ja nicht, Sie hätten das nicht gewollt«, redete sich Professor McGonagall in Rage. »Sie hatten unverschämtes Glück da unten. Ich hoffe, dass bei all Ihren Hausaufgaben und der täglichen Strafarbeit Ihnen die Lust auf weitere Ausflüge dieser Art vergangen ist. Das nötige Material finden Sie auf dem Tisch. Heute dürfen Sie nach einer Stunde gehen. Schließen Sie die Akten bis morgen wieder ein.«
Professor McGonagall rauschte hinaus und schlug die Tür hinter sich ins Schloss. Sogleich ging Draco ihr nach, doch der Ausgang war versiegelt. »Was bildet die sich eigentlich ein?«, schimpfte er.
»Lass uns anfangen, je eher sind wir fertig.« Hermine klang resigniert.
Draco sah sie hochmütig an. »Was? Ich denke gar nicht daran. Das ist Dienstbotenarbeit, für so etwas hat man Personal.«
»Genau und zwar uns. Jetzt mach schon. Professor McGonagall kann man nicht erweichen. Ich habe sie lange genug als Hauslehrerin, um das zu wissen. Sei froh, dass sie uns nicht auch noch Punkte abgezogen hat.«
Draco schlug mit der Faust gegen die Wand. »Was meint sie mit jedem Abend? Auch an den Wochenenden?«
»Ich fürchte, ja.«
»Kannst du vergessen, Granger. Machs allein.«
Hermine seufzte. »Dann wird es doppelt so lange dauern, bis Ostern bestimmt. Zudem wirst du mir dennoch täglich Gesellschaft leisten müssen. Nun, wenn du soviel Spaß daran hast und nichts Besseres mit deiner Freizeit anzufangen weißt.«
Draco warf ihr einen bösen Blick zu. Doch die Logik war nicht von der Hand zu weisen. Mit verschränkten Armen sah er zu, wie sich Hermine hinter das Pult setzte und die erste Akte zu sich heranzog. Sie las die oberste Zeile, stand auf und ging zu einem der Regale. Sie suchte eine Weile, bis sie schließlich einen schlichten Pokal hervorzog. Den nahm sie mit zu ihrem Sitzplatz, kontrollierte die Nummer und hakte sie in der Liste ab. Dann nahm sie sich den nächsten Eintrag vor.
In dem Tempo würde das noch zwei Schuljahre dauern. Draco ging widerwillig zum Pult, schnappte sich die Trophäe, die Hermine gerade in der Liste kontrolliert hatte und stellte sie wieder ins Regal.
»Nächster Eintrag?«, brummte er.
Draco fand den Pokal, den sie ihm nannte, las die Inschrift vor und stellte ihn nach Beendigung der Kontrolle wieder zurück. So brauchte Hermine nicht ständig aufstehen und die Zeit verging schneller. Nachdem sie eine gute Stunde gearbeitet hatten, hörten sie ein Klicken.
»Die Tür geht auf. Wir können aufhören, Granger.«
»Nur noch diese Seite, dann haben wir einen schönen Abschluss«, widersprach Hermine.
Fünf Trophäen später ließ die Gryffindor den Federkiel aufatmend fallen. Sie verschlossen die Akten wieder im Schrank und gingen hinaus.
»Dann bis Morgen«, sagte Hermine zum Abschied, als sie an dem Punkt angelangt waren, wo sie zu ihren Gemeinschaftsräumen abbiegen mussten.
»Ich denke nicht, dass ich kommen werde, Granger.«
»Aber Professor McGonagall hat gesagt... «
Draco unterbrach sie unwirsch: »Sie ist eine senile alte Hexe. Ich werde nicht wiederkommen, darauf kannst du Gift nehmen.«
»Alleine schaffe ich die Aufgabe nicht.«
»Dann lass es eben.«
Hermine sah wütend und irgendwie enttäuscht aus. »Kommt jetzt wieder der alte Malfoy zum Vorschein? Der neue hatte mir viel besser gefallen.«
Noch ehe er etwas dazu sagen konnte, war sie herumgewirbelt und schnurstracks in Richtung Gryffindorturm verschwunden. Draco sah ihr nach und spürte ein leises Bedauern. Dann fiel ihm ein, er hatte vergessen, sie nach der Sache beim Mittagstisch zu fragen.

Harry, Ron und Ginny saßen in den roten Sesseln des Gemeinschaftsraumes. Sie blickten auf, als Hermine mit sauertöpfischer Miene eintrat.
Sofort wollten sie wissen, was los war.
Hermine erzählte von der Strafarbeit. Ron war außer sich. »Ich rede mit ihr. Die McGonagall hat sie wohl nicht mehr alle. Nur weil du einmal im Unterricht nicht aufgepasst hast? Und was macht die in der Zeit, euch zusehen und Löcher in die Luft starren?«
»Sie ist gar nicht dabei.« Kaum hatte Hermine das ausgesprochen, erkannte sie ihren Fehler.
Ron lief puterrot an. »Sie lässt dich mit ihm alleine?«, schrie er.
»Er tut mir nichts. Draco ... Malfoy ist genau so bedacht darauf, die Strafarbeit hinter sich zu bringen, wie ich. Wir haben während der ganzen Zeit nicht ein privates Wort miteinander gewechselt.«
Ron verzog den Mund. »Trotzdem passt mir das nicht«, moserte er.
»Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich bin müde.« Hermine hatte keine Lust auf weitere Diskussionen und ging in den Mädchenschlafsaal. Als Ginny eine Stunde später nachkam, tat Hermine, als wäre sie bereits eingeschlafen.
Am nächsten Abend wartete Hermine vor dem Pokalzimmer. Acht Uhr war bereits vorbei, doch Draco war nicht gekommen. Sie hatte versucht, alleine den Raum zu betreten, doch es war ihr nicht gelungen. Professor McGonagall hatte Vorsorge getroffen, damit sie die Aufgabe wirklich zusammen erledigten.
Hermine stöhnte und wartete noch eine Viertelstunde. Beim Abendessen hatte sie Draco noch gesehen. Ob er krank war, oder irgendwo aufgehalten wurde? Er würde es doch nicht wirklich gewagt haben, sich McGonagall zu widersetzen? Unschlüssig trat Hermine von einem Bein auf das andere. Dann nahm sie ihren Mut zusammen und machte sich auf den Weg zu den Kerkern.
Sie wusste von Harry, wie man dorthin gelangte, der im zweiten Schuljahr dem Gemeinschaftsraum der Slytherins einen Besuch abgestattet hatte. Vor der Wand, die den Eingang bilden musste, blieb sie stehen. Es dauerte nicht lange und Zabini kam von hinten.
»Nanu, was machst du denn hier?«, fragte er verwundert.
»Malfoy ist nicht zur Strafarbeit erschienen und alleine kann ich sie nicht machen. Ist ihm etwas passiert?« Hermine verknotete ihre Finger.
»Weiß nicht. Habe ihn seit dem Essen nicht mehr gesehen. Sollte er drinnen sein, schicke ich ihn raus, wenn nicht, sage ich dir Bescheid.«
»Danke.«
»Keine Ursache«, antwortete Zabini und verschwand.
Es dauerte beinahe fünf Minuten, ehe die Wand erneut zurück glitt und ein zornig aussehender Draco hindurch trat.
»Was willst du, Granger?«
»Dich abholen.«
»Ich habe dir doch schon gestern gesagt, dass ich nicht mitkomme«, erklang es erbost.
»Ich kann die Strafarbeit nicht alleine tun. Ich komme noch nicht einmal in das Pokalzimmer hinein.«
»Dann lass es. Renn zu McGonagall und heul dich da aus. Ich bleibe hier.«
Draco drehte sich um. Er hatte noch nicht das Passwort ausgesprochen, als er einen Schmerzensschrei ausstieß. Sein weißes Hemd färbte sich rot auf der Brust.

Brennendes EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt