Alte Freunde [1/2]

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Potter starrte Draco an, als wäre er eine Erscheinung. »Du warst das?«, stammelte er.
»Sieht ganz danach aus, oder?«, antwortete der blonde Slytherin und fragte sich gleichzeitig, ob dem Gryffindor möglicherweise schon einige Gehirnzellen abgestorben waren.
Potter streifte sich den Rest der Schlinge über den Kopf. Ein roter Ring blieb um seinen Hals zurück. »Warum?«
»Sagen wir mal so, ich stehe nicht gerne in der Schuld von jemandem. Nun sind wir quitt.«
Doch Potter schüttelte verwundert den Kopf. »Im Raum der Wünsche, da waren wir alle in Gefahr. Aber jetzt du bist mir nachgesprungen, obwohl du in Sicherheit warst. Du hast ohne Not dein Leben riskiert. Hat das was mit Hermine zu tun?«
Draco schnaubte. »Auch. Sie hätte mich verhext, wenn sie wüsste, ich hätte ihren besten Freund sterben lassen, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, ihn zu retten.«
Potter grinste kurz, doch dann wurde er ernst. »Sie bedeutet dir wirklich viel, nicht wahr?«
Draco dachte nicht im Traum daran, seine Gefühle für Hermine mit dem Auserwählten zu diskutieren. »Sie leidet, weil ihr alle sie verurteilt. Wenn du mir danken willst, Potter, dann zeige es, indem du wieder mit ihr sprichst. Ich allein kann euch nicht ersetzen.«
»Hast du meinen Streit mit Ginny belauscht?«, fragte der Gryffindor.
»Ich saß bereits hinter dem Baum, als ihr ankamt«, gab Draco zu.
»Du hättest dich bemerkbar machen müssen.« Potter wirkte verärgert.
»Dann hätte ich dich aber nicht aus dem See fischen können«, warf Draco ein.
Potter rieb sich seinen Hals. »Dann weißt du ja, in was für einem Dilemma ich stecke.«
»Schon, aber dabei kann ich dir nicht helfen. Doch ich denke, du hast Hermine richtig eingeschätzt.« Draco drückte sich Wasser aus den Hemdsärmeln und rollte sie hoch. »Auf mit dir, Potter, ich will nicht ewig hier rumhängen.« Er war im Begriff sich zu erheben, als der Gryffindor sein linkes Handgelenk umklammerte und auf seinen Unterarm starrte. Ruckartig machte Draco sich los.
»Ist es verschwunden?«, fragte Potter leise.
»Was meinst du?«
»Das Dunkle Mal.«
»Sag mal, ich glaube, du hast entschieden zuviel Wasser geschluckt. Ich hatte es nie.« Draco war sich nun gewiss, der Gryffindor hatte sich definitiv von einigen seiner Denkzellen verabschiedet.
»Aber damals, in der Winkelgasse, vor unserem sechsten Schuljahr, da haben wir dich bei Madam Maulkin getroffen. Du hast ihr den linken Arm entzogen, als sie ihn berühren wollte. Dann sind wir dir zu Borgin und Burkes gefolgt. Mr. Borgin hast du auch etwas gezeigt, woraufhin er ganz erschrocken war«, fuhr Potter fort und setzte eine trotzige Miene auf.
»Und da hast du gedacht, ich würde das Dunkle Mal tragen, wie mein Vater. Offensichtlich hast du dich geirrt.« Draco strich sich die nassen Haare zurück.
»Aber du hast doch für Voldemort gearbeitet. Du hast das Verschwindekabinett repariert und Dumbledore beinahe getötet«, bohrte der Schwarzhaarige weiter.
»Ich war sechzehn, Potter. Mein Vater in den Augen des Dunklen Lords ein Versager. Er hat mir den Auftrag gegeben, den Schulleiter umzubringen mit dem Hintergedanken, dass ich dabei draufgehe. Damit wollte er meinem Vater Schmerz zuzufügen. Hättest du ihm damals im Zaubereiministerium die Prophezeiung überlassen, wäre das alles nicht passiert. Für den Dunklen Lord waren wir wertlos. Glaubst du im Ernst, er hätte dem minderjährigen Sohn eines Versagers, den er auf eine tödliche Mission schickt, vorher noch sein Zeichen eingebrannt?« Draco spürte, wie er sich immer mehr in Wut redete.
»Aber in der Winkelgasse ...«
Draco unterbrach ihn gereizt. »Ja, ich erinnere mich an den Tag. Die ungeschickte Umhangtante hat mir eine Nadel in den Arm gestochen und Borgin habe ich einen Ring gezeigt, den der Dunkle Lord mir gegeben hat, zufrieden?«
»Du warst also nie ein Todesser«, stellte Potter fest und sah dabei irgendwie erleichtert aus.
»Ich wollte nie etwas mit ihm zu tun haben. Der Dunkle Lord bewegte sich in unserem Haus, als wäre es seins. Alle hatten Angst vor ihm und krochen vor ihm im Staub. Es widerte mich an. Glaub ja nicht, dass ich gern in seiner Nähe war. Er hätte meine Eltern umgebracht, wenn er es gewusst hätte und mich gleich mit.«
Draco stand auf. Potters Blick fiel auf die beiden Zauberstäbe in seinem Hosenbund. »Wo hast du den her?«, fragte er sofort.
Draco zog den Phoenixstab heraus und hielt ihn Potter mit dem Griff hin. »Im Wasser gefunden. Ich war froh, dass ich ihn dabei hatte. So konnte ich aus zweien gleichzeitig feuern.«
Potter stöhnte leicht und griff sich an die Fußknöchel, wo ebenfalls rote Striemen zu sehen waren. »Den meine ich nicht«, quetschte er hervor und nahm seinen Zauberstab entgegen. »Ich meine den anderen, den ich dir in eurem Haus abgenommen habe und damit Voldemort tötete.«
Langsam zog Draco den Weißdornstab aus dem Hosenbund. »Du hast den Dunklen Lord damit nicht getötet, das hat er letztendlich selbst getan«, stellte er richtig. Mit einem leicht aggressiven Unterton in der Stimme fuhr er fort: »Das ist mein Zauberstab. Ich habe ihn mir vor einem halben Jahr aus deinem Koffer genommen. Wenn du ihn wiederhaben willst, wirst du darum kämpfen müssen!«
Potter sah ihn eine Weile an, dann winkte er ab. »Vor so langer Zeit schon? Behalte ihn, ich habe ihn ohnehin nie vermisst. Hat Hermine dir seinerzeit geholfen?«
»Wissentlich bestimmt nicht. Du solltest sie besser kennen. Sie verrät mir auch nicht das Passwort zu eurem Gemeinschaftsraum. Jetzt komm endlich, ich will hier keine Wurzeln schlagen«, brummte Draco, froh, dass Potter keine weiteren Ansprüche auf den Zauberstab stellte.
Der Gryffindor versuchte sich aufzurichten, kippte mit einem Schmerzensschrei jedoch sofort wieder um. »Die Striemen brennen wie Feuer, Malfoy.«
Draco drehte sich zu den Wäschestücken. Einen Augenblick später flogen sie in seine Arme. »Los, anziehen. Ich bringe dich in den Krankenflügel.«
Die Schüler, die ihnen begegneten, blieben stehen und starrten sie teils mit offenen Mündern an. Draco Malfoy hatte einen Arm um Harry Potters Hüfte gelegt und der Gryffindor hielt sich an Dracos Schulter fest. Er humpelte und Draco trug ihn mehr, als dass er ging ins Schulgebäude hinein.
Es dauerte eine Zeit lang, bis sie den Krankenflügel erreichten. Madam Pomfrey schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Mr. Malfoy«, sagte sie streng. »Das ist nun schon der dritte Gryffindor in diesem Schuljahr, der Ihretwegen bei mir landet. Haben Sie die Absicht, mir das gesamte Haus nach und nach zu bringen?«
»Madam Pomfrey«, stöhnte Potter. »Sie ahnen gar nicht, wie froh ich bin, überhaupt hier sein zu können.«
Draco manövrierte Potter zu dem Bett, auf das die Medihexe zeigte. Vorsichtig setzte er ihn ab. Er reckte sich. »Was ist passiert?«, fragte Madam Pomfrey und untersuchte sofort Potters Striemen.
»Ich war schwimmen und wurde von Grindelohs angegriffen. Malfoy hat mich rausgezogen.«
»Das waren Grindelohs?«, fragte Draco überrascht.
»Haben wir in der dritten Klasse bei Professor Lupin durchgenommen«, erklärte Potter.
»Ach ja, der Werwolf, ich erinnere mich.« Draco merkte selbst, wie abschätzig er klang und fuhr fort: »Sind die immer so angriffslustig?«
Potter schüttelte den Kopf. »Normalerweise nicht, aber ich bin ihnen während des Trimagischen Turniers schon einmal in die Quere gekommen. Wahrscheinlich haben sie sich an mich erinnert.«
»Da hast du echt Talent zu, Potter. Ich meine, anderen in die Quere zu kommen.« Draco grinste spöttisch.
»Mr. Malfoy, ich denke, das reicht jetzt. Sie haben offensichtlich keinerlei Verletzung. Jetzt stehen Sie nicht länger da, wie ein begossener Pudel und tropfen mir den Boden voll. Gehen Sie in das Bad der Vertrauensschüler und setzen sich in die heiße Wanne. Ich will nicht, dass Sie sich noch eine Erkältung zuziehen«, sagte Madam Pomfrey energisch. Draco warf einen letzten Blick auf Potter. »Denke drüber nach, ja? Hermine vermisst euch alle sehr.«
»Malfoy, besuch mich morgen Nachmittag.«
»Das ist jetzt nicht dein Ernst.«
»Doch, vielleicht habe ich dann eine gute Nachricht für dich. Und noch was: Danke für alles.« Der Gryffindor verzog den Mund, als wollte er versuchen, seinem Retter aufmunternd zuzulächeln.
Draco fühlte Hoffnung in sich aufsteigen. Er nickte Potter noch einmal zu und verließ den Krankenflügel. Den Weg zum Bad der Vertrauensschüler kannte er, auch wenn er es nur im fünften Schuljahr gelegentlich genutzt hatte. Im sechsten hatte er andere Sorgen gehabt und im siebten war ohnehin alles quer gelaufen. Vertrauensschüler war er offiziell nicht mehr, aber auch als ehemaliger stand es ihm zu, das Bad jederzeit aufzusuchen. Davon hatte er in diesem Schuljahr allerdings noch keinen Gebrauch gemacht. Jetzt freute er sich geradezu auf das heiße Wasser.
Als er die Tür zum Bad öffnete, blieb er abrupt stehen. Hermine stand da, mit einem Bademantel bekleidet und ihre nassen Haare fielen über ihre Schultern hinab. Entsetzt blickte sie ihn an. »Draco, was ist passiert?«
»Ich bin ins Wasser gefallen.«
»Das sehe ich«, sagte Hermine, während ihre Augen über seinen Oberkörper wanderten, an dem das nasse Hemd wie eine zweite Haut klebte. »Aber offenbar nur teilweise, deine Hosenbeine sind trocken.«
»Dir entgeht auch nichts«, stellte Draco amüsiert fest.
Hermine trat auf ihn zu. »Willst du es mir nicht sagen?«
»Später, jetzt will ich erst mal ins heiße Wasser. Komm doch mit.«
»Ich war gerade erst im Bad.«
»Na und?«, fragte Draco und begann sein Hemd aufzuknöpfen. Eine leichte Röte zog sich über Hermines Gesicht. Draco wurde plötzlich bewusst, dass er seit dem Nachmittag im Raum der Wünsche nicht mehr mit ihr zusammen gewesen war. Er warf das Hemd auf den Boden und zog Hermine an sich. Er küsste sie zunächst sanft, dann fordernder. Es war, als würde er erst jetzt erkennen, wie knapp er dem Tod entronnen war. Er brauchte einen Beweis, dass er noch lebte, er brauchte sie.
Hermine schlang die Arme um seinen Hals und fuhr ihm durch die nassen Haarsträhnen. Sie erwiderte seine Küsse mit gleicher Leidenschaft.
Draco brachte seine Lippen nahe an ihr Ohr heran. »Du bist noch nie im Wasser geliebt worden, meine Löwin.«
Ihre Augen waren ihm Antwort genug. Er nahm sie bei der Hand und zog sie mit sich.Am nächsten Tag war Draco froh, keinen gemeinsamen Unterricht mit den Gryffindors zu haben. Viele hatten ihn gesehen, wie er Potter zur Krankenstation gebracht hatte. Wieder einmal wurde getuschelt. Bis auf Blaise Zabini wagte jedoch niemand, ihn anzusprechen. Doch auch seinem Hauskollegen antwortete Draco nur einsilbig. Er wollte nicht darüber reden. Heute Nachmittag würde er Potter besuchen und er hoffte so sehr, dass der Auserwählte wieder mit Hermine sprechen würde. Ihr hatte er gestern ebenfalls nur das Nötigste erzählt, schon gar nicht, was er von Potter wollte. Sie sollte sich keine falschen Hoffnungen machen. Die Enttäuschung in ihren Augen zu sehen, könnte er nicht ertragen.
Am frühen Nachmittag machte sich Draco auf den Weg zur Krankenstation. Jeder Zeitpunkt war wahrscheinlich unpassend. Potter war beliebt und hatte bestimmt viele Besucher. Das behagte Draco nicht. Am liebsten wollte er von niemandem gesehen werden. Er würde vorsichtig den Kopf durch die Türe stecken und nachsehen. Sollte Potter von seinen Bewunderern umlagert sein, würde er sich einfach zurückziehen und es zu einem späteren Zeitpunkt versuchen. Denn er musste unbedingt wissen, wie Potter sich entschieden hatte.
Er hatte gerade die Hand nach der Türklinke ausgestreckt, als sie von innen herunter gedrückt wurde.
Draco trat ein Stück zurück. Die Tür des Krankenflügels öffnete sich und Ginny Weasley kam heraus. Sie blieb stehen und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
»Oh, du«, sagte sie.
Draco antwortete nicht.
Das Mädchen machte einen Schritt auf ihn zu. Draco unterdrückte den Impuls, vor ihr zurück zu weichen. Er spannte die Muskeln an um bereit zu sein, was immer jetzt auch kommen sollte.
»Harry hat mir erzählt, was du getan hast. Er hat mir auch gesagt, dass du nie ein Todesser gewesen bist.« Die Rothaarige hielt inne und sah ihn an.
Draco rührte sich nicht.
»Nun«, fuhr die Gryffindor fort und ihre Augen schweiften umher. »Ich weiß nicht wie ich mich bei dir ..., ach ist auch egal.«
Ginny Weasley schlang auf einmal ihre Arme um seinen Hals und drückte sich an ihn. »Danke Malfoy, dass du Harry und damit auch meine Zukunft gerettet hast.«
Draco war versteinert. Mit allem hätte er gerechnet, aber nicht damit. Teilnahmslos ließ er die plötzliche Umarmung über sich ergehen.
Etwas verlegen löste sie sich von ihm und räusperte sich. »Malfoy, Harry und ich werden wieder mit Hermine sprechen.«
Das entlockte dem Slytherin endlich eine Reaktion. Seine Muskeln entspannten sich und er begann zu lächeln.
»Sieh mal einer an«, murmelte das Mädchen. Sie zeigte mit dem Kopf auf die Tür. »Harry wartet schon auf dich. Es ist niemand bei ihm.«
Draco nickte Ginny Weasley zu und betrat die Krankenstation.
Vier Betten waren belegt. Die anderen Kranken beobachteten mit großen Augen, wie Draco sich dem Bett näherte, in dem der Gryffindor lag.
»Hallo Potter.« Dabei verrückte der Slytherin den Paravent ein wenig, sodass sie vor neugierigen Blicken geschützt waren.
»Hallo Malfoy, wieder trocken?«, feixte der Gryffindor.
Draco grinste leicht, als er an das anschließende Bad im heißen Wasser mit Hermine dachte. »Es brauchte etwas Zeit, bis ich aus der Wanne kam.«
»Hast du Ginny gerade getroffen? Du müsstest ihr eigentlich direkt in die Arme gelaufen sein?«, fragte Potter neugierig.
»Ja, das kann man so sagen.«
»Hat sie dir schon was erzählt?«
»Sie hat sich bedankt und gesagt, ihr wollt wieder mit Hermine reden.«
Potter nickte. »Es hat ein wenig gedauert, bis ich sie davon überzeugt hatte. Ginny hängt sehr an Ron und wir wissen beide, wie er es aufnehmen wird, wenn wir wieder mit Hermine sprechen. Er wird sich nun auch von uns betrogen fühlen. Aber wir haben eingesehen, dass es blöd von uns war, Hermine wegen ihrer Gefühle für dich zu verurteilen. Außerdem wusste sie schon immer mehr als wir und wir hätten ihrem Urteilsvermögen gleich vertrauen sollen, anstatt ohne Aussprache über Hermine zu richten.«
Draco starrte auf seine Fingerspitzen. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das ist fantastisch.« Er sah auf und direkt in Potters grüne Augen. »Danke«, sagte er schlicht. »Hey, das ist das Mindeste, was wir tun können.«
Draco lächelte Potter jetzt offen an. »Wann kann ich es ihr sagen? Sie wird dich sofort besuchen wollen.«
»Was hältst du von jetzt gleich? Such sie und bring sie her.«
»Alles klar, Potter, bis neulich.« Gemessenen Schrittes verließ Draco den Krankensaal. Kaum hatte sich jedoch die Tür hinter ihm geschlossen, flitzte er los.

Brennendes EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt