Hermine starrte Draco an. Er glich im Moment so sehr seinem Vater, dass sie vor Angst keinen Ton herausbrachte und sich zitternd an die Wand lehnte. Draco holte aus. Ohne Vorwarnung versetzte er Ron einen Schwinger in den Magen, der diesen in die Knie zwang. »Hattest du Spaß mit ihr? Schaffst du es ihre Augen schwarz werden zu lassen, wenn du ihren Lendenbereich streichelst?«, schrie er und seine Stimme überschlug sich dabei. Hermine stand versteinert da, und sah auf die Szene, die sich vor ihren Augen abspielte.
Ron stemmte sich langsam hoch. »Woher ...?«
Weiter kam er nicht. Der nächste Schlag brach ihm die Nase. »Weil ich das kleine Schlammblut schon längst flachgelegt habe, du mieses Schwein«, brüllte Draco außer sich.
Ron brach mit einem Ächzen zusammen. Blut schoss ihm aus der Nase und lief über sein Gesicht. Mit Wucht trat ihm Draco in den Bauch und spuckte auf ihn hinunter. Hermine schlug sich die Hand vor den Mund und gab ein Wimmern von sich.
Der Slytherin wandte den Kopf. Sein Blick versprühte blanken Hass. Dann drehte er sich um und ging mit langen Schritten den Korridor hinunter. Hermine brach in Tränen aus und rutschte an der Wand entlang nach unten.
Zabini stand immer noch wie angewurzelt da und schaute perplex zwischen dem jammernden Ron und Hermine hin und her. Dann ging er zu ihr. »Hör zu, Granger. Ich hole jetzt Madam Pomfrey. Du bleibst bei Weasley und siehst zu, dass er sich nicht an seinem Blut verschluckt.«
Hermine klammerte sich an seine Hand. »Blaise, bitte, sag Draco ich habe nicht mit Ron geschlafen.«
»Es sah aber ganz danach aus.« Zabini ging vor ihr in die Hocke und fasste Hermine an den Schultern, als täten ihm seine Worte Leid. »Er wird mir nicht glauben, Granger, er wird mir nicht einmal zuhören.« Traurig blickte er in ihre verweinten Augen.
»Blaise, versuche es, bitte. Ich ... ich liebe ihn so sehr.«
Zabini sah sie überrascht an, nickte jedoch. »In Ordnung. Aber versprich dir nicht zuviel davon.«
Er richtete sich auf, schwang seinen Zauberstab und reparierte das Fenster. Die Scherben, die auf dem Boden verstreut gelegen hatten, flogen wieder an ihren Platz. Zabini ging.
Hermine kroch zu Ron hinüber, der stöhnend am Boden lag. Sie wollte ihn berühren, doch der Gryffindor zuckte zurück. »Bleib weg von mir. Verschwinde, ich will dich nie wieder sehen.« In seinen Augen spiegelte sich pure Verachtung.
»Ron, ich kann das erklären. Ich wollte es euch heute ohnehin sagen«, schluchzte sie.
Sichtlich angeekelt wischte sich der Rothaarige mit dem Ärmel Dracos Speichel von seiner Wange. Er hielt sich die Hand unter die blutende Nase. »Halt den Mund und hau endlich ab. Du widerst mich an!«, schnauzte er.
Blind vor Tränen stand Hermine auf und rannte den Gang hinunter.Draco ging geradewegs in den Schlafsaal der Slytherins. Er setzte sich auf sein Bett, angelte nach seinem Kopfkissen und drückte es an sich. Draco fühlte sich leer und ausgebrannt. Die ohnmächtige Wut, die er bei Grangers Verrat empfunden hatte, verblasste langsam. Natürlich war er immer noch zornig, aber nicht mehr so blind, dass er wahllos um sich schlagen könnte. Sein Stolz war verletzt. Dieses wertlose Schlammblut zog diesen mittellosen, dämlichen und nicht übermäßig begabten Zauberer ihm vor. Draco schlug mit der Faust auf das Kissen in seinem Schoß ein, als er Weasley erneut vor Augen hatte, das Hemd halb aus der Hose, die Haare durch Grangers Hände verstrubbelt und das Gesicht gerötet vom Liebesspiel.
Sie hatte Draco lächerlich gemacht, mit ihm gespielt, diese kleine hinterhältige Muggelhexe. Sein Vater durfte nie erfahren, dass er sich an so einer die Finger schmutzig gemacht hatte. Was war nur in ihn gefahren? Er hatte seinen Blutstatus besudelt und wofür? Für ein paar Stunden flüchtigen Begehrens. Er war ein weiterer Schandfleck der Familiengeschichte, schlimmer noch als sein Großonkel Chimärus, der, wie er wusste, mittlerweile auf dem Friedhof in Surrey ruhte.
Das alles nur wegen eines besserwisserischen Schlammblutes, das er von Anfang an verachtet hatte. Er hätte es dabei belassen sollen. Dracos Hände verkrampften sich um die Enden des Kissens. Die Erinnerung an ihren Duft überfiel ihn wie ein Raubtier. Plötzlich spürte er wieder ihre Finger, die durch sein Haar fuhren, sich in seinem Nacken verschränkten und ihn hinab auf die köstlichen Lippen zogen. Trauer überflutete ihn. Nie wieder würde er sie schmecken, sie fühlen und in ihren Augen versinken. Sie hatte sich gegen ihn entschieden. Draco stöhnte leise und versuchte vergeblich, die Kröte, die sich auf einmal in seinem Hals eingenistet hatte, zu schlucken.
Wie er so auf dem Bett saß, das Kissen noch immer zwischen seinen Händen, tropfte es plötzlich auf seine Handrücken. Fieberhaft wischte er sich über die Augen. Das war nun wirklich das Letzte. Er würde nicht wegen Granger heulen. Diesen Triumph wollte er ihr nicht auch noch gönnen.
Doch so sehr er auch dagegen ankämpfte, die Tränen bahnten sich ihren Weg. Als der Damm einmal gebrochen war, wurde Dracos Körper regelrecht von Weinkrämpfen durchgeschüttelt. Seine Schultern bebten und der stolze Slytherin schluchzte hemmungslos in das Kissen, das er zuvor noch so traktiert hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich wieder halbwegs beruhigt hatte. Ihm wurde klar, dass er die Schule verlassen musste, sofort. Er konnte es nicht ertragen, Granger weiterhin zu sehen. Ihr höhnisches Lachen zu hören, wenn sie sich über ihn lustig machte. Sein Abschluss war ihm plötzlich gleichgültig geworden.
Draco rollte sich von dem Bett und holte seinen Koffer darunter hervor. Er musste nach Hause. Gut, dass sein Vater noch im Gefängnis war und seine Mutter noch nicht mit ihm gesprochen hatte. Diese Schande würde Lucius nicht überleben, und Draco wäre schuld daran. Er begann erneut Zorn in sich aufzubauen. Das war für ihn ein vertrautes Gefühl, Kummer wegen eines Mädchens nicht.
Wahllos begann er seine Kleidung in den Koffer zu werfen.
»Du packst?«, fragte Zabini von der Tür her.
Draco hatte ihn nicht kommen hören. Doch er drehte sich nicht um. »Sieht ganz danach aus«, antwortete er und fing an, seine Schulbücher einzusortieren.
Zabini schloss die Tür und murmelte: »Muffliato.«
Draco stockte kurz in seiner Tätigkeit. Blaise schien mit ihm unbelauschbar reden zu wollen. »Weasley liegt im Krankenflügel«, informierte ihn der Dunkle.
»Na und?« Pergament und Feder fanden ebenfalls ihren Weg in den Koffer.
»Jetzt hör doch mal mit der Packerei auf. Dich wird schon niemand hinauswerfen, nur weil du einen zusammen geschlagen hast.«
Nun fuhr Draco herum und funkelte seinen Hauskollegen böse an. »Ich packe, weil ich hier weg will, kapiert?«
Zabini starrte auf Draco und nickte langsam. »Ich glaube, ich verstehe mehr, als du denkst. Granger ...«
Mit einem Satz sprang Draco auf ihn zu und packte ihn am Kragen. »Wenn du ihren Namen noch einmal erwähnst, vergesse ich mich.«
»Sie hat mir eine Nachricht für dich mitgegeben«, fuhr Zabini ungerührt fort.
»Ich will sie nicht hören«, wehrte der Blonde sofort ab.
»Solltest du aber. Sie wollte, dass du weißt, dass sie nicht mit Weasley geschlafen hat.«
Draco stieß zischend die Luft aus. »Sie ist eine Lügnerin.«
»Ja, ich sagte ihr gleich, dass du mir nicht glauben würdest. Obwohl ...«
»Hör sofort auf!«
Doch Zabini ließ sich nicht beeindrucken. »Sie sagte, sie liebt dich.«
Draco schnaufte. »Merkwürdige Art, mir das zu zeigen.«
»Ich glaube ihr. Sie war nicht mit ihm zusammen.«
Langsam sickerte die Bedeutung der Worte in Dracos Gehirn. »Was macht dich da so sicher?«, fragte er nun doch und wunderte sich, weshalb sein Herz plötzlich schneller klopfte.
»Sie ist regelrecht auf den Gang gestürzt, als wollte sie davonlaufen. Weasley kam aufgeregt hinterher. Hätten die beiden sich miteinander vergnügt, wären sie doch zusammen heraus gekommen, oder? Sie hätten sich an den Händen gehalten und geküsst, jedenfalls hätten sie glücklich ausgesehen. Auf mich wirkte das eher so, als wollte der Rotschopf sie überrumpeln und sie ist ihm entwischt.«
Draco hatte bei den Worten unwillkürlich den Atem angehalten. Er wurde unsicher. »Meinst du?«
Zabini nickte. »Noch etwas ist mir klar geworden, du liebst sie auch.«
»Unsinn«, dementierte Draco unwirsch.
»Du willst Hogwarts verlassen und deinen Abschluss sausen lassen, für den du überhaupt hierher zurückgekehrt bist. Du hast Weasley verprügelt, nur auf einen Verdacht hin, der sich meiner Meinung nach nicht bestätigt hat. Der stolze Reinblüter hat zugegeben, sich mit einer Muggelstämmigen eingelassen zu haben, um seinen vermeintlichen Konkurrenten zu verletzen. Tut mir Leid Draco, aber für mich hört sich das nach rasender Eifersucht an. Du gönnst Weasley nicht, was du selbst gerne hättest. Schau dich doch an, deine Augen sind immer noch gerötet, du bist völlig durcheinander und siehst gewaltig verbittert aus.«
Draco drehte sich um und sah zum Fenster auf den schwarzen See hinaus. Er rieb sich mit beiden Händen über die Stirn. Nach einer kleinen Weile fragte er mit dünner Stimme: »Blaise, kann ich die Situation wirklich so missverstanden haben?«
»Ich fürchte, ja.«
Draco stöhnte. »Dann habe ich in meiner Wut alles zerstört. Sie hat mich um Zeit gebeten, es ihren Freunden zu erklären. Die Frist wäre bald abgelaufen. Wie ich die beiden so gesehen habe, sind mir schlichtweg die Thestrale durchgegangen.«
»Das war nicht zu übersehen.«
»Was soll ich jetzt tun?« Draco lehnte seine Stirn an die kalte Scheibe. Sein Zorn hatte sich gänzlich aufgelöst und purer Verzweiflung Platz gemacht. »Erklär es ihr«, meinte Zabini.
Jetzt wandte sich Draco seinem Hauskollegen zu und sagte bitter: »Ich habe sie erneut als Schlammblut beschimpft. Glaubst du wirklich, sie kann mir das jemals verzeihen?«
Zabini legte ihm beide Hände auf die Schultern. »Ich kann es dir nicht sagen. Doch im Ernst Draco, wenn sie dir so viel bedeutet, wie ich glaube, dann solltest du dich bei ihr entschuldigen.« »Ich fürchte, dazu ist es zu spät«, antwortete er resigniert.
»Es ist nie zu spät, einen Fehler einzusehen. Sag ihr, dass du sie liebst«, verlangte der dunkle Slytherin.
»Ich kann nicht. Was, wenn du dich irrst und sie mich auslacht?« Der Blonde sah den anderen unsicher an.
Zabinis Hände krallten sich in seine Schultern und schüttelten ihn leicht. »Draco, verdammt noch mal! Immer handelst du erst, anstatt nachzudenken. Wie viel hast du dir in deinem Leben schon durch deinen aufbrausenden Zorn kaputt gemacht? Wenn sie die Eine für dich ist, dann musst du versuchen zu retten, was gerettet werden kann. Du hast nur diese eine Chance. Warten macht es nur noch schlimmer.«
Blaises Gesichtsausdruck wurde milder, als er fortfuhr: »Ich sehe es dir doch an, wie viel sie dir bedeutet. Granger hat mir ihre Liebe zu dir gestanden. Das war ziemlich mutig, fand ich. Und außerdem kannst du über sie sagen, was du willst, eine Lügnerin ist sie nicht. Gehe zu ihr, heute noch.«
»Also gut«, ächzte Draco schließlich und nachdem Zabini ihn losgelassen hatte, begann er damit, seine Sachen wieder auszupacken.Hermine lag heulend auf ihrem Bett. Er hasste sie, hatte sie erneut mit dem unverzeihlichen Wort beschimpft. Ron musste mittlerweile im Krankenflügel liegen. Weinend hatte Hermine Ginny und Harry berichtet, dass Draco ihn geschlagen hatte. Sofort waren die beiden aufgesprungen und hinausgeeilt. »Warum kommst du nicht mit?«, hatte Ginny noch gefragt und Hermine hatte geantwortet: »Weil Ron nichts mehr mit mir zu tun haben will und ihr auch nicht, nachdem er euch erzählt hat, was passiert ist.«
Nach zwei Stunden betrat Ginny mit fassungslosem Gesichtsausdruck den Schlafsaal. Sie stellte sich an das Fenster und drehte Hermine den Rücken zu. »Ist das wahr? Hast du mit Malfoy geschlafen?«
»Ja.«
Ginny fuhr herum. »Wie konntest du nur? Genau wie damals bei Viktor Krum. Mit dem hast du dich auch heimlich getroffen, ohne einem von uns was zu sagen.«
»Zu Beginn durfte ich es doch nicht erzählen. Professor McGonagall hatte es verboten«, schluchzte Hermine. »Ich wollte es euch heute sagen, ehrlich.«
»Halloween«, erinnerte sich Ginny plötzlich. »Hattest du dich da schon in den Feigling verliebt?«, fragte sie kalt.
»Er ist kein Feigling. Ich war nicht in ihn verliebt, aber ich habe erkannt, dass er auch ganz anders sein kann.«
»Er hat dich also angemacht und du bist drauf reingefallen«, behauptete Rons Schwester.
»Draco hat mir das Leben gerettet. Ohne ihn wäre ich schon längst nicht mehr bei euch.« Hermine rannen weiterhin Tränen über das Gesicht. »Er hätte abhauen können, aber er hat's nicht getan, sondern mich beschützt.«
»Ich glaube, du machst dir nur selbst etwas vor. Wahrscheinlich wärst du ohne ihn erst gar nicht in diese Gefahr geraten.« Ginny warf kampflustig ihre langen Haare nach hinten.
Hermine schluckte. »Ich musste durch die Strafarbeit so viel Zeit mit ihm verbringen und habe eine ganz neue Seite von ihm kennen gelernt. Glaub mir, ich wollte mich bestimmt nicht in ihn verlieben, niemals, aber es ist einfach geschehen.«
Ginny starrte sie aus schmalen Augen an. »Du hast meinem Bruder das Herz gebrochen, das verzeihe ich dir nie. Betrachte unsere Freundschaft als beendet. Von nun an bist du Luft für mich und für Harry auch.« Sie rauschte aus dem Schlafsaal und knallte die Tür hinter sich ins Schloss.
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Brennendes Eis
FanfictionDas goldene Trio kehrt nach dem Tod Voldemorts nach Hogwarts zurück. Hermine freut sich auf ein letztes ruhiges Schuljahr mit ihrem geliebten Ron, doch das Schicksal hat andere Pläne. Ständig kreuzt Draco Malfoy ihren Weg. Zuerst sacht, dann immer s...