Hermine war so erleichtert, sie hätte heulen können. Nie hätte sie geglaubt, dass sie Draco Malfoy einmal dankbar sein könnte. Sie saß in der Bibliothek und sah bei jedem neu Eintretenden auf.
Ron war beim Mittagessen sehr einsilbig gewesen und hatte vor sich hingebrütet. Harry und Ginny hatten ihn mit schweren Vorwürfen überhäuft. Hermine hatte geschwiegen und ihr schlechtes Gewissen nagte an ihr. Sie hatte Ron aufmunternd zugelächelt, doch er war nicht darauf eingegangen.
»Wärst du mit zum Quidditchfeld gekommen, wäre das alles nicht passiert«, hatte Harry zum Schluss gesagt.
»Genau«, bekräftigte Ginny. »Lass künftig die Finger von Speisen, die dir nicht persönlich angeboten werden. Du erinnerst dich doch sicherlich noch an die Pralinen von Romilda Vane und was daraus entstanden ist. Damals wärst du beinahe gestorben, wenn Harry dich nicht gerettet hätte. Du hast verdammtes Glück gehabt, dass Malfoy dir nicht ans Leder wollte.«
Ron hatte seine Gabel auf den noch halbvollen Teller geworfen und war aufgesprungen. Hermine hatte ihm traurig nachgesehen, es aber nicht über sich gebracht, ihm zu folgen. Schließlich hatte sie ihre Tasche gepackt und war mit der vorgeschobenen Erklärung, unbedingt in die Bibliothek zu müssen, davon geeilt.
Nun saß sie vor einem Stapel Bücher und las alles über die neuen Verteidigungszauber, die Professor Wyckham heute erwähnt hatte.
Auf dem mitgebrachten Pergament machte sie sich ab und an Notizen. Sie hatte bereits zehn Zentimeter geschrieben, als Draco Malfoy die Bibliothek betrat.
Er sah Hermine und hielt einen Moment inne. Dann ging er zu einem Tisch, möglichst weit weg von ihr und legte dort seine Schultasche ab. Er packte Pergament, Tintenfass und Feder aus.
Hermine beobachtete ihn mit gesengten Augenlidern. Sie verfolgte, wie er zwischen zwei Bücherregalen verschwand. Hermine nahm all ihren Mut zusammen und stand auf. Zufällig hatte sie eines ihrer Bücher zuvor aus einem dieser Regale gezogen. Sie klemmte es sich unter den Arm und tat so, als wollte sie es zurückbringen.
Malfoy stand vor dem Regal und studierte die Buchrücken. Er beachtete sie kaum, als sie plötzlich neben ihm auftauchte.
Hermine knetete mit den Zähnen ihre Unterlippe. Sie ging an ihm vorbei und stellte das Buch in die Lücke, die in seiner unmittelbaren Nähe war.
Malfoy drehte ihr den Rücken zu und war im Begriff, zwischen den Regalen hervorzutreten.
Hermine fasste instinktiv nach seinem Handgelenk. Der Slytherin erstarrte. Langsam drehte er sich um und sah auf sie hinab.
»Ich«, stotterte Hermine, überrascht von ihrem eigenen Mut. »Ich wollte mich nur bedanken.«
Malfoys Augenbrauen schnellten in die Höhe. Seine Augen schienen ihr Gesicht abzutasten, als suchten sie nach einem Anhaltspunkt für ihre Worte.
Hermine wurde bewusst, dass sie immer noch sein Handgelenk gepackt hatte. Schnell lies sie es los.
Malfoy kam einen halben Schritt näher. Er beugte sich ein wenig vor und sein Atem strich an ihrer Wange vorbei als er flüsterte: »Warum tust du das? Ich habe dich in eine prekäre Situation gebracht.«
»Es war dein Auftrag und er war sehr schwer. Wenn du mich fragst, der schwierigste von allen. Es war sehr nobel von dir, mich nicht bloß zu stellen.«
»Ist dir nie in den Sinn gekommen, es könnte mir unangenehm sein, wenn die anderen glauben, ich hätte mich mit dir eingelassen.«
Hermine schluckte. So hatte sie das noch gar nicht gesehen.
Ein bitterer Zug erschien um seinen Mund. »Ja Granger, das glaubst du mir sofort, nicht wahr? Passt auch viel besser zu dem Bild, was du von mir hast.«
Hermine war verwirrt. Sie wusste plötzlich nicht mehr, was sie denken sollte.
»Ich gebe dir einen guten Rat«, flüsterte Malfoy weiter. »Höre mehr auf deinen Bauch, als auf deinen Kopf.«
Hermine fiel auf, das er nach frisch gemähtem Gras und Pfefferminz roch. »Ich hätte merken müssen, dass du nicht Ron warst. «
Der Slytherin schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Vorwürfe. Du konntest nicht damit rechnen, plötzlich einen anderen als Weasley vor dir zu haben.«
»Aber ich habe doch bemerkt, dass etwas mit dir nicht stimmte«, klagte Hermine.
»Genau das meine ich, Granger. Dein Bauch hat's gemerkt, doch gegen deinen Kopf hat er keine Chance. Zum Glück für mich.«
»Trotzdem danke, dass du die Situation nicht ausgenutzt hast.«
Malfoy sah sie mit einem undurchdringlichen Blick an. Hermine spürte, wie ihr Nacken zu kribbeln begann. Dann sagte er schleppend, so als wollten die Worte nur widerwillig seinen Mund verlassen: »Denke nicht, dass mir das leicht gefallen ist.«
Hermines Augen weiteten sich und einen langen Moment sahen sich die beiden an, ohne etwas zu sagen.
»Wenn du Hilfe brauchst, beim Patronus meine ich, dann sag was«, entschlüpfte ihr, während sie gleichzeitig die Luft anhielt.
Malfoy wiegte nach einem Moment den Kopf. »Vielleicht komme ich tatsächlich auf dein Angebot zurück.«
Ein Ravenclaw tauchte im Gang auf. Hermine zog das Buch, das sie eben zurückgestellt hatte, wieder aus dem Regal und ging ohne ein weiteres Wort zu ihrem Platz. Sich wieder ihren Notizen widmen konnte sie allerdings nicht und verließ nach einer Viertelstunde die Bibliothek.
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Brennendes Eis
Fiksi PenggemarDas goldene Trio kehrt nach dem Tod Voldemorts nach Hogwarts zurück. Hermine freut sich auf ein letztes ruhiges Schuljahr mit ihrem geliebten Ron, doch das Schicksal hat andere Pläne. Ständig kreuzt Draco Malfoy ihren Weg. Zuerst sacht, dann immer s...