C. M.
Draco lag ausgestreckt auf seinem Bett und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Das Gespräch mit seiner Mutter ging ihm nicht aus dem Sinn. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass sie ihn aufgefordert hatte, ihr eine muggelstämmige Schwiegertochter ins Haus zu bringen. Es zeigte ihm, wie sehr sie unter der gesellschaftlichen Ächtung litt. Doch er wusste genau, sein Vater würde dem niemals zustimmen. Eine Hexe mit Muggeln als Eltern war für ihn genauso schlimm, wie ein Muggel selbst. Für Lucius wäre ein Halbblut schon inakzeptabel und genau diesen Blutstatus hätten Dracos Kinder, würde er Hermine Granger heiraten.
Draco schüttelte den Gedanken ab, der ihm merkwürdigerweise äußerst gut gefiel und holte seinen Zauberstab hervor. Er hatte seit der Sache mit der Hydra nicht mehr an seinem Patronus gearbeitet. Hier war er ungestört. Er stand auf und schloss die Augen. Sofort hatte er den Zitronengrasduft in der Nase. Fühlte ihre Hände, die durch sein Haar fuhren, hörte, wie sie seinen Namen stöhnte. Er ließ das Gefühl der Leidenschaft und des Glücks durch sich hindurchströmen, als sie sich an ihn gedrückt hatte.
Er öffnete die Augen und rief: »Expecto Patronum.«
Eine riesige Pranke schoss aus seinem Zauberstab. Eine zweite schien ihr folgen zu wollen, als die Tür aufgerissen wurde.
»Draco?«, rief seine Mutter.
Die Tatzen verschwanden, nur ein silbriger Lichtstreif waberte noch im Raum.
»War das eben das, was ich glaube, das es war?«, fragte sie leise.
»Kann schon sein.« Er war verärgert über die Störung.
»Draco«, sagte Narzissa beinahe ehrfürchtig. »Dir gelingt es, einen Patronus heraufzubeschwören?«
»Ich arbeite noch daran«, antwortete er unfreundlich. »Doch wo du gerade da bist, möchte ich dir etwas anderes zeigen.«
Draco steckte seinen Zauberstab ein und holte seinen Koffer hervor.
»Sag mal, das ist doch dein Weißdornstab, den Potter dir abgenommen hat«, meinte sie und betrat das Zimmer.
»Ja, habe ich mir zurückgeholt«, brummte er.
»Im Kampf?«, wollte sie sofort wissen und klang ein wenig ängstlich.
»Nein, mit List. Ich glaube, bis jetzt hat er den Verlust noch nicht einmal bemerkt.«
Draco öffnete den Koffer und holte den Säbel heraus, der dank Hermines Ratzeputzzauber immer noch wie neu glänzte. »Wo hast du den her?«, fragte seine Mutter neugierig.
»Gefunden. Schau mal, auf der Klinge sind die Worte: Mit reinem Blut zur Macht eingraviert und die Initialen C. M. Kannst du dir einen Reim darauf machen?«
»C.M.? Nein, das sagt mir nichts. Frage deinen Vater morgen danach. Er kennt sich im Familienstammbaum besser aus, sofern das M für Malfoy steht.«
»Ich habe noch einen Ring gefunden mit denselben Initialen«, sagte Draco ein wenig betrübt.
Doch auch bei diesem zuckte Narzissa mit den Achseln.
Die Anhörung fand in der verbotenen Abteilung des Ministeriums statt. Der neue Zaubereiminister, Kingsley Shaklebold, leitete die Verhandlung. Es erschien Draco, als wäre der Zaubergamot vollständig versammelt. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Lucius Malfoy hatte man von Askaban hergebracht. Er saß mit magischen Handschellen gefesselt auf der Anklagebank und sah mitgenommen aus. Seine kalten Augen leuchteten auf, als er seine Frau und seinen Sohn sah. Der einst so stolze Zauberer wirkte gebrochen. Lucius langes blondes Haar hing stumpf und farblos herunter. Seine ursprünglich bleiche Gesichtsfarbe war einem wächsernen Grau gewichen. Draco fühlte Zorn in sich aufsteigen, als er seinen Vater so erblickte. Doch zumindest gab es keine Dementoren mehr in Askaban, die seinem Vater zusetzen konnten. Shaklebold hatte sie alle verbannt. Lucius stand auf, als das Tribunal sich zur Eröffnung kurz erhob, und Draco glaubte zu sehen, wie dessen Beine zitterten.
»Wir haben uns heute hier versammelt, um die Verhandlung gegen Lucius Malfoy fortzuführen«, begann der dunkelhäutige Zaubereiminister, der heute eine rote Robe trug. Es folgte ein Monolog, indem er nochmals den Lebenslauf und alle begangenen Verbrechen des Angeklagten auflistete. Dann kam er auf die Schlacht von Hogwarts zu sprechen und rief Narzissa Malfoy in den Zeugenstand.
Dracos Mutter berichtete in allen Einzelheiten, wie sie und ihr Mann im Gefolge des Dunklen Lords im Wald auf Harry Potter gewartet hatten, wie Narzissa ihren Gebieter belogen hatte, nur um ins Schloss zu kommen.
»Wusste Ihr Mann von der List?«, fragte Shaklebold und beugte sich ein wenig über das Pult.
Dracos Mutter warf einen Blick zu Lucius hinüber und nickte dann. »Wir waren so weit im Ansehen des Dunklen Lords gesunken, dass es ihm egal war, ob Lucius und ich miteinander redeten. Er beachtete uns nicht mehr.«
»Ist das nicht vielmehr ein Grund, sich seiner Gunst erneut zu versichern?«, hakte der Minister nach.
»Haben Sie Kinder, Mr. Shaklebold?«
»Nein.«
Narzissa sah ihn fest an. »Gute Eltern würden alles für ihre Kinder geben. Uns lag nur daran, Draco lebendig in unsere Arme zu schließen. Wir wussten, er war in der Schule, also mussten wir versuchen, dort hinein zu gelangen. Ich hätte den Dunklen Lord auf jeden Fall betrogen, unabhängig, wie sehr er uns vertraute, nur um Draco wieder zu sehen. Vol...«, Narzissa würgte an dem Namen. »Voldemort hat meinen Sohn unnötig in Gefahr gebracht. Er hat ihn für einen Fehler seines Vaters verantwortlich gemacht und in Kauf genommen, dass Draco bei der Aktion stirbt. So etwas vergisst eine Mutter nicht und sie kann es auch niemals verzeihen.«
Aus den oberen Reihen erklang von etlichen Hexen verhaltener Applaus. »Ruhe!«, verlangte der Zaubereiminister und klopfte mit einem hölzernen Hammer auf das Pult. »Mrs. Malfoy, warum haben Sie und Ihr Mann nicht gekämpft, als Sie in der Schule waren?«
Narzissas blasse Augen ruhten weiterhin auf ihm. »Ich sagte bereits, dass wir uns allein um unseren Sohn sorgten. Es war uns gleich, wie der Kampf ausging, da wir unter keinem der Gewinner unser bisheriges Leben würden weiterführen können. Ich bin froh, dass der Dunkle Lord vernichtet wurde. Wir führen zwar das Leben einer von der Gesellschaft ausgestoßenen Familie, aber das ist immer noch besser als die Alternative – der Tod.«
Draco bewunderte seine Mutter. Soviel Schneid hätte er ihr gar nicht zugetraut. Shaklebold stellte ihr noch einige Fragen und entließ die Zeugin. Dann rief er Draco auf. »Mr. Malfoy, erzählen Sie uns, wie es dazu kam, dass Sie den Auftrag von Voldemort erhielten, seine Todesser nach Hogwarts einzuschleusen.«
Draco betrat den Zeugenstand und berichtete, wie der Dunkle Lord am Speisetisch ihres Salons gesessen hatte. Er konnte den Schauder, den er damals empfunden hatte, nicht unterdrücken und begann erneut zu zittern. Freimütig erzählte er von seiner Angst, seine Familie und sein eigenes Leben zu verlieren, falls sein Auftrag scheitern sollte. »Gehörten Sie je zu seinen Todessern?«, fragte Shaklebold gespannt.
Statt zu antworten krempelte Draco den linken Hemdärmel hoch. Die Innenseite seines Unterarmes war makellos weiß.
Nach ihm war Lucius Malfoy an der Reihe. Er wurde aufgefordert, nochmals alle Ereignisse in seinem Haus zu schildern, einschließlich der kurzzeitigen Festnahme Harry Potters.
Draco hörte seinem Vater zu, wie er die Geschehnissen hart am Rande der Wahrheit wiedergab. Den Streit zwischen ihm und Bellatrix Lestrange darum, wer den Dunklen Lord herbeirufen durfte, ließ er aus. Es hätte den guten Eindruck, den Dracos Mutter beim Zaubergamot hinterlassen hatte, geschmälert.
»Das dürfte fürs Erste genügen. Wir ziehen uns zur Beratung zurück«, sagte Shaklebold, nachdem der Gefangene geendet hatte und keiner eine weitere Frage an ihn richten wollte.
Draco stand auf. »Herr Minister, ist es mir gestattet während der Pause einige Worte mit meinem Vater zu wechseln?«
»Selbstverständlich«, nickte dieser ihm zu.
Draco bedankte sich, ging hinüber zu seinem Vater und setzte sich neben ihn auf die Bank.
Lucius Hände bebten, als er Dracos Gesicht zwischen sie nahm. »Mein Sohn, erwachsen bist du geworden. Deine Mutter sagte mir, du bist in diese verhasste Schule zurückgekehrt, um deinen Abschluss zu machen.«
»Ja, Vater.«
»Deine Mutter hält es für wichtig.«
»Ist es auch. Unter dem Dunklen Lord war es egal, aber jetzt zählen wieder ZAG's und UTZ'e. Ich wollte unbedingt mit dir sprechen, weil ich dich etwas Bestimmtes fragen muss. Kennst du jemanden aus unserer Ahnenreihe, der die Initialen C. M. hatte?« Draco wartete gespannt auf die Antwort.
Lucius dachte eine Weile nach. Steile Falten bildeten sich zwischen seinen Augenbrauen. »Es kann nicht in der Hauptlinie gewesen sein und so viele Nebenlinien gibt es bei uns Malfoys nicht. In der Regel haben wir immer nur einen Sohn, der die Blutlinie weiterführt. Es geschieht selten, dass einem Paar einmal zwei Söhne geboren werden. Deshalb ist es auch so wichtig, viel Wert auf die Erziehung des einen zu legen.«
»Du schweifst ab, Vater«, sagte Draco ungeduldig.
»Ja richtig, hmm, dein Großvater Abraxas hatte einen jüngeren Bruder. Ich habe ihn nie kennen gelernt. Ich glaube, sein Name fing mit einem C an. Er ist entweder früh gestorben oder verschwunden. Wie hieß er nur? Es war kein gewöhnlicher Name.«
»Ach was, seit wann haben wir Malfoys denn gewöhnliche Vornamen?«, konnte sich Draco nicht verkneifen zu fragen.
»Außergewöhnliche Menschen tragen auch besondere Namen«, beschied ihn sein Vater scharf. »Das solltest du bei der Namensgebung deines Sohnes ebenfalls berücksichtigen.«
»Bis dahin ist ja wohl noch etwas Zeit. Kannst du dich wirklich nicht erinnern, wie dein Onkel hieß? Überleg weiter«, bedrängte Draco ihn.
Lucius runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. »Dein Großvater hat ihn nur ein oder zweimal erwähnt. Er hat ihn als ...« Dracos Vater sah sich rasch um und senkte die Stimme. Flüsternd fuhr er fort: »... als Blutsverräter bezeichnet. Er muss sich in Hogwarts in eine nicht standesgemäße Hexe aus einem anderen Haus verliebt haben.«
»Gryffindor vielleicht?«, sprudelte es aus Draco heraus.
»Nein, das nicht, da bin ich mir sicher. So weit ging die Schande nun doch nicht. Ich glaube, es war Hufflepuff.«
Draco war nicht klar, was an einer mutigen Hexe aus Gryffindor schlimmer sein konnte, als an einer dummen Nuss aus Hufflepuff, doch er war klug genug, die Frage für sich zu behalten.
»Mir ist wieder eingefallen, wie er hieß«, sagte Lucius plötzlich und seine Stirnfalten glätteten sich. »Sein Name war Chimärus. Wie kommst du eigentlich auf ihn?«
»Ich habe in Hogwarts das hier gefunden«, sagte Draco und zog den Ring aus der Tasche.
Flash - das Blitzlicht blendete ihn. Das Team vom Tagespropheten, allen voran Rita Kimmkorn, hatte sich in der Nähe postiert. »Das ist privat. Verziehen Sie sich«, ranzte Draco die Reporterin an.
Rita Kimmkorn zog eine Schnute, ging aber zu Dracos Erstaunen sofort.
Lucius Malfoy betrachtete das silberne Schmuckstück eingehend. »Wo hast du ihn gefunden?«
»Das darf ich dir leider nicht sagen. McGonagall, du verstehst?«
Die Augen seines Vaters verengten sich, doch dann gewann das Interesse an dem Ring die Oberhand. »Es könnte der Schlüssel sein«, überlegte er laut.
»Wofür?«, fragte Draco sofort.
»Auf unserem Dachboden steht allerlei Gerümpel, wie du weißt. In der Truhe, rechts an der Wand, befindet sich ein Kästchen, das mit Lackarbeiten verziert ist. In dem Holz sind Vertiefungen eingeschnitzt, die genau auf die Erhebungen des Ringes passen könnten.«
Dracos Vater wirkte plötzlich aufgeregt. »Als ich das Kästchen gefunden hatte, war ich etwas jünger als du jetzt. Vergeblich hatte ich versucht, es zu öffnen und habe es deinem Großvater gezeigt. Er hat es mir aus der Hand gerissen und geschrien, ich sollte die Finger von Sachen lassen, die Blutsverrätern gehören. Doch, jetzt fällt mir alles wieder ein. Du willst das Kästchen suchen und hinter sein Geheimnis kommen, nicht wahr, mein Sohn?«
Draco nickte.
Lucius umfasste seine Hände. »Ich weiß nicht, ob Chimärus wirklich ein Verräter war, doch wenn es so sein sollte, erwarte ich von dir, dass du seine Hinterlassenschaft vernichtest. Der Ruf unseres reinen Blutes ist das Einzige, auf das wir noch stolz sein können.«
»Vater, es gibt keine reinblütige Familie mehr, die sich noch mit unserer verbinden will.«
Lucius machte eine wegwerfende Handbewegung. »Mach dir keine Sorgen. Es wird immer jemanden geben, der sich von Geld locken lässt.«
»Und wenn nicht?«, fragte Draco hartnäckig.
Sein Vater packte ihn bei der Schulter und sah ihm tief in die Augen. »Dann wird mit dir unser Blut untergehen. Immer noch besser, als zu verschmutzen.«
»Das heißt, eine Heirat mit einem Halbblut käme keinesfalls in Frage?« Draco hielt unwillkürlich den Atem an. Er hatte sich weit vorgewagt.
Die Finger seines Vaters krallten sich durch den Stoff seines Jacketts in sein Fleisch. »Draco, sag mir die Wahrheit, hast du dich in ein Halbblut verliebt?«
Draco sah ihm fest in die hellgrauen Augen. »Nein, Vater.« Sogleich wurde der schmerzhafte Griff gelockert. Lucius atmete sichtlich erleichtert auf. »Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
»Mutter sieht das anders. Sie hat mir sogar empfohlen, mich nach einer Hexe aus einem anderen Haus umzusehen. Sie meint, nur dann würden die Schmähungen aufhören.«
Sein Vater lächelte sanft. »Deine Mutter ist ein bewundernswerter Mensch, Draco. Aber wie alle Frauen, gibt sie zu viel auf die Meinung anderer. Sie wird einsehen, dass das nicht der richtige Weg ist. Ich rede mit ihr, versprochen. Du wirst dich nicht unter Wert verkaufen müssen.«
Draco antwortete nicht. Er wusste, sein Vater wollte ihm damit Mut machen, doch seine Wortwahl fand er unerträglich.
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Brennendes Eis
FanfictionDas goldene Trio kehrt nach dem Tod Voldemorts nach Hogwarts zurück. Hermine freut sich auf ein letztes ruhiges Schuljahr mit ihrem geliebten Ron, doch das Schicksal hat andere Pläne. Ständig kreuzt Draco Malfoy ihren Weg. Zuerst sacht, dann immer s...