Vertrauen [2/2]

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Hermine weinte bis sie glaubte, keine Tränen mehr zu besitzen. Sie hatte alles verloren, Draco, ihre Freunde und sogar ihre Eltern. Es gab niemanden auf der Welt, dem sie noch etwas bedeutete.
Warum nur musste sie sich in den Slytherin verlieben? Sein Wutausbruch hatte ihr vor Augen geführt, wie er wirklich war. Gefährlich und unberechenbar. Für ihn war sie immer noch das Schlammblut. Nichts hatte sich an seiner Einstellung geändert, gespielt hatte er mit ihr. Er hatte ihre Beziehung zu Ron kaputt gemacht und ließ Hermine nun am Boden zerstört zurück. Doch ihre Zweifel hätte sie Ginny gegenüber niemals zugegeben. Rons Schwester hätte sie nur mit weiteren Vorwürfen überhäuft.
Die Tür zum Schlafsaal öffnete sich erneut. Lavender trat ein. »Hallo Hermine.«
»Du redest gerade mit einem Stück Abschaum. Hast du nicht Angst, dich zu beschmutzen?« Sie wischte sich hastig über die Augen.
»Ich weiß, wie es ist, wenn man jemanden bis zur Verzweiflung liebt und dann zurückgestoßen wird. Ich hätte nur nicht geglaubt, dass du tatsächlich etwas für Malfoy empfinden würdest«, plapperte das Mädchen weiter.
»Großartig. Offenbar weiß mittlerweile jeder davon.«
»In Gryffindor schon.«
Hermine stöhnte. »Ich müsste mich eigentlich bei dir bedanken«, fuhr Lavender zu Hermines Leidwesen fort. »Jetzt habe ich eine Chance, mich Ron wieder zu nähern.«
»Viel Erfolg«, schnappte Hermine.
»Das klang jetzt aber nicht aufrichtig.«
»Lavender, ich empfinde nichts mehr für Ron. Du kannst gerne dein Glück bei ihm versuchen. Er ist ein netter Kerl und hat ein Mädchen verdient, dass ihn wirklich liebt. Vielleicht gelingt es dir, ihn glücklich zu machen. Ich habe leider versagt.«
»Du kannst doch nichts dafür, dass du dich in jemand anderen verliebt hast.« Lavender klang mitfühlend.
»Da bist du anscheinend die einzige, die das so sieht.« Auf Hermines Stirn erschien eine steile Falte.
»Malfoy kann sehr liebenswürdig sein, wenn er will«, behauptete die andere Gryffindor und strich sich eine Locke hinter das Ohr.
»Bitte?«, fragte Hermine und glaubte, sich verhört zu haben.
»Das solltest du doch am besten wissen. Als er den Plan mit den Tränken ausgeheckt hat, habe ich schließlich mit ihm zusammen gearbeitet. Er war genauso versessen darauf, mit dir diesen Nachmittag zu verbringen, wie ich mit Ron.«
»Nur mit dem Unterschied, dass du es ehrlich gemeint hast und Draco nur mit mir spielen wollte«, sagte Hermine traurig.
Lavender schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Er hat sich ernsthaft für dich interessiert, sonst hätte er nicht dermaßen auf Ron eingeprügelt.«
»Verletzter Stolz, sonst nichts«, wehrte Hermine ab.
»Nun, dann ist ihm sein Stolz wohl nichts mehr wert, denn er wartet draußen vor dem Porträt auf dich.«
»Machst du Witze?«, fuhr Hermine auf.
»Nein. Er hat beim Abendessen schon so nervös gewirkt und ständig zum Gryffindortisch rübergestarrt. Danach hat er mich abgepasst und bis in den Turm begleitet. Er hat mich gebeten, dir auszurichten, dass er unbedingt mit dir sprechen muss.«
Hermine wurde blass. »Ich will ihn nicht sehen. Soll ich mich etwa wieder beleidigen lassen?«
»Er hat gesagt, er würde warten, bis du kommst und wenn es die ganze Nacht dauern würde. Geh zu ihm Hermine. Er wirkte sehr zerknirscht, sofern man das von einem Malfoy sagen kann. Ich glaube, er empfindet viel für dich und er bedauert sein Verhalten aufrichtig. Wenn er wider Erwarten frech werden sollte, kannst du ihn immer noch stehen lassen. Du hast nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen, nicht wahr?«
»Woher hast du denn die Weisheit?«
»Von ihm«, antwortete Lavender und lächelte Hermine ermunternd zu.Draco stand auf dem Absatz vor dem Porträt, das den Eingang zum Turm bewachte. Nervös knetete er seine feuchten Handflächen. Hier zu stehen war das Schwerste, was er jemals getan hatte. Lieber hätte er noch einmal gegen die Seeschlange gekämpft, als sich jetzt Hermine entgegenzustellen. Doch Zabini hatte Recht – mit allem. Zum wiederholten Mal schimpfte der blonde Slythrin mit sich selbst, vor allem auf seinen Jähzorn, den er kaum kontrollieren konnte. Schon gar nicht, wenn es um die brünette Gryffindor ging. Die Angst, dass sie für immer aus seinem Leben verschwinden würde, noch ehe sie es überhaupt richtig betreten hatte, schnürte ihm die Kehle zu.
Als sich das Bildnis der fetten Dame endlich öffnete und Hermine heraustrat, schien Dracos Herz in seinem Hals zu schlagen. Er sah ihr sofort an, dass sie geweint hatte, obwohl ihr Blick kühl auf ihn fiel.
»Du wolltest mich sprechen«, stellte sie unpersönlich fest.
Sie kam ihm nicht entgegen, nun darauf hatte er auch nicht bauen können. »Her... Hermine, ich ...«
»Granger reicht völlig, Malfoy.«
Sie machte es ihm wirklich nicht leicht. »Es tut mir Leid«, presste er hervor.
»Was?«, fragte sie, reckte das Kinn nach vorne und stemmte die Hände in die Hüften.
»Alles«, antwortete er zerknirscht und senkte den Blick vor den braunen Augen, die regelrecht zu glühen schienen.
»Dass du mich vor der Hydra gerettet hast? Der Kuss unter dem Mistelzweig? Dein Geschenk? Der Nachmittag im Raum der Wünsche? Ja, das bedaure ich auch.« Hermine zog die Mundwinkel nach unten.
Sofort brauste Draco wieder auf. »Verdammt, weshalb bist du überhaupt gekommen, wenn du mir doch nicht zuhören willst?« Er war wütend und enttäuscht, dass sie ihn offenbar missverstehen wollte.
»Das frage ich mich auch gerade«, fauchte Hermine und drehte sich zu dem Porträt um.
Instinktiv machte Draco einen Satz nach vorne, packte ihr Handgelenk und hielt sie fest. »Wage es ja nicht zu verschwinden, ehe ich fertig bin.«
Hermine antwortete nicht. Sie blitzte ihn zornig an, machte aber keine Anstalten mehr, in ihren Gemeinschaftsraum zurückzukehren. Draco ließ sie los. »Hast du heute mit Weasley geschlafen?«
Die Frage war ihm entschlüpft, ehe er sie aufhalten konnte.
»Nein«, antwortete sie, sah ihm fest in die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust.
Draco erwiderte ihren Blick und holte tief Luft. Er glaubte ihr, war sich sicher, dass sie ihm nie ins Gesicht lügen würde. »Verzeih mir bitte, dass ich dich ein - du weißt schon was - genannt habe.«
Hermine schüttelte den Kopf. »Das kann ich dir nicht vergeben. Für dich bin ich in Wahrheit doch nur ein Schlammblut und ich werde es immer sein. Früher war ich von dir solche Beleidigungen gewohnt. Doch mittlerweile dachte ich, du hättest deine Einstellung wirklich geändert. Du hast mich so tief verletzt, wie noch niemand zuvor in meinem Leben.«
»Glaub mir, ich wollte dich nicht so nennen, nie wieder. Doch als ich heute entdeckte, wie du mit Weasley aus dem Raum der Wünsche kamst, da ist es einfach passiert. Es hat so schrecklich wehgetan, dich mit ihm zu sehen.« Dracos Stimme brach.
»Ach ja, alles wiederholt sich irgendwann«, mischte sich unerwartet das Porträt der fetten Dame ein.
Die beiden sahen das Bild überrascht an. »Was meinen Sie damit?«, fragte Draco, obwohl er plötzlich eine Ahnung hatte, von wem sie sprach.
»Es stand schon einmal ein Junge aus Slytherin vor mir, weil er ein Mädchen aus Gryffindor mit diesem Schimpfwort betitelt hatte«, erwiderte das Porträt und sah von einem zu anderen.
»Und?«, fragte Hermine.
»Nichts. Sie hat es ihm nie verziehen, obwohl er sich entschuldigte, genau wie Sie jetzt, junger Mann. Sie ist in ihren Gemeinschaftsraum zurückgekehrt und er hat hier vor mir gehockt, die Hände vors Gesicht geschlagen und bitterlich geweint. Richtig Leid hat der Knabe mir damals getan, obwohl er nichts besseres verdient hatte.« Die Augen der fetten Dame ruhten für einen langen Augenblick auf Draco. Dann setzte sie mit einem kleinen Lächeln hinzu: »Ich muss allerdings zugeben, er war mit seinen fettigen schwarzen Haaren und der Hakennase weit weniger attraktiv als Sie.«
»Was hat das denn damit zu tun?«, schnappte Hermine.
»Ich meine ja nur. Außerdem war er viel zu schüchtern. Er hätte es nie gewagt, seine Angebetete am Handgelenk festzuhalten und daran zu hindern, ihn zu verlassen.« Die fette Dame kicherte. »Vielleicht wäre doch noch alles gut geworden, wenn er dem Mädchen gesagt hätte, wie sehr er es liebte. Aber der Trottel hat die Zähne nicht auseinander bekommen.«
»Halten Sie den Mund«, riefen Draco und Hermine gemeinsam und sahen sich an.
»Bitte, wenn Sie meinen auf meine Hilfe verzichten zu können. Dann sehen Sie doch zu, wie Sie Ihren Streit beilegen.« Mit diesen Worten drehte sie sich beleidigt um und verließ seitwärts den Rahmen.
»Mist«, fluchte Hermine. »Jetzt bin ich ausgesperrt.«
Draco lag schon auf der Zunge, ihr anzubieten, mit ihr im Raum der Wünsche zu übernachten, biss sich aber noch rechtzeitig auf die Lippen. Jedenfalls konnte sie ihm jetzt nicht mehr so einfach entwischen.
»Weißt du, von wem sie da geredet hat?«, fragte er, weil er das Gespräch auf neutralem Boden halten wollte.
»Ich nehme mal an von Professor Snape und Harrys Mutter«, antwortete Hermine.
»Genau«, sagte Draco und hatte plötzlich eine Idee für eine Überleitung. »Das Porträt von Severus Snape hat mich damals im Schulleiterbüro davor gewarnt, mich dir zu nähern.«
»Warum?«, fragte Hermine sichtlich erstaunt.
»Snape meinte, eine Beziehung zwischen einer Gryffindor und einem Slytherin könnte niemals gut gehen.«
»Nun, da hatte er Recht, oder?«, erklang es hart.
»Nein, er liegt falsch. Sie kann funktionieren, wenn beide ihr Misstrauen einander gegenüber aufgeben.« »Du vertraust mir aber nicht.«
»Doch«, antwortete Draco leise. »Ich glaube dir.«
Sie sah ihn mit großen Augen an.
Er trat einen halben Schritt näher. Sie wich nicht zurück und das nahm er als positives Zeichen. Draco holte tief Luft und sammelte sich für seine nächsten Worte. »Hermine, ich, ich liebe dich.« Er spürte, wie seine Augen feucht wurden. »Ich will dich nicht verlieren.«
Sie stand da und blickte ihn einfach nur an. Lediglich ihre Lippen bebten. Eine einzelne Träne löste sich aus ihrem rechten Auge und lief die Wange herab. »Ich würde dir so gerne glauben, Draco. Allerdings vermute ich, du bist nicht fähig, einem anderen Menschen dein Herz zu schenken, und mit weniger vermag ich mich nicht zufrieden geben.«
»Mein Herz gehört dir doch schon längst und ich kann es dir sogar beweisen.« Draco trat einen Schritt zurück. Er schloss die Augen, dachte an Hermine und hob seinen Zauberstab. »Expecto Patronum.« Der riesige silberne Löwe sprang mit einem gewaltigen Satz aus dem Weißdornstab. Draco bemerkte, wie Hermine einen Schritt zur Seite wich. Das mächtige Tier schüttelte seine buschige Mähne. Sein Schwanzende streichelte an Hermines Kinn vorbei. Es umrundete sie einmal und sprang dann mit großen Sätzen durch das Treppenhaus davon.
Hermine starrte ihm fassungslos nach. »Du hast tatsächlich eine starke glückliche Erinnerung gefunden.«
»Ja - dich«, sagte er sacht. »Ich finde, er sieht dir auch ein bisschen ähnlich.«
Hermine schniefte. »Draco.« Sofort zog er sie an sich und hielt sie fest. Er genoss das berauschende Gefühl, sie mit seinen Armen zu umfangen. Draco drückte sie noch ein wenig mehr an sich, als er ihre Hände auf seinem Rücken spürte. Sein Hemd wurde feucht an der Brust. »Shsh Hermine, nicht mehr weinen. Ich bin ab jetzt für immer bei dir und ich werde dich nie wieder los lassen.«
Er küsste sie auf den Scheitel. Sofort hob sie ihm ihr Gesicht entgegen. Mit den Daumen strich er zärtlich über ihre Wangen und wischte die Tränen fort. Dann berührten seine Lippen sanft die ihren.

Brennendes EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt