Finstere Pläne [2/2]

1.4K 83 5
                                    


Die Posteulen kamen. Wie jeden Tag, seitdem er seinen Uhu auf die Mission geschickt hatte, suchte Draco den Schwarm der herein flatternden Eulen ab. Diesmal hatte er Glück. Der große Vogel steuerte direkt auf ihn zu. Er landete vor seinem Besitzer auf dem Tisch und klackerte zur Begrüßung mit dem Schnabel. Draco band umsichtig das kleine Päckchen los, das am Bein des Vogels befestigt war. Er kraulte seinen Kopf, worauf das Tier ein leises »Schuhu« ausstieß. Draco hielt ihm einen Keks hin. Baldur nahm seine Belohnung vorsichtig entgegen und machte sich auf den Weg zu seinem Schlafplatz in der Eulerei.
Eine ganze Woche hatte Draco auf die Zaubertränke warten müssen, aber das war immer noch schneller, als sie selbst zu brauen. Sich nochmals an Professor Slughorns Vorräten zu bedienen, war ihm zu riskant erschienen. Seine Mutter hatte er in seinen Plan eingeweiht, um ihren Fragen zuvorzukommen. Draco wusste, sie hätte ihm nie geholfen, wenn er den Liebeszauber für Hermine Granger vorgesehen hätte. Schließlich wollte sie eine Schwiegertochter, die ihren Sohn wirklich liebt. Draco hatte seiner Mutter genau gesagt, wo sie die Tränke beschaffen sollte. Der Liebeszauber von »Weasleys zauberhafte Zauberscherze« hatte einen ausgezeichneten Ruf und irgendwie gefiel Draco die Vorstellung, dass Won-Won ausgerechnet mit einem Verkaufsartikel seines Bruders Granger verlieren würde. Das verlieh dem Ganzen eine zusätzlich pikante Note. Da Brown es versäumte, sich nach ihm umzusehen, konnte Draco ihr kein Zeichen geben. So stand er auf und schlenderte zum Ausgang. Es dauerte eine Weile, bis zwei Gryffindors die große Halle verließen.
Weasley hatte den Arm um Granger gelegt. Er sah Draco an, dann fiel sein Blick auf das Päckchen. »Na Malfoy, wieder mal Schleckereien von Mami bekommen? Viel kann's ja nicht sein, so klein, wie das ist.« Granger stieß ihn an.
Draco zögerte einen Moment. Er hatte bereits eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, in der Art, dass es sich Weasleys Mutter ja leider nicht leisten konnte, ihrem Sohn überhaupt Süßigkeiten zu senden. Doch plötzlich glitt ein geradezu maliziöses Lächeln über Dracos Lippen, als Lavender Brown hinter den beiden Gryffindors auftauchte.
»Allerdings Weasley. Aber die Chancen stehen gut, dass ich sogar dir von dem Inhalt etwas abgebe.« Draco hob das Päckchen hoch und schüttelte es leicht. »He Brown, willst du einen Keks?«
Ihr Gesicht glich einem Augenblick lang einem Fragezeichen. Doch gerade, als Granger sich nach ihr umdrehte, erstrahlte es in Erkenntnis. »Du wirst dich doch wohl nicht mit Gebäck von so einem bestechen lassen?«, schnaubte Weasley. »Ich wüsste nicht, was dich das angeht«, antwortete das Mädchen spitz, trat demonstrativ auf Draco zu und hakte sich bei ihm unter.
Soweit musste das Schauspiel seiner Meinung nach nicht gehen. Allerdings empfand er Grangers mürrischen Gesichtsausdruck als Belohnung. Amüsiert sah er ihr nach, wie sie den etwas irritiert dreinblickenden Rotschopf hinter sich her zog. Kaum waren die beiden um die nächste Ecke verschwunden, als Draco sofort den Sicherheitsabstand zu Brown wieder herstellte.
»Ich glaube, so ganz gleichgültig scheinst du ihm doch nicht zu sein«, sagte er. Die Gryffindor schien von innen heraus zu leuchten. »Ja, es sah tatsächlich so aus.«
»Jetzt geht es darum, den richtigen Zeitpunkt abzupassen. Du musst die beiden beobachten und herausfinden, wann Weasley und Granger gemeinsam etwas unternehmen wollen. Dann kommen wir ins Spiel«, sagte Draco gedämpft. »Ich weiß, dass die beiden sich nächstes Wochenende für den Ausflug nach Hogsmeade verabredet haben.«
Draco schüttelte sacht den Kopf. »Dort können wir unseren Plan nicht durchführen. Es sei denn, dir fällt eine glaubwürdige Ausrede ein, weshalb Weasley ausgerechnet mit dir da hingeht.«
»Sie könnten sich doch mal wieder gestritten haben«, meinte Brown nach einem Moment.
»Tun sie das denn, in letzter Zeit, meine ich?«, fragte Draco lauernd und hielt unbewusst den Atem an.
»Nein, nicht dass ich wüsste.«
Draco seufzte innerlich. »Vom Grundsatz her ist die Gelegenheit gar nicht so schlecht. Problematisch wird nur der Anfang. Wir können die beiden schlecht trennen, wenn sie erst einmal zusammen sind.«
»Hermine sitzt oft vorher noch in der Bibliothek herum. Vielleicht auch diesmal. Ich finde es heraus«, sagte Lavender eifrig und ihr Gesicht rötete sich dabei ein wenig.
»Gut«, antwortete Draco. »Ach noch was, besorge mir einen von Weasleys scheußlichen Pullis«.
»Warum?«
»Granger soll zu Beginn noch nichts merken.«
Die Gryffindor überlegte. »Das dürfte kein Problem werden. Ron lässt oft einen seiner Pullis im Gemeinschaftsraum liegen. Aber eine Hose zu stibitzen wird schwieriger.«
Draco hob abwehrend die Hände. »Das wird nicht nötig sein. Ich besorge mir selbst eine von diesen blauen Muggelhosen, die er offenbar so gerne trägt.«
»Die heißen Jeans«, klärte Brown ihn auf.
Draco sah über ihren Kopf hinweg. Sein Blick traf auf den Ginny Weasleys, die gerade Hand in Hand mit Potter die Halle verließ. Sie war erheblich schlauer als ihr Bruder. Er musste vorsichtig sein. Hastig verabschiedete er sich von seiner Komplizin.Am Samstagmorgen erwartete ihn Brown nach dem Frühstück am Ausgang der großen Halle. Sie wirkte aufgeregt. Draco bugsierte sie in einen Gang. Er wollte keinesfalls noch mehr Aufmerksamkeit auf sie beide lenken.
Zabini hatte gestern eine Bemerkung gemacht und auch die anderen Slytherins schienen sich über sein Verhältnis zu Lavender Brown Gedanken zu machen.
»Was gibt es?«, fragte er deshalb ein wenig unwirsch.
Brown zog den widerstrebenden Draco in Richtung eines Besenschrankes. Dabei sagte sie unterdrückt: »Ich habe gestern Abend im Gemeinschaftsraum gehört, wie die beiden ihren heutigen Tag geplant haben. Hermine will tatsächlich vorher noch in die Bibliothek. Dort soll Ron sie gegen halb drei abholen. Dann wollen sie gemeinsam mit Harry und Ginny nach Hogsmeade gehen.«
Draco überlegte einen Moment. »Gut. Wir passen Weasley ab, bevor er die Bibliothek betritt. Du wirst ihm eine Herzpraline aus dem Honigtopf anbieten.«
»Was, die gefüllten, von denen das Stück zwei Galleonen kostet?« Brown sah überrascht aus.
»Klar, glaubst du, du könntest Weasley mit einem Kürbistörtchen bezirzen? Ich habe bereits zwei Pralinen besorgt und eine entsprechend vorbereitet.« Draco grinste kurz. »Du gibst Won-Won die präparierte und isst die andere selbst, damit er keinen Verdacht schöpft. Dann verwickelst du ihn in ein Gespräch. Die Wirkung setzt nach circa einer Minute ein. Danach wird er Granger schlichtweg vergessen haben. Ich gebe dir das Fläschchen mit und von Zeit zu Zeit solltest du ihm etwas davon geben. Entweder in den Kaffee oder auf deine Zunge träufeln, bevor du ihn küsst.«
Brown feixte. Dann sah sich rasch um, öffnete die Tür des Besenschrankes und holte ein kastanienbraunes gestricktes Etwas heraus. »Hier der Pulli«, sagte sie und drückte ihn Draco in die Arme.
»Jetzt guck nicht so grimmig. Du wolltest ihn doch haben. Was sage ich zu Harry und Ginny?«, fuhr sie fort. »Sie werden sich wundern, dass Ron plötzlich mit mir und nicht mit Hermine nach Hogsmeade gehen will.«
»Sag ihnen, die beiden hätten sich deinetwegen gestritten und Granger wäre wütend abgedampft. Weasley wird das nicht dementieren, da er nur noch Augen für dich haben wird.«
»Es könnte sein, dass die beiden Hermine suchen wollen«, warf das Mädchen ein.
»Sie werden sie nicht finden«, entgegnete Draco selbstbewusst.Viertel nach zwei trafen sich Draco und Lavender Brown vor dem Zugang zur Bibliothek. Die Augen des Mädchens glitten über Dracos Gestalt. Er sah, wie sie sich mühsam das Lachen verkneifen musste. Die Jeans war zwei Nummern zu groß. Der braune Strickpulli mit dem beigen »R« auf der Brust schlotterte um seine drahtige Gestalt und reichte bis auf die Oberschenkel.
»Ich hoffe, Hermine weiß es zu würdigen, was du ihretwegen alles auf dich nimmst«, gluckste Brown und Dracos Laune sank noch ein wenig tiefer. Nun, wo es endlich soweit war, überfielen ihn plötzlich Zweifel. Doch er musste sich diese Chance jetzt erkämpfen, denn Granger würde ihm von sich aus keine bieten.
Draco schluckte seine Bedenken und seinen Ärger hinunter und überreichte der Gryffindor die angebrochene Phiole mit dem Liebestrank und zwei hübsch verpackte, herzförmige Pralinen. »Die mit der roten Schleife musst du Weasley geben. Die andere kannst du selbst essen.«
Vorsichtig nahm ihm Brown die Schachteln ab. Das Fläschchen ließ sie sogleich in ihrer Tasche verschwinden. »Wo bist du solange?«
»Ich mache mich unsichtbar – Desillusionierungszauber«, fügte er hinzu, als er ihren Gesichtsausdruck sah.
»Das kannst du?«, fragte sie und sah ehrlich beeindruckt aus.
Draco brummte nur. Er stellte sich in die Ecke. »Ich bleibe hier. Falls etwas schief läuft, kann ich eingreifen. Jetzt geh ein Stück von mir weg und konzentriere dich auf den Erfolg.«
Kaum hatte das Mädchen sich etwas entfernt, führte Draco den Zauber aus und war von der Wand nicht mehr zu unterscheiden. Er brauchte nicht lange zu warten. Schon wenig später kam der Rothaarige angeschlurft. Brown schlenderte auf ihn zu. Draco glaubte etwas von Pralinen zu hören, die Weasley ihr zu Weihnachten geschenkt hatte und für die sie sich revanchieren wollte. Tatsächlich nahm der Gryffindor die Schachtel mit dem roten Band, öffnete sie und stopfte sich die Süßigkeit in den Mund. Für einen Moment schloss er verzückt die Augen. Brown entnahm der anderen Schachtel die für sie bestimmte Praline.
»Sie sind wirklich so gut, wie man sagt«, nuschelte Weasley genüsslich. »Doch warum schenkst du mir so etwas Kostbares?«
Noch ehe das Mädchen darauf antworten konnte, veränderte sich der Gesichtsausdruck ihres Gegenübers. »Sag mal«, begann er und sah plötzlich ein wenig zornig aus. »Bist du jetzt mit Malfoy zusammen oder nicht?«
»Bin ich nicht. Ich habe ihn nur benutzt, um dich ein wenig eifersüchtig zu machen. Weißt du Ron, lieben tue ich nämlich nur dich«, säuselte sie und Draco verdrehte die Augen.
Weasley wirkte wie jemand, der plötzlich eine Erscheinung hatte. »Ich liebe dich auch, Lavender, immer schon«, stieß er hervor.
»Hast du Lust mit mir nach Hogsmeade zu gehen, Ron?«
»Natürlich, ich bin doch hergekommen um dich abzuholen, oder?«
Draco rieb sich die Hände. Das hatte besser geklappt als erwartet. Die beiden Gryffindors gingen Arm in Arm den Gang hinunter. Hinter ihrem Rücken reckte Brown den Daumen hoch.
Draco hob den Desillusionierungszauber auf. Niemand war zu sehen. Wahrscheinlich waren die meisten Schüler schon im Vorhof versammelt, um zum Dorf zu gehen. Aus seiner Tasche nahm er die Phiole mit dem Vielsafttrank, den er bereits mit einigen von Weasleys Haarspitzen vermischt hatte. Gut, dass er damals welche aufgehoben hatte. Draco kniff die Augen zusammen und schüttete das Gebräu in einem Zug hinunter. Der Käse-Schweißfußgeruch stieg ihm in die Nase. Er schüttelte sich.
Zwei Minuten später war die Wandlung vollzogen. Sein T-Shirt schien geschrumpft zu sein und wurde eng, doch Pullover und Hose passten wie angegossen. Die Schuhe drückten unangenehm, aber wenn alles nach Plan lief, würde er sie ohnehin nicht lange anbehalten.
Mit klopfendem Herzen ging Draco auf die Bibliothek zu.

Brennendes EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt