Elaine Hunter [1/3]

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Wenige Tage später stand Draco erneut am Gleis 9 ¾. Der Dampf der Lokomotive nebelte die Menschen ein. Seinen Koffer hatte er bereits in den Zug geladen, und mit ihm das Tagebuch und den Ring seines Großonkels.
Seine Mutter stupste ihn an und zeigte auf die Weasleys, die mal wieder als einer der letzten Familien den Bahnsteig betraten. Draco sah sofort den braunen Schopf mit den widerborstigen Haaren. Sein Herz machte einen Hüpfer, nur um sogleich ein ganzes Stück tiefer zu rutschen.
Granger und das Wiesel gingen Hand in Hand.
»Sie sehen sehr verliebt aus, zumindest der Junge. Das wird nicht leicht werden, Draco«, sagte Narzissa.
»Hat auch niemand behauptet«, brummte er. »Ich wünsche dir viel Glück, Schatz. Gib auf dich acht.«
»Natürlich Mutter, und ich ziehe auch immer dicke Socken an.«
Das entlockte ihr eines der seltenen Lächeln. Dieses Lächeln noch immer im Gesicht ging sie an den Weasleys vorbei und schaute Hermine Granger an.
Sieh an, Mutter will mir helfen, dachte Draco amüsiert, als er die verblüffte Miene der Gryffindor sah.
Er hatte den Eindruck, als würde Hermine sich bemühen, sich nicht umzusehen, aus Angst, ihn zu entdecken.
Wahrscheinlich hatte die Wieselfamilie sie in den Ferien eingenordet. Nun, auch damit würde er fertig werden. Sich selbst und seines Planes sehr bewusst, bestieg Draco den Hogwarts-Express.Hermine war immer noch durch das Lächeln Narzissa Malfoys irritiert. Natürlich wusste sie, dass Dracos Mutter sie niemals damit gemeint haben konnte, aber diese stets unnahbar wirkende Frau hatte plötzlich richtig nett ausgesehen. »Was war das denn?«, fragte Ron sogleich. »Ich glaube Mami Malfoy und Draco haben irgendeine Teufelei ausgeheckt, sieh dich vor, Hermine.«
»Unsinn. Sie hat sich von ihrem Sohn verabschiedet und dadurch sind ihre Gesichtszüge entgleist. Das hat nichts mit mir zu tun.«
Es folgte eine tränenreiche Verabschiedung seitens Mrs. Weasleys. Alle wurden mehrfach gedrückt und geküsst. Hermines Stimmung hob sich ein wenig. Sie hatte Angst vor der Rückkehr nach Hogwarts gehabt. Doch das Verhalten von Rons Mutter bestärkte sie. Hermine hatte die richtige Wahl getroffen. In dieser Familie herrschte soviel Fröhlichkeit und Liebe. Sie sah zu Ron auf, der glücklich auf sie hinabstrahlte. Von nun an waren sie ein richtiges Paar. Alles andere war nicht mehr wichtig.
Hermine rief sich in Gedanken das Bild von Draco und Lucius Malfoy vor Augen, das sie im Tagespropheten gesehen hatte. Vater und Sohn, einträchtig nebeneinander. Todesser unter sich, hatte die Überschrift gelautet und es war ein reißerischer Artikel von Rita Kimmkorn über die Verhandlung gefolgt. Die Gryffindor erschauderte, wenn sie nur an Malfoy Senior dachte. Niemals konnte - nein, durfte etwas zwischen ihr und seinem Sohn entstehen.
Hermine würde Ginnys Rat beherzigen und das Buch Draco zurückgeben. Sie musste sich eingestehen, es fiel ihr sehr schwer, doch sie wusste auch, dass Rons Schwester Recht hatte. Von dem Blütenzauber würde sie sich jedoch unter keinen Umständen trennen. Er wartete noch immer auf sie in ihrem Nachtschränkchen in Hogwarts. Während der Fahrt sah sie Draco nicht und beim Abendessen tauschte sie mit Ron die Plätze, so dass sich der Tisch der Slytherins in ihrem Rücken befand. Zurück im Schlafsaal holte sie die Erstausgabe der Geschichte Hogwarts aus dem Koffer. Bebend glitten ihre Hände über den Einband.
»Wann willst du es ihm zurückgeben?«, fragte Ginny, die auf ihrem Bett saß und Hermine unergründlich musterte.
»Ich weiß noch nicht, wie ich es mache. Das Letzte was ich will ist, dass mich einer dabei beobachtet, wie ich es Malfoy überreiche und falsche Schlüsse daraus zieht, wie Lavender zum Beispiel. Dann habe ich genau wieder den Krach mit Ron, den ich vermeiden wollte.«
»Ist gut, aber warte nicht zu lange«, sagte Ginny.
Im Unterricht fiel es Hermine schwer, Draco nicht anzusehen. In den Fächern, in denen sie hinter ihm saß, musste sie sich regelrecht zwingen, nicht auf seinen Rücken zu starren. In den Unterrichtsstunden, in denen sie ihn aufgrund ihrer Sitzposition nicht sehen konnte, hatte sie das Gefühl, ständig beobachtet zu werden. Erträglich waren nur die Fächer, in denen die Gryffindors nicht mit den Slytherins gemeinsam unterrichtet wurden.
Eine Woche später befand sich Dracos Weihnachtsgeschenk immer noch in Hermines Besitz. Schließlich entschied sie sich dafür, es Zabini zu geben. Eines Nachmittags packte sie mit gemischten Gefühlen das Buch ein und schlenderte durch die Schule. Vielleicht war das Glück ihr holt und sie entdeckte den dunklen Slytherin irgendwo. Auf ihrem Weg kam sie an etlichen küssenden Pärchen vorbei. Und das, obwohl die Mistelzweige schon längst aus der Schule verschwunden waren. Hermine wollte gerade den Korridor Richtung Bibliothek betreten, als sie Zabini in einer Ecke stehen sah. Er hatte die Arme eng um ein Mädchen geschlungen und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Es kicherte und hielt sich eine Hand vor den Mund.
Hermine trat näher und räusperte sich. Sofort sah Zabini auf. »Wenn das nicht Hermine Granger ist.«
»Hallo, ich wollte nicht stören. Würdest du mir den Gefallen tun und das Buch Malfoy zurückgeben?«
»Du hast dir von ihm ein Buch geliehen?« Zabini sah überrascht aus. Als Hermine nicht antwortete, fragte er: »Warum gibst du es ihm nicht selbst?«
»Passt mir im Moment nicht so gut«, druckste sie herum.
Zabini sah sie einen Moment lang an, dann sagte er: »Meinetwegen.«
Erleichtert drückte Hermine es ihm in den Arm. Dazu musste der Dunkle sich von seiner Freundin lösen.
»Oh, du bist ja gar keine Slytherin«, entfuhr es Hermine, als ihr Blick auf das Wappen mit dem Dachs an der linken Seite des Umhanges fiel.
»Da staunst du, was Granger? Und soll ich dir noch etwas verraten?« Zabini trat einen Schritt näher und wisperte ihr zu: »Sie ist ein Halbblut.«
Hermine trat erschrocken einen Schritt zurück. »Weiß er es, Malfoy meine ich?«
»Es kommt noch viel besser. Er selbst war es, der mich dazu ermuntert hat, mich um Petronella zu bemühen.«
»Bist du sicher, dass wir von demselben Draco Malfoy sprechen?«, fragte Hermine entgeistert.
Zabini warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Ja, erstaunlich, nicht wahr? Hast du etwas mit seiner Wandlung zu tun?«
»Ich? Ganz sicher nicht.«
»Naja, ich dachte nur, wenn ihr offensichtlich schon Literatur austauscht.« Zabini machte eine kleine Pause, doch Hermine war zu verwirrt, etwas darauf zu erwidern. »In Ordnung, ich gebe ihm das Buch nachher zurück. Soll ich auch noch eine Nachricht überbringen, wenn ich schon die Eule spiele?«, grinste er.
»Nein Danke, Blaise, ist nicht nötig. Er wird auch so wissen worum es geht.«Das wusste Draco tatsächlich. Sein ohnehin schon bleiches Gesicht wurde noch eine Spur blasser. Das spitze Kinn schien noch ein wenig mehr aus seinem Gesicht herauszuwachsen und seine Augen versprühten die Wärme gefrorenen Wassers.
Als Blaise ihm im Gemeinschaftsraum gesagt hatte, er hätte etwas von der Granger auf sein Bett gelegt, hätte Draco niemals damit gerechnet, dass es sich dabei um sein Geschenk handeln könnte.
Er schlug mit der Faust gegen die Wand und musste an sich halten, nicht laut zu fluchen. Was sollte das bedeuten, jetzt, nach fast drei Wochen? Weshalb hatte sie es nicht sofort zurückgeschickt?
Ihre Freunde mussten auf sie eingeredet haben, anders konnte sich Draco ihre Reaktion nicht erklären. Dann wiederum konnte er es sich nicht vorstellen, dass Granger über ihn gesprochen haben sollte. Sie hatte seinen Kuss genauso leidenschaftlich erwidert, wie er den ihren. Wer weiß, was noch geschehen wäre, wenn nicht just in diesem Moment die verrückte Ravenclaw aufgetaucht wäre.
Draco hielt einen Augenblick inne. Ob die geredet hatte? Vielleicht sollte er sich das verträumte Schaf einmal vornehmen, oder besser nicht. Ändern würde es ohnehin nichts mehr.
Er schlug das Buch auf. Darin lag sein Zettel mit den Weihnachtsgrüßen und der Zeichnung. Darunter hatte sie geschrieben: Ich darf es nicht behalten. Draco war nicht so naiv zu glauben, jemand anderer als er hätte das Buch öffnen und die Notiz lesen können. Dafür war sie zu gerissen.
Hermine Granger hatte sich offenbar fest vorgenommen, nichts mehr mit ihm zu tun haben zu wollen. Deshalb vermied sie jedweden Blickkontakt und gab ihm auch keine Gelegenheit, sie unbeobachtet anzusprechen.
»Na schön, Granger«, zischte Draco ihrer Nachricht zu. »Du glaubst, du willst nichts von mir wissen. Dann werde ich dich vom Gegenteil überzeugen müssen, denn ich, ich will noch mehr von dir - viel mehr - und ich weiß auch schon, wie ich das anstelle.«Der erste Teil seines Planes klappte auf Anhieb. Bereits am nächsten Tag erhielt er den Termin in McGonagalls Schulleiterbüro, um den er sie gebeten hatte.
»Ich glaube, ich weiß, weshalb Sie hier sind, Mr. Malfoy. Es geht um den Fluch anlässlich der Strafarbeit, der in Ihren Augen völlig überzogen gewirkt haben mag, nicht wahr?« Die Lehrerin rückte ihre Brille zurecht und blickte ihn mit hochgezogen Brauen an.
Draco lehnte sich auf dem Stuhl zurück, der vor ihrem Pult stand. Er versuchte, nicht allzu überheblich auszusehen, als er antwortete: »Soweit ich weiß, ist Wahrsagerei nicht gerade Ihr Spezialgebiet. Warum überlassen Sie das also nicht Professor Trelawney und wir kommen zu dem Punkt, weshalb ich Sie wirklich sprechen will?«
Professor McGonagall sah einen köstlichen Moment lang so betreten aus, dass es Draco zum Teil für die Schmerzen entschädigte, die er seinerzeit gehabt hatte.
Dann fuhr er fort: »Es geht mir um die Hinterlassenschaft meines Großonkels, Chimärus Malfoy. Das ist derjenige, dessen Überreste Gran ... Miss Granger und ich unter der Schule fanden.«
Dumbledore, dessen Porträt hinter McGonagalls Schreibtisch hing, setzte sich in seinem Lehnstuhl aufrecht. »Sie haben also Ihren Vater nach ihm befragt, Draco?«
»Ja, Sir. Auf Miss Grangers Rat hin, hatte ich mir den Ring des Toten angeeignet. Mein Vater konnte sich an ein Kästchen erinnern, das auf unserem Dachboden versteckt war und meinem Großonkel gehörte. Ohne Ring wäre es jedoch nicht zu öffnen gewesen. So jedoch entnahm ich ihm das Notizbuch hier. Darin bat mich mein Vorfahr, es einer gewissen Elaine Hunter zu überbringen, sofern diese noch lebt. Deshalb bin ich hier, um Ihre Hilfe zu erbitten. Es gibt doch sicherlich Unterlagen über alle Schüler.«
Mit diesen Worten legte Draco das Büchlein auf den Schreibtisch.
McGonagall griff danach und nickte. »Natürlich gibt es die, aber sollte die Frau noch nicht gestorben sein, so hat sie doch bestimmt kein Interesse mehr an einem alten Buch, zumal es unbeschrieben zu sein scheint.« Sie stutzte. »Allerdings sieht es benutzt aus.« Die Schulleiterin blätterte einmal hindurch.
»Es wird nicht leer sein, Minerva«, sagte Dumbledore mit einem Schmunzeln. »Ansonsten hätte unser Draco hier nicht behauptet, es hätte ihm gesagt, was er damit anfangen soll. Ich vermute mal, nur ein Malfoy kann seinen Inhalt lesen und natürlich Elaine Hunter. Sie wollen es ihr also tatsächlich bringen?«
»Das habe ich fest vor«, entgegnete der Slytherin.
»Bemerkenswert. Weiß ihr Vater davon?«, bohrte der ehemalige Schulleiter weiter.
»Nein«, antwortete Draco. Ihm wurde plötzlich ein wenig unbehaglich unter dem Blick von Dumbledores stechenden blauen Augen.
»Natürlich nicht, sonst säßen Sie wohl kaum hier«, sagte das Porträt mit einem wissenden Lächeln. »Glauben Sie mir, Minerva, sollte Elaine Hunter noch leben, hat sie ein außerordentliches Interesse an diesem Vermächtnis. Unterstützen Sie Draco bei seinem Auftrag.«
»Wie Sie wünschen, Albus«, antwortete McGonagall ein wenig spitz und Draco fühlte sich noch etwas mehr entschädigt.

Brennendes EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt