Kapitel 4 - Elijah

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Kapitel 4:

Elijah

„E... Elijah? Was machst du denn hier?", fragt sie mich und reibt sich die Augen. Hanna steht mit bauchfreiem T-Shirt und grauer Hotpants, verschlafen vor mir. „Ich wollte dich nicht wecken", entschuldige ich mich. „Alles gut... Aber was ist los?" „Kann ich vielleicht erst mal reinkommen?" „Klar", sagt sie und lässt mich rein. Ich gehe direkt durch den Flur und dann in die Küche. Sie folgt mir, nimmt sich ein Glas Wasser und setzt sich zu mir an den Tisch. „Also Elijah, was ist passiert? Du kochst vor Wut." „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll...", gebe ich zu und versuche mich zu beruhigen. „Mach ganz ruhig", sagt sie und legt ihre Hände auf meine.

„Wir fahren nicht in den Urlaub...", fange ich an. „Wie jetzt? Aber du hast dich doch so sehr darauf gefreut." „Das habe ich. Doch als ich vorhin ins Auto meiner Tante stieg, erzählte sie mir, dass mein Dad kurzfristig ins Ausland musste und sie auf mich aufpassen soll..." „Nicht sein Ernst oder?!" „Leider doch..." Ich merke, dass selbst Hanna sauer wird, was ich ihr nicht verübeln kann. „Und jetzt bist du solange bei deiner Tante?" Ich schüttle den Kopf. „Nein. Ich habe keine Lust bei ihr zu bleiben, deswegen bin ich jetzt in genau der Einrichtung, in der auch Claire lebt", erkläre ich. „Du denkst, dass sei die richtige Entscheidung?", will sie wissen und schaut mich an. Sie sieht so süß aus, mit ihren leichten Sommersprossen im Gesicht, genau wie bei Kira. „Ja, ich denke schon. So kann ich ein bisschen mehr Zeit mit ihr verbringen." „Sie freut sich sicher. Sonst hätte ich noch gesagt, dass du bei mir solange übernachten kannst, aber da wir morgen kurzfristig zu meiner Grandma fahren..." „Das ist nicht schlimm", stoppe ich sie. „Du hast dir auch mal eine Auszeit verdient, nach dem was du alles für mich gemacht hast." Ich lächle sie an „Elijah, du bist mein bester Freund", sagt sie und drückt meine Hände etwas fester. „Ich vertraue dir sehr... und das habe ich gerne gemacht und würde es immer wieder tun." „Danke, dass bedeutet mir viel. Ich kann das alles nur zurückgeben", versichere ich ihr schnell.

„Da ist doch noch irgendwas... Das kann ich ganz klar in deinen Augen erkennen." „I... Ich... Ich war noch bei Stella..." „Bei deiner Ex Freundin aus Lakeshore?", fragt sie. Nickend antworte ich. „Warum das denn, wenn ich fragen darf?" „Sie wollte sich noch bei mir verabschieden, da sie morgen in den Urlaub fliegt. Eigentlich war ja auch alles in Ordnung, bis wir uns wieder näherkamen...", versuche ich zu erklären und werde rot. „W...Wie meinst du das?" „Als ich in ihr Zimmer kam, war sie nackt... Sie hat sich ein Tattoo stechen lassen. Eine Rose. Es sieht schön aus. Ich habe geholfen, ihren BH zu schließen. Dann hat sie mich innig angeschaut. Wir beide sind uns nähergekommen und dann... dann hat sie mich geküsst... Ich dachte, ich würde wieder schwach werden, doch das tat ich nicht. Zum Glück. Ich habe Stella von mir weck geschubst und bin aus dem Haus. Dass sie es wieder versucht hat, hat mich einfach so wütend gemacht..." Hanna schaut mich leicht geschockt an.

„Ich bin stolz auf dich Elijah", sagt sie zu mir. „Worauf genau?" „Das du nicht nachgabst, obwohl sie dich küsste. Ich kenne deine Vergangenheit und weiß auch, wie schwer es für dich ist, nicht nachzugeben. Andere hätten es bestimmt schon zugelassen, aber du nicht. Du hast das gut gemacht. Und aus dem Haus zu gehen, war die richtige Entscheidung. Die einzige", beruhigt sie mich ein wenig. Ich wusste, dass sie nicht sauer auf mich sein würde, deswegen bin ich auch zu ihr gegangen. „Ich denke, ich werde erst mal die nächste Zeit auf Abstand zu ihr gehen. Und wenn wieder etwas Gras über die Sache gewachsen ist, suche ich noch mal das Gespräch mit ihr", sag ich. „Du schaffst das. Möchtest du noch ein wenig hierbleiben? Wir können Netflix schauen", schlägt sie vor und trinkt ihr Glas aus. Ich schaue kurz auf mein Handy. „Gerne Hanna, aber ich muss leider los. Es ist schon spät", antworte ich und stehe auf. „Soll ich dich begleiten?" „Süß von dir, aber ich schaff das schon." „Pass auf dich auf." Sie kommt zu mir und umarmt mich. „Du auch."

Als ich wieder oben angekommen bin und gerade zu Herr Rosenbach ins Büro will, höre ich, wie er ein Telefonat führt. „Oka, machen wir so. Einen schönen Abend noch", sagt er ins Telefon, legt auf und packt es auf dem Schreibtisch. Dann sieht er, dass ich im Türrahmen stehe. „Komm rein Elijah." Ich setze mich auf das Bett im Büro und mache es mir gemütlich. „Alles gut bei ihnen? Ich habe das Gespräch ein wenig mitbekommen und Sie klangen ein wenig sauer", versuche ich herauszufinden. „Mhh, stimmt...", antwortet er und an seinem Gesichtsausdruck erkenne ich, dass meine Vermutung richtig ist. „Es geht um eine Mitbewohnerin... Ihr Name ist Mika. Sie ist seit einiger Zeit ein sehr rebellisches Teenager Mädchen, hält sich kaum, beziehungsweise so gut wie gar nicht an die Gruppenregeln und kommt gefühlt jeden Tag zu spät. Eben habe ich die Polizei angerufen und wenn sie nach 01:00 Uhr noch nicht zurück ist, suchen sie nach ihr", erzählt er mir.

„Aber warum macht sie das? Hat sie keine Angst, rausgeworfen zu werden oder so?" Er seufzt. „Das wüssten wir auch gerne", antwortet er sarkastisch und im selben Moment brummt die Klingel der Wohngruppe. „Mal hoffen, dass sie es ist", sagt Herr Rosenbach und geht zur Tür. Kaum hat er die diese aufgemacht, stürmt ein leicht bekleidetes Mädchen mit schwarzen Haaren in den Vorflur. Das muss Mika sein.

„Können sie mein Zimmer aufschließen?", fragt das Mädchen mit genervter Stimme. Ohne was zu sagen, schließt er ihre Zimmertür auf. „Das ist Elijah, unser neuer Mitbewohner", sagt er zu ihr, auch wenn er ganz genau weiß, dass sie das nicht interessiert. Sie kommt aus ihrem Zimmer raus, bleibt auf dem Flur stehen und sieht mich dann an. Ihr wütender Gesichtsausdruck verblasst mit jeder Sekunde, in der sie mich anschaut. Ihre bernsteinfarbenen Augen sind wunderschön. „Die Konsequenzen muss ich dir ja nicht noch mal sagen oder Mika?", unterbricht er uns. Sofort verändert sich ihr Ausdruck zurück ins Negative. „Lassen sie ich in Ruhe!", faucht sie giftig und verschwindet lautstark in ihrem Zimmer. Ich sehe Herr Rosenbach mit offener Mund an. „Sie wird sich schon wieder beruhigen", versichert er mir optimistisch und geht zurück ins Büro.

Ich entscheide mich, mich ebenfalls zurück zu ziehen, schließe die Wohnzimmertür und lasse mich aufs Bett fallen. Wenige Minuten später fallen mir auch schon die Augen zu.

Elijah, Kira und das Geheimnis der MitbewohnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt