Kapitel 46 - Elijah

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Kapitel 46:



Elijah



…Mit intensiven Küssen drückt mich Stella an die Wand. Was passiert hier gerade? Frag ich mich in meinem Kopf. Ich spüre, wie ihre Hand nach unten wandert und meine harte Erektion hoch und runter bewegt. „S…Stella… w…was… was machst du?“, versuche ich mich zu wehren, doch ich bin machtlos. „Du willst es doch auch, Baby“, sagt sie an meinem Ohr. „Stella n…nei…“, sage ich mit letzter Kraft, doch bevor ich den Satz überhaupt beenden konnte, bin ich schon dabei, sie zu ficken…

„Ahhhh!“, schreie ich und wache schweifgebadet auf. Ich hatte wieder einen Albtraum. Warum jetzt? Warum ausgerechnet nach dieser unglaublich schönen Nacht? „Elijah… G…Ganz ruhig“, höre ich Kira neben mir sagen, welche mich direkt in den Arm nimmt. Fest in den Arm nimmt. „Alles wird gut. Ich bin da…“, versucht sie mich zu beruhigen, streicht durch mein zerzaustes Haar und gibt mir dann Kuss auf die Stirn. Mit jeder Sekunde die vergeht, normalisiert sich meine Atmung wieder, bleibe aber weiterhin in ihrem Arm liegen. Die letzte Nacht war wunderschön. Und für Kira ebenfalls. Beide waren unbeschreiblich.

„G…Geht es wieder?“, fragt sie mich mit besorgter Stimme. Ich nicke wortlos und blicke dabei hoch in ihre Augen. „Ich liebe dich Elijah“, sagt sie und drückt ihre Lippen auf meine. „Ich liebe dich“, antworte ich seufzend in ihren Mund und erwidere ihn. Meine Hände legen sich an ihre Hüfte und ziehe sie auf meinen Schoß, wobei ich ihr ein kleines: „Huch“, entlocke. Sie sagt nichts, sondern funkelt mich einfach nur an. Wie kann man nur so schön sein. Erst jetzt bemerke ich, dass sie obenrum nicht mehr nackt ist, wie sie es gestern war, als sie sich an mich kuschelte, sondern trägt nun eines meiner T-Shirts. „Steht dir“, sag ich und streiche mit meinen Fingerspitzen über den Stoff. „Habe ich mir vorhin genommen, als du noch geschlafen hast“, antwortet sie kichernd und legt ihre Stirn an meine Schulter.

Hätte mir jemand am ersten Tag gesagt, dass ich ihr bald so nah sein werde, wie letzte Nacht, hätte ich demjenigen einen Vogel gezeigt. Wer konnte denn ahnen, dass wir uns ineinander verlieben? Aber genau das ist passiert. Wir haben uns ineinander verliebt und es gestern Abend das erste Mal richtig zugegeben. Bereue ich es, mit Kira sex gehabt zu haben und sie nebenbei auch noch entjungfert zu haben? Kein bisschen. Die Chemie zwischen uns hat einfach gepasst, weswegen ich mir ziemlich sicher bin, dass wir nicht länger hätten warten können. Ich hätte mir mein erstes Mal mit ihr nicht schöner vorstellen können.

„Kommst du mit duschen?“ Ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn und löse mich dann. „W…Wie jetzt?“, fragt sie und rutscht von meinem Schoß hinunter, damit ich aufstehen kann. „Ich bin verschwitzt und möchte gern noch duschen, bevor wir zum Frühstück gehen“, erkläre ich mich. Ich hole mir aus dem Kleiderschrank frische Klamotten und drehe mich wieder zu Kira hin. Sie sitzt mit angezogenen Beinen da und schaut mich mit geröteten Wangen an. Ich liebe es, wenn ich sie verlegen mache. „Kommst du mit duschen?“, wiederhole ich meine Frage von eben. „W…Wir beide… z…zusammen…?“, stottert sie und beißt sich auf die Unterlippe. Noch so eine Kleinigkeit, die ich an ihr mag. „Natürlich nur wenn du magst.“ Ich würde sie zu nichts zwingen und das weiß sie auch. Hoffentlich. Das Mädchen mit den lila Augen steht von meinem Bett auf, kommt auf mich zu getapst und schlingt ihre Arme um mich. „Ich würde sehr gerne mit dir duschen Elijah.“ Dann stellt sie sich auf Zehnspitzen und küsst mich. Es ist ein kurzer, aber dennoch intensiver Kuss, wo es einem schwer fällt, nicht gleich nach mehr zu verlangen.

Nachdem sich Kira ebenfalls frische Sachen aus ihrem Zimmer holte, betreten wir nun gemeinsam den Duschraum der Männer. Ob sie gestern Abend hier drin geduscht hat oder in die der Frauen? Ich habe extra im Flur auf sie gewartet und da Kira nach wenigen Minuten schon zurückkam, bin ich ziemlich sicher, dass sie noch nicht von ihren beiden besten Freundinnen ausgefragt wurde. Aber bestimmt ist Lilly eh wieder bei ihrem Freund Jannes und hat dort übernachtet. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir beide von ihnen ausgefragt werden. Auf jeden Fall von Claire.

Ich entscheide mich wieder für die größter Dusche im Raum, der Familiendusche, wo ich direkt das Wasser anstelle, damit es die gewünschte Temperatur annehmen kann. In der Zeit lege ich meine Sachen auf eine der Ablagen und streife mir meine Boxershorts nach unten, welche ich gestern nach dem Sex angezogen habe. Auch sie zog sich nur ihren pinken Slip an. Die Unterwäsche, welche sie sich gestern in der Innenstadt gekauft hat, stand ihr unglaublich gut. Sie sieht in ihrem Teil gut aus, doch in diesem besonders.

Dabei bemerke ich, wie Kira malwieder ihren Blick nicht von mir abwenden kann. Sie schaut auf meinen Oberkörper, wo ich gerade eben die Pflaster abgemacht habe, die sie gestern Abend draufgeklebt hat, bis runter zu meinem Penis, welcher bei ihrem Anblick hart wird. Mit einem kleinen Grinsen auf den Lippen, steige ich in die Duschkabine und sage zu Kira: „Komm“, als Zeichen, dass sie nachkommen soll.

Schnell geht sie in Dusche, schließt die Kabinentür hinter sich und stellt sich direkt unter den Wasserstrahl. Sofort wird ihr leicht lockiges Haar nass, wobei die Wasserperlen an ihrer leicht gebräunten Haut hinunterrollen. „D…Darf ich dir den Rücke einseifen?“, frage ich sie und kann mir ein kleines, verlegendes stottern nicht verkneifen. Sie nickt, was ich als ja einstufe. Sie macht einen kleinen Schritt nach vorne und stellt sich genauso hin, wie ich es immer tue. Ihre Hände stemmt sie gegen die kalte Duschwand und streckt mir somit ihren Rücken entgegen.

Ich tue etwas von dem Shampoo auf die Hand, welches Kira mitgebracht hat und verteile es gleichmäßig auf ihren Rücken. Ihre Haut fühlt sich so weich an…, genauso wie letzte Nacht. Ich fahre vorsichtig an ihren Seiten entlang und sehe, wie sie wieder erschaudert. Gänsehaut bildet sich am ganzen Körper. Ich küsse von hinten ihren Hals und entfache somit ein leises stöhnen bei ihr. Sofort dreht sie sich um, schlingt ihre Arme um meinen Nacken und küsst mich. Meine Hände packen ihrem Po und heben sie hoch, damit Kira auch ihre Beine um mich schlingen kann. In dieser Position mache ich zwei Schritte nach vorne und drücke sie mit dem Rücken an die Duschwand, wo sie aufgrund der Kälte aufseufzt. Sie schiebt ihre Zunge in meine Mund, um mit meiner zu spielen und mich so, intensiver zu küssen. Dabei streift mein Penis an ihrer Öffnung vorbei, was sie noch mal zum stöhne bringt. Meine Lippen saugen an ihren Hals, was sie dazu bringt, ihre Hand in meine Haare zu vergraben.

Sie wimmert unter meinen Berührungen. „E…Elijah… i…ich…“, kommt es stückweise aus ihr heraus. Sie klammert sich noch fester an mich, bevor sie unter dem warmen Duschwasser, zum Orgasmus kommt. Es ist ihr dritter Höhepunkt innerhalb von zehn Stunden. „Ich liebe dich“, sagt sie an mein Hals und küsst mich. „Ich liebe dich Kira“, antworte ich in ihre strahlenden, lilafarbenen Augen, erwidere den Kuss und setze sie sanft wieder auf den Boden ab.

„D…Das… Das mal… w…was anderes“, höre ich sie schwer atmend sagen, als wir uns beide abtrocknen. „Fand ich auch“, kann ich nur antworten und schaue verlegen zur Seite. Das habe ich bis jetzt erst einmal gemacht. Uns zwar mit Stella. Doch damit kann sie dem hier, nicht einmal ansatzweise das Wasser reiche. Dieses Mädchen hier liebe ich und Stella habe ich nie geliebt, zumindest nicht so, wie es tut.

Nachdem ich mir frische Sachen anzog, öffne ich erst das Finster, um zu lüften, dann räumen wir gemeinsam den Duschraum aus und putzen im Anschluss unsere Zähne. Kira hat sich ein einfaches, weißes Shirt angezogen, wo drunter ich ihren schwarzen BH erkennen kann. Ihr nasses Haar hat sie zu einem Dutt hochgesteckt. „Bist du soweit?“, frage ich, da sie schon circa zehn Minuten vor dem Spiegel steht. Sie nickt, nimmt ihre Kulturtasche und folgt mir mit einem Grinsen auf mein Zimmer.

„Sind Lilly und Claire schon wach?“, frag ich Kira, schließe die Zimmertür hinter mir und gehe zum Kleiderschrank, wo ich meine dreckige Boxerhorts im Beutel verstaue, um sie von der sauberen zu trennen. „Als ich vorhin im Zimmer war, hat Claire noch geschlafen“, antwortet sie und kommt zu mir. Sie stellt sich direkt vor mich und legt ihre Hände auf meinen Oberkörper. „Und Lilly? Hat sie wieder bei deinem Bruder geschlafen?“ Diese Frage bringt sie zum Schmunzeln, was definitiv ein ja ist. „Wahrscheinlich“, sagt sie und legt ihren Kopf auf meiner Brust ab. „Willst du nochmal zu ihr rüber gehen?“, schlag ich vor. Meine Finger legen sich unter ihr Kinn und hebe somit ihren Kopf ein kleines Stück an, damit sie mich wieder ansehen muss. „Wäre wohl besser. Dann weiß sie, dass ich noch lebe“, scherzt sie und stellt sich auf Zehenspitze, um mich zu küssen. Ich kann mir ein zartes Kichern beim küssen nicht verkneifen. „Sehen wir uns dann unten?“, fragt sie gleich darauf und löst sich von mir. Ich nicke. „Ja“, dann gehe ich ihr noch einen federleichten Kuss auf die Stirn und sehe zu, wie ihre Sachen vom Tisch nimmt und mein Zimmer daraufhin verlässt.

Ein letztes Mal, lege ich mich auf das große, gemütliche Bett der Herberge. Auf diesem Bett durfte ich letzte Nacht unbeschreibliches fühlen. So etwas Unbeschreibliches habe ich noch nie gespürt. Ist Kira vielleicht die richtige? Doch als ich meine Augen noch für einen kurzen Augenblick schließen will, klopft es plötzlich an der Tür. „Ja?“, kommt es etwas genervt über meine Lippen. „Bist du schon wach?“, höre ich Jannes von draußen fragen. Mühsam roll ich mich auf die Seite, nehme mir meine Strickjacke vom Stuhl und gehe zur Tür. „Guten Morgen“, begrüße ich ihn, als ich die Tür aufmache. „Wollen wir zusammen runter gehen und frühstücken?“, fragt er gleich darauf und lächelt mit erfreut an. Meine Augen mustern ihn. Er trägt genauso wie ich, ein schlichtes, einfarbiges T-Shirt und eine kurze Hose, wo seine von der Sonne gebräunten Beine zur Geltung kommen „Gerne“, antworte ich und ziehe die Tür hinter mir zu.

Wir gehen die Holztreppe hinunter und stehen wenige Schritte später, im Speisesaal, welcher sich langsam mit Gästen füllt. Ein paar von ihnen erkenne ich vom Sehen her wieder, andere wiederum scheinen mir jedoch neu zu sein. Wie auch bei den anderen Malen zuvor, nehme ich mir als erstes eines der Tablette, bepacke zwei Teller mit Essen vom Büffet und stelle diese im Anschluss darauf, um alles besser tragen zu können. Diesmal fällt mir die Auswahl jedoch noch schwerer, da alles so verführerisch gutaussieht. Habe mich aber letztendlich für Rührei, mit Bacon und Mini-Würstchen entschieden, sodass alles für ein Kürbiskernbrötchen, mit Käse und Gurke.

Mit dem Tablett in der Hand, begebe ich mich wieder zum Außenbereich, wo bereits Jannes am hintersten Tisch sitzt und auf mich wartet. Ich setze mich ihm gegenüber hin und beiße direkt von meinem ersten Würstchen ab. Hier draußen an der frischen Luft ist es heute deutlich angenehmer, als im Speisesaal. „Hat Lilly wieder bei dir geschlafen?“, frag ich direkt nach und tunke das angebissene Stück in die Mayo, die ich am Tellerrand getan habe. „Was heißt denn schon wieder?“, witzelt er, was uns beide zum Lachen bringt. „Aber ja, das hat sie.“ Kaum hat er mit geantwortet, werde ich zurück zu letzter Nacht katapultiert. Allein schon der Gedanke daran, lässt mich wieder rot werden. Wie kann man nur so viel für jemanden empfinden?

„Ging es wieder heiß her?“, ziehe ich ihn auf und beiße von meinem Brötchen ab. Es ist noch etwas warm. So mag ich es am liebsten. „Elijah!“, faucht er mich an und läuft rot an. „Wer ging hier wo heiß her?“, kommt es plötzlich von Lilly, welche zusammen mit Kira und Claire zu uns kommt. Sie stellt das Tablett neben ihren Freund ab, umarmt diesen von hinten und drückt ihre Lippen zu einem Kuss auf dessen Wange. „Du gingst heiß er“, antwortet Jannes und erwidert ihren Kuss stattdessen auf ihre Lippen. Auch sie wird augenblicklich rot. „Du sollst doch nicht zu viel über unser Sexleben ausplaudern“, ermahnt sie ihn gespielt streng, wuschelt durch sein zerzaustes Haar, welches noch ein bisschen nass ist und setzt sich anschließend neben ihn. „Ich habe gefragt“, sag und bekenne mich schuldig. „Wie heiß ging es denn bei euch her?“, will Lilly nun selbst wissen und spießt sich ein Würstchen mit ihrer Gabel auf. Sie schaut dabei erst zu mir und dann zu Kira, welche sich rechts von mir gesetzt hat und nun ebenfalls rot wird. „Z…Ziemlich“, antwortet sie verlegen.

„Elijah?“, höre ich Herr Rosenbach auf einmal, welcher ein paar Meter an der Seite steht. Ich habe gar nicht gemerkt, wie er von unserem Tisch aufgestanden ist. Meine Freunde und ich haben auch dieses Frühstück im vollen Glanz genossen, ließen uns diesmal aber etwas mehr Zeit, da das unser letztes gemeinsames Frühstück in der Herberge war. „Hast du kurz ein paar Minuten für mich? Unter vier Augen…“ Ich nicke wortlos, stehe auf und gehe mit ihm etwas abseits von den anderen, damit diese in Ruhe abräumen können.

„Was gibt es denn?“, möchte ich wissen und werde schon jetzt ein wenig nervös. „Es findet morgen ein wichtiges Gespräch in der Einrichtung statt“, fängt er an und macht meine Nervosität damit nicht gerade besser. „Dort werden wir besprechen, wie es weitergeht.“ „W…Wie was weitergeht?“ Herr Rosenbach schaut mich mit leicht zusammengekniffenen Augen an, da die Sonnenstrahlen ihn ein wenig blenden. „Ob du bei uns in der Einrichtung bleiben darfst oder zurück zu deinem Dad musst“, erklärt er mir. Panik breitet sich binnen weniger Sekunden aus.

„I…Ich… Ich möchte nicht zurück…“, stottere ich auf einmal. Auch wenn ich meinen Dad liebe, möchte ich dennoch hier bei meinen Freunden bleiben. Zuhause wäre ich doch eh die meiste Zeit allein und zu meiner Tante möchte ich auch nicht, auch wenn sie eigentlich voll in Ordnung ist. „Das weiß ich doch“, beruhigt er mich sofort mit einem leichten schmunzeln auf den Lippen. „Du musst es nur im Gespräch sagen.“ Ich nicke und bin immer noch etwas unsicher. „Bin ich dort ganz allein?“, will ich wissen. Doch Herr Rosenbach schüttelt schnell seinen Kopf. „Um Gottes Willen nein. Herr Reuter und ich werden mit dabei sein“, versichert er mir und versucht mir damit endgültig meine Nervosität zu nehmen, was allerdings nicht ganz so gut gelingt. „I…Ich… Ich habe trotzdem ein wenig Angst“, gestehe ich. Was, wenn ich wirklich wieder zu meinem Vater muss? Keiner kann mir garantieren, dass wir nicht doch zurück nach Lakeshore ziehen. Was würde dann aus Kira und mir werden? Ich kann sie unmöglich hier allein zurücklassen. Allein daran zu denken, bereitet mir schon Kopfscherzen. „Das musst du nicht Elijah. Wirklich nicht.“ Je länger ich seiner Stimme zuhöre, desto angenehmer finde ich sie. Ein weiteres Detail welches mir auffällt, worin sich Jennifer noch verliebt haben könnte. „Wir beide haben bereits ein gutes Wort für dich eingelegt und die Sachbearbeiterin vom Jugendamt ist auch auf unserer Seite“, erfahre ich. „Das beruhigt mich dann doch schon ein wenig“, antworte ich mit einem kleinen Lächeln. „Gut. Ich bin wieder bei den anderen. Du solltest jetzt aber deine Tasche packen gehen“, sagt er zum Schluss in einem gespielten, strengen Ton und setzt sich zurück an den Tisch, wo er sich auch gleich seinem Frühstück widmet.

Oben im Flur angekommen, halte ich meine Schlüsselkarte vor die Tür, welche sich mit dem aufleuchten des kleinen grünes Lichtes öffnet. Ich trete ins Zimmer ein und schließe diese direkt wieder hinter mir. Dass die Ferienfahrt so schnell vorbei geht, hätte ich nicht gedacht. Dass ich mich dabei in ein Mädchen verliebe, hätte ich nicht gedacht. Dass sie sich dabei auch in mich verliebt, hätte ich nicht gedacht. In ihrer Nähe fühle ich mich wohl und ich glaube, dass daraus was wirklich Festes wird. Etwas, was hält. Was lange hält. Was ewig hält. Das ist meine erste Beziehung, seit ich nach Deutschland gezogen bin. Auch wenn mir Hannah das ein oder andere Mal bei meiner Krankheit half, weswegen wir uns küssten und so, reichte es dann doch nicht für etwas Festes. Aber wenn ich so darüber nachdenke, ist sie eine viel bessere beste Freundin, welche ich über alles liebhabe. Zählt man die Sache mit Stella nicht mit, dann war Luna meine letzte Freundin. Sie war aber auch meine erste.

Doch wo die Liebe ist, ist auch die Angst nicht weit entfernt. Und die Angst ist das, was sich gerade in mir aufbaut. Ich konnte es über einen längeren Zeitraum zurückhalten, doch jetzt wo ich Kira in mein Leben gelassen habe, kann ich es nicht mehr verhindern. Irgendwann muss ich es ihr sagen. Irgendwann wird sie von meiner Krankheit und dessen dunklen Seite erfahren. Ich habe Angst, sie dann dadurch zu verlieren. Doch wo die Angst ist, kann selbst die Hoffnung nicht weit entfernt sein, die sich als nächstes in mir ausbreitet. Hoffnung, dass auch Kira es so gut aufnimmt, wie meine anderen Freunde. Die, denen ich es damals am Flussufer, in Lakeshore erzählt habe. Die Liebe wird stärker sein, als jede dunkle Seite, die sich aufbaut.

Bevor ich noch tiefer in meine Gedanken abdrifte, stoße ich mich von der Zimmertür ab, an die ich mich die ganze Zeit über angelehnt habe. Dann stelle ich die Reisetasche aufs Bett ab und fange an, zu packen. Auch wenn ich mich wirklich freue, dass es wieder nach Hause geht, war das packen am Sonntag, beziehungsweise am Montag deutlich einfacher und ich wesentlich motivierter. Doch drum herum komme ich nicht. Denn ich möchte ungern meine Sachen, wovon ich welche teilweise neu gekauft habe, in der Herberge zurücklassen.

Nachdem ich meiner sehr optimistischen Meinung nach, alles soweit eingepackt habe, gehe ich zum großen Fenster hinüber und werfe einen letzten Blick hindurch. Dieser Ausblick ist einfach atemberaubend. Wenn man in meinem Zimmer, in Lakeshore steht und aus dem Fenster dort schaut, hat man nicht nur einen guten Blick über den gesamten Garten unseres Grundstückes, sondern auch auf den angrenzenden Wald, welcher sich fast um die ganze Stadt zieht. Doch auch mein Zimmer in der Einrichtung bietet einen tollen Blick. Wenn man sich ans Fenster stellt, kann man auf den Fluss schauen, welcher hinter dem Grundstück der Einrichtung entlang fließt. Vielleicht gibt es ja doch auch einen Steg, wo man sich hinsetzen kann. Wenn ja, dann würde ich mit Kira dort auf jeden Fall hingehen. Schon allein die Vorstellung daran, mit ihr dort zu sitzen, bereitet mir Schmetterlinge im Bauch zu.

Ich schließe das Fenster, nachdem ich noch ein paar Minuten die Aussicht auf den See genossen habe und gehe hinüber zum Nachttisch. Die Zeit am See war verdammt schön. Das sich Kira und ich uns dort näherkommen würden, hätte ich nie gedacht. Gerne würde ich noch einmal mit ihr dorthin, eine Runde schwimmen oder vielleicht das wiederholen, was dort geschah. Wieder werde ich rot.

Als ich im Anschluss das Ladekabel samt dem daran angeschlossenen Handy aus der Steckdose ziehe, bemerke ich die neue WhatsApp Nachricht auf meinem Display. Sie ist von Olivia, meines besten Freundin, was mir direkt ein Lächeln auf die Lippen zaubert.


Olivia: Ich sitze seit eben im Flieger. Wir landen gegen 20:00 Uhr. Freu mich so


Schreibt sie mir, womit mein Lächeln im Gesicht definitiv breiter wird, schon fast wie ein Honigkuchenpferd. Aber gleichzeitig frag ich mich auch, warum ich die Nachricht nicht mitbekommen habe. Doch dann fällt es mir wieder ein. Gestern Abend habe ich vergessen, mein Handy ans Ladekabel zu stecken, da ich nicht aufstehen wollte. Es war mit Kira in meinem Arm einfach viel zu gemütlich, um das zu zerstören. Dann muss sie aber diejenige gewesen sein, die es angesteckt hat.


Elijah: Das sind wirklich tolle Neuigkeiten. Ich hoffe, dass der Flug angenehm ist und freue mich ebenfalls schon. Claire und ich kommen dich dann abholen.


Dann stecke ich mein Handy in die Tasche meiner Jogginghose fallen und schaue noch mal nach, ob ich auch wirklich nichts vergessen habe. Aber weder in den Schubladen, noch im Kleiderschrank oder sonst wo habe ich etwas liegengelassen. Selbst meinen Rucksack ist für die Rückfahrt fertig gepackt. Und wenn das so ist, hält mich nichts mehr davon ab, dass Zimmer zu verlassen und zu den anderen zu gehen, welche bestimmt schon auf mich warten. Hoffentlich habe ich mir nicht zu viel Zeit gelassen.

Doch gerade als ich die Türklinge hinunterdrücken will, fällt mir plötzlich wieder ein, was ich doch noch im Raum vergessen habe. Oh Gott. Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, hätten die Putzkräfte es dort gefunden. Die können ja im nach hinein fragen, wer in diesem Zimmer übernachtet hat und das würde dann wiederum auf mich zurückfallen. Diese Information geht dann an Herr Reuter, dem ich das alles dann erklären müsste. Das will ich um jeden Preis verhindern und bin froh, mich wieder erinnert zu haben.

Deswegen gehe ich noch einmal zum Fenster, diesmal aber zu der Pflanze, welche in der linken, hinteren Ecke steht und stecke meine Hand in die Erde. Gleich darauf ziehe ich eine Plastiktüte heraus und atme erleichtert auf, auch wenn ich weiß, dass diese die ganze Zeit über dort war und niemand sie hätte wegnehmen können. Ich schüttle die noch daran klebende Blumenerde ab und hole die Schusswaffe heraus. Jannes gab sie mir beiläufig, nachdem es mir wieder besser ging und da ich so kurzfristig nicht ganz wusste, wohin damit, wickelte ich diese einfach in ein Tuch ein und versteckte sie dort. Es ist schon krass, was dieses Ding alles hätte anrichten können. Deswegen bin ich auch so froh, dass Mikas Hände so zitterten, wodurch es nur ein Streifschuss wurde.

„Bist du soweit?“, klopf es auf einmal an der Tür. Kira. Ich erschrecke mich so sehr, dass ich die Waffe gerade so auffangen kann, bevor sie auf den Fußboden fällt. Denn das hätte man selbst von außen gehört. „Ich komme gleich“, rufe ich antwortend und muss den Schreck erstmal verkraften. Schnell verstaue ich die Waffe, welche ich zurück in die durchsichtige Tüte stecke, ganz nach unten in die Tasche und mache den Reißverschluss zu. Wenn sie jetzt reingekommen wäre, hätte sie bestimmt sofort Panik bekommen und nachgefragt, was ich da mache. Sie hätte wahrscheinlich angefangen, mich zu beruhigen, da sie aus Reflex annimmt, ich würde mich erschießen. Doch ich würde die Waffe schnell weglegen und ihr glaubhaft versichern, dass diese von Mika und ist und nicht meine. Ihre würde augenblicklich ein Stein vom Herzen fallen, mich daraufhin fest umarmen und dann küssen.

„Hab alles“, sage ich, als ich die Tür hinter mir schließe. Aber als ich mich umdrehe, sind fast alle weg. Die einzige, welche sich gegen das Fensterbrett gelehnt hat, ist Kira. Als sie mich bemerkt, bildet sich sofort ein strahlendes Lächeln auf ihren Lippen. Sie steckt ihr Handy, aus welches sie bis eben geschaut hat in die Tasche ihrer Strickjacke und kommt auf mich zu, wo sie ihre Arme um mich legt und mich umarmt. „Was ist denn mit den anderen passiert?“, möchte ich wissen und lege meine Arme ebenfalls um ihren Körper. Ihr Haar riecht nach Kokos. „Die sind schon nach unten gegangen“, antwortet sie und vergräbt ihr Gesicht in mein schwarzes T-Shirt. „Habe ich wieder zu lange gebraucht?“ Kira kichert und schaut zu mir hoch. Ihre Augen funkeln. „Nicht so lange, um mich zu vergraulen“, scherzt sie, stellt sich auf Zehenspitzen und küsst mich. Meine Hände legen sich automatisch an ihre Taille, ziehen sie näher und lässt mich den zarten Kuss erwidern. „A…Aber wir müssen auch runter…“, murmelt zwischen meinen Lippen und tut sich schwer, sich wieder von mir zu lösen. „Wir müssen das wiederholen“, sagt sie leise und lässt dann auch meine Hände los. „Was meinst du?“, frag ich irritiert. „Letzte Nacht…“ Mehr muss sie nicht sagen, um zu bewirken, dass sich alles in mir beginnt, zu kribbeln. „W…Werden wir“, versichere ich und werde rot. Das Lächeln auf ihren Lippen wird breiter. Ich freue mich jetzt schon darauf.

Wir gehen gemeinsam die Holztreppe nach unten und gelange so in die Lobby, wo sich die anderen in die Lounge gesetzt haben, um auf mich zu warten. „Hast du deine Schlüsselkarte Elijah?“, werden wir von Herr Rosenbach abgefangen. „Ein Moment“, sag ich und stecke meine Hand in die Hosentasche. „Hier.“ Ich lege ihm die Karte in die Hand, welche er wortlos annimmt und zur Rezeption geht.

„Auch mal da“, witzelt meine Cousine und kann sich dabei auch ein Lachen nicht verkneifen. Mit sowas hab eigentlich ich sie früher immer aufgezogen. Aber jetzt dreht sie den Spieß anscheinend um. „Elijah hatte bestimmt wichtiges zu erledigen“, kommt es aus Lillys Ecke, welche zischen Kira und mir hin und her schaut. „Ich weiß nicht, wovon du redest“, antworte ich, setze meine Tasche auf den Boden ab und stelle mich zu Kira, wo ich sie von hinten umarme. Sie lehnt sich an mich und schließt seufzend die Augen. „Wir sind noch nicht dazu gekommen“, sagt sie, mit immer noch geschlossenen Augen und bringt damit alle von uns zum Schweigen. Damit hat sie selbst mich überrascht.

„Ich habe die Schlüssel“, werden wir kurz darauf unterbrochen. Es ist Mika, welche mit einem schwarzen T-Shirt, den gleichfarbigen Rock und einer Netzstrumpfhose, auf uns zu kommt. Das Outfit steht ihr ziemlich. In ihren Händen hält sie jeweils einen der beiden Autoschlüssel. Einen davon wirft sie mir zu, den ich direkt auffange und den anderen behält sie selbst. „Wir sollen schon mal einsteigen“, hängt sie noch rasch hinten an und nimmt ihre Tasche.

Mit dem Autoschlüssel in der Hand, schieße ich den kleinen Citroën auf, womit wir auch letztens schon gefahren sind. „Ist es für dich in Ordnung, wenn ich wieder vorne sitze?“, fragt mich Jannes, als wir daraufhin unser Gepäck im Kofferraum verstauen. „Wenn dir das lieber ist“, antworte ich und mache die Kofferraumtür wieder zu. „Ich bekomme bei längeren Fahrten hinten immer Bauchschmerzen und Übelkeit.“ Verständlich nicke ich. „Wenn du eine Tablette brauchst, sag Bescheid. Ich habe welche in meinem Rucksack.“ „Danke Elijah“, sagt er und macht die Beifahrertür auf. „Aber ich bin bestens ausgestattet.“ Dann setzt er sich ins Auto und macht die Autotür zu. Ich belasse es dabei und setze mich ebenfalls ins Auto, hinter den Fahrersitz. Dann hole ich Kopfhörer und Handy, stöpsle die beiden Enden in mein Ohr und starte Netflix. Da die Rückfahrt wieder ein paar Stunden beansprucht, entscheide ich mich für eine der Serien, die ich noch weiterschauen kann.

Elijah, Kira und das Geheimnis der MitbewohnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt