Kapitel 15 - Elijah

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Kapitel 15:

Elijah

So schnell ich kann, lauf ich die sieben Blocks zur Jugendstrafanstalt entlang. Ich gehe durch den Besuchereingang und lasse mich wie immer kontrolliere. Mir tun die Leute echt leid, die hier unschuldig sitzen müssen. Der junge, kräftige Beamte bringt mich in den Besucherraum. Bis auf einen Tisch mit zwei Stühlen und ein Trinkwasserspender, ist der Raum komplett leer.

Ein paar Minuten später öffnet sich die robuste Tür und der Beamte von eben, tritt mit einer weiblichen Person ein. Luna. „Was machst du denn hier Elijah?", ist das erste, was sie über ihre Lippen bringt. Sie sind aufgeplatzt und mit bereits getrocknetem Blut bedeckt. „Dich Besuchen. Ich muss gerade einen klaren Kopf bekommen. Es ist viel passiert. Eigentlich dachte ich, du würdest dich freuen." Sie setzt sich mir gegenüber an den Tisch. Ich sehe, dass ihre Fingerknöchel ebenfalls blutverkrustet sind. „Deine Hände. Was ist passiert?", möchte ich wissen und streiche vorsichtig über die Stelle. Luna hat es echt nicht gut hier. Ich muss mit ihr alleine sein, sonst bekomme ich kein Wort aus ihr heraus.

„Mr Butler? Haben sie etwas dagegen, uns alleine zu lassen?" Ich stehe kurz auf und gebe dem Wärter ein Bündel mit Geld. „500. So wie immer" Nickend steckt er das Geld ein und lässt uns alleine. Ich wusste, dass ich nicht drum herumkomme, weswegen ich auf dem Weg hierher, halt bei der Bank machte.

Ein Geschäftspartner meines Dad leitet die Jugendstrafanstalt. Es ist eine Art Familienunternehmen. Selbstverständlich hat er auch hier den Gebäudekomplex entworfen. Auch Mr Butler gehört zu dieser Familie. Er müsste meines Erachtens der Neffe vom Direktor sein. Ob er seinen Job überhaupt mag? Kann man so einen Job überhaupt mögen? Ich bin mir da nämlich nicht ganz so sicher.

Ich setze mich weder zu Luna an den Tisch und umfasse ihre Hände. „Und jetzt erzählst du mir, was passiert ist“, bitte ich sie, so nett wie möglich. „Wenn du mir versprichst, dass du mir danach ebenfalls erzählst, was mit dir ist Elijah“, stellt sie als Gegenforderung auf und sieht mir dabei tief in die Augen. Sie kennt mich einfach zu gut. Genauso wie Olivia. Neben ihr ist Luna ebenfalls meine beste Freundin.

„Du hast mein Wort. Aber du zuerst“, mache ich ihr klar. Sie nickt leicht. „I...Ich hab mich... geprügelt...“ Schon nach den ersten Worten weiten sich meine Augen. Sie würde sich niemals ohne Grund prügeln. Das hat sie nicht nötig. So eine ist sie nicht. „I...Ich wollte das nicht... Aber da sind ein paar andere Insassen, die mich anscheinend nicht leiden können. Du weißt, dass ich sowas nicht auf mir sitzen lassen kann.“ Das kann sie wirklich nicht. Ganz egal wie nett sie ist, wenn sie angegriffen wird, schlägt sie zurück. Aber den ersten Schlag wird sie nie machen. So naiv ist sie nicht. „Ich musste mich verteidigen“, versucht sie mir zu erklären und schaut mich die ganze Zeit an. In ihrem Blick liegt Reue. Ihr tut es leid, obwohl sie auf der anderen Seite weiß, dass ihr das nicht leidtun muss. Das macht Luna teilweise so wundervoll. Doch es geht ihr hier nicht gut. Mir sind aber die Hände gebunden.

„Kommt sowas öfters vor?“, frag ich sie. „Mindestens einmal in der Woche. Letztens waren es sogar dreimal. Liz, die hier sozusagen der Boss ist, hat versucht, mit einem Messer...“, doch dann verstummt sie und bricht in Tränen aus. Ohne zu zögern stehe ich auf, ziehe sie nach oben und nehme Luna dann in den Arm. Sofort klammert sie sich an meiner Strickjacke fest und vergräbt ihr Gesicht in mein T-Shirt. Es schmerzt sehr, sie in diesem zerbrechlichen Zustand zu sehen.

„I...Ich kann das nicht mehr Elijah. Ich will hier raus…“, schluchzt sie leise, aber dennoch hörbar an meiner Brust und krallt sich fester. Ich streiche ihr sanft über den Rücken und merke, dass sie anfängt zu zittern. Ihr Griff verstärkt sich, weswegen ich sie vorsichtig näher ziehe, sodass sie nicht weck kann. „Ganz ruhig Luna. Schau mich an“, sag ich zu ihr und drücke sie sachte von mir weck. Nur widerwillig löst sie den Griff von mir. Ich nehme ihr von Tränen übersätes Gesicht in die Hand, damit sie mich ansehen kann, um sich langsam zu beruhigen. „Schau mir in die Augen Luna“, bitte ich, was sie auch binnen weniger Sekunden tut. Erst weiten sie sich, aber dann beruhigen sich ihre blauen Augen Stück für Stück und auch ihre schwere Atmung wird wieder ruhiger. „Ich weiß, dass es dir hier echt scheiße geht. Das war mir bewusst. Und ich weiß auch, dass du unschuldig bist, daran habe ich nie gezweifelt. Aber mir sind weiterhin die Hände gebunden.“ Mir sind wirklich die Hände gebunden. Luna sitzt schon seit über einem Jahr hier fest. Davor saß sie schon in der Jugendstrafanstalt von Lakeshore. Doch ihre Tante Lauren, die Schwester ihrer Mum, welche Rechtsanwältin ist, hat es geschafft, sie nach hier zu verlegen. Das war ungefähr der Zeitraum, wo ich selbst hierhergezogen bin. Ich habe Luna nie darauf angesprochen, aber manchmal denke ich, dass sie das mit Absicht hat machen lassen. Zumal sie wusste, dass ich umziehe.

Elijah, Kira und das Geheimnis der MitbewohnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt