Ruriks Kopf dröhnte. Das Klappern der Kessel und Schüsseln drang bis in sein Zimmer und hallte in seinem Schädel wie ein Echo, das ihn für die Eskapaden der letzten Nacht bestrafen wollte. Er drehte sich um und deckte seinen Kopf mit dem Kissen zu.
„Rurik, du stinkender Hund!", rief seine Schwester aus der Stube. „Den halben Tag hast du schon verschwendet. Steh auf und mach dich nützlich!"
Er grummelte und setzte sich in seinem Bett auf. Sein Kopf wummerte und die Welt schaukelte vor seinen Augen. Der Schlaf hatte ihm den Rausch noch nicht ausgetrieben.
„Ich glaub', ich hab zu viel getrunk'n."
Salka schnaubte laut. „Oh ja, das hast du! Hast dich taub gezecht und nicht gemerkt, was für einen grossen Radau du veranstaltet hast, als du zurück nach Hause gekommen bist! Ich war ja besorgt, als du nach der Ankunft nicht vorbeikamst, um uns zu begrüssen, aber als du dann mitten in der Nacht das halbe Haus auf den Kopf gestellt hast, nur um aus deiner blöden Hose zu springen, da hab ich dich nach Hel gewünscht!", zeterte sie.
Rurik rieb sich die Schläfen und blinzelte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Das rote Tuch, das seine Kammer von der Wohnstube trennte, war zugezogen.
„Ich war laut?"
Er hievte sich aus dem Bett und wankelte in die Wohnstube. Das Tuch schob er zur Seite. Seine Schwester stand am Feuer und rührte mit der Kelle in einem Kessel herum.
„Lauter als Thors Hammer, der vom Himmel fällt", mischte sich Hjalmar ein. Der stämmige Bauer stand in der Tür und war soeben hereingekommen.
Rurik kratzte sich am Hinterkopf. „Das hab ich nich' gemerkt. 'Schuldigung", murmelte er.
Ein Lächeln huschte seiner Schwester über die Lippen. Ein breites Lächeln, das Rurik erwidern musste. Seit seiner Reise ins Frankenreich vor mehr als einem Vollmond hatte er sie und ihren Ehemann nicht mehr gesehen. Eine lange Zeit.
Er breitete seine Arme aus. „Kommt her und umarmt mich endlich!", sagte er.
Hjalmar lachte auf, kam näher und gab Rurik eine kräftige Umarmung, sodass dieser fast wieder sein Gleichgewicht verlor.
„Willkommen zuhause, Schwager", hörte er ihn sagen. „Schön, dich wieder hier zu haben!"
Salka trat nicht näher. Misstrauisch beäugte sie ihren Bruder. „Du stinkst fürchterlich!" Sie rümpfte ihre Nase. „Wenn du mir zu nahe kommst, dann erbreche ich mich gleich über das Mittagessen. Das wollt ihr sicher nicht."
„Jetzt komm her!", insistierte Rurik und ging grinsend und mit offenen Armen auf seine Schwester zu.
„Was machst du da! Nein! Geh weg!", kreischte Salka, doch sie fand keinen Ausweg.
Rurik trieb sie in die Ecke und zwang sie, ihn zu umarmen. Sie wehrte sich, indem sie ihn mit dem Tuch schlug, aber er ignorierte die Schläge und legte seine langen Arme um ihre Schultern. Sein Kopf lag in ihrem Nacken.
Sie verzerrte ihr Gesicht vor Ekel.
„Hab' euch zwei vermisst", murmelte er ihr in die Haare. „Dich und den Kleinen", fügte er hinzu und strich mit der Hand über ihren dicken Bauch.
„In Odins Namen, bitte wasch dich, Rurik", klagte sie, doch lachte sie dabei. „Dein Gestank ist unerträglich!" Sie stiess ihn von sich und wandte sich ihrem Mann zu. „Hjalmar, bitte bring ihn zum See. Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um das Mittagessen. Das Feld muss warten, Richard soll sich darum kümmern. Ja?"
Hjalmar nickte zustimmend und packte Rurik am Oberarm, um ihn aus dem Haus zu schleppen. „Bist du sicher, dass du das alleine schaffst? Denk daran, dass du den schweren Kessel nicht alleine heben solltest!"
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Plünderung
Historical FictionBand I Die junge Fränkin Aveline verliert an einem Tag alles: Ihr Zuhause und ihre Familie. Wikinger fallen über ihre Stadt her. Sie wird vom flinken Krieger Rurik entführt und ihrer Heimat entrissen. In einer fremden Welt kämpft sie um ihr Überlebe...