Ragnar Sigurdson sass in seiner grossen Kupferwanne und drehte die Perlen an seinem geflochtenen Bart zwischen den Fingerspitzen. Er murmelte gedankenverloren vor sich hin und nahm die Diener, die ihm die Badewanne mit Wasser füllten, gar nicht wahr.
Sachte leerte Luca seinen Kessel in die Wanne und begab sich mittlerweile schon zum fünften Mal nach draussen zum Brunnen, um den Behälter mit Wasser zu füllen und diesen dann wieder ans Feuer zu stellen, damit sich das eiskalte Grundwasser erwärmte. Die Wanne war gross, er und die anderen zwei Sklaven würden noch mehrfach in die eisige Kälte treten müssen, bis Ragnar zufrieden war.
Es war ein eisiger Wintermorgen in Vestervig. Schnee war noch keiner gefallen, aber der Boden war hart vom Frost und an den kahlen Ästen und Sträuchern wuchsen Eisblumen. Am Strand hatten sich erste Eisbrocken gebildet von Wellen, welche nicht rechtzeitig zurück ins Meer fliessen konnten, bevor sie gefroren. Die Natur hatte sich verkrochen, es schien alles stiller als sonst. Auch die Strassen und Gassen waren wie ausgestorben. Niemand hatte bei der Eiseskälte Lust, einen Schritt nach draussen zu wagen.
Luca lief über den zu Stein gewordenen Boden. Jeder Atemzug stach ihm in der Lunge und wenn er ausatmete, bildete sich ein sanfter Dunstnebel vor seinem Gesicht. Seine Lippen waren an den Rändern violett angelaufen. Mit hastigen Griffen band er das Brunnenseil an den Kessel, warf ihn in die Tiefe und hievte ihn mit kräftigen Zügen wieder zu sich hoch. Das eiskalte Wasser schwappte über und nässte sein Hemd.
Als er an den Pfählen mit den aufgespiessten Köpfen der Schweden vorbeilief, starrte er auf den Boden. Er ertrug den Anblick nicht. Schon seit zwei Vollmonden verrotteten die dreizehn Köpfe an den Pfahlspitzen. Es war ein Mahnmal für Vestervig — für das, was bei dem Angriff passiert war. Hauptsächlich jedoch war es eine Warnung für alle Feinde, die sich in die Nähe von Ragnars Stadt wagten. Man sollten sehen, dass Ragnar seine Sippe zu schützen wusste.
„Los. Macht schneller!", rief Durup den drei Sklaven zu. Er stand an der Eingangstür zu Ragnars Wohnhaus und trippelte ungeduldig mit dem Fuss.
Durup war Ragnars persönlicher Diener und schon seit Ewigkeiten im Dienst des Jarls. Man munkelte, dass er bei Ragnar einen solchen guten Stellenwert hatte, dass ihm dieser seine Essensreste manchmal gab. Ob das wirklich stimmte, wusste Luca nicht, aber er fand den Gedanken ekelhaft. Durup war stolz darauf, Ragnar dienen zu dürfen. Ganz anders als Luca, welcher es so hasste für diesen Verbrecher schuften zu müssen.
Luca eilte mit dem vollen Kessel an Durup vorbei. Hinter ihm die zwei anderen Sklaven. Sie zitterten vor Kälte.
„Ans Feuer. Näher!", befahl Durup und schob die Kessel in die Glut. Die Vorkammer, in welcher sie die Eimer aufheizten, war über einen Zugang direkt mit der Wohnstube verbunden.
„Das Wasser wird kalt! Verdammt nochmal!", rief Ragnar in die Vorkammer. Durup zuckte zusammen und trat in die Wohnstube, während sich Luca und die anderen zwei Sklaven am Feuer die Hände wärmten.
„Entschuldigung, mein Jarl", hörten sie Durup murmeln. „Der Frost der letzten Nacht hat das Brunnenwasser stark abgekühlt. Es dauert, bis es angenehm warm ist."
Ragnar nahm diese Information grummelnd zur Kenntnis. Dann kam Durup wieder in die Vorkammer und gab den Sklaven zu verstehen, dass sie ihre Kessel aus der Glut nehmen und sie in die Wanne giessen sollten. Luca hob seinen Eimer ächzend auf und trat in die Wohnstube.
Die Wanne hatte man in der Mitte des Raumes aufgestellt. Ragnar fläzte sich darin mit geschlossenen Lidern. Eine junge Frau mit schwarzen Haaren, die bis auf ihre goldene Taillenkette nichts trug, stand hinter ihm und massierte seine Schultern. Sie war vollbusig und kräftig gebaut. Zwei weitere nackte junge Frauen sassen links und rechts neben der Wanne.
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Plünderung
Ficción históricaBand I Die junge Fränkin Aveline verliert an einem Tag alles: Ihr Zuhause und ihre Familie. Wikinger fallen über ihre Stadt her. Sie wird vom flinken Krieger Rurik entführt und ihrer Heimat entrissen. In einer fremden Welt kämpft sie um ihr Überlebe...