Aveline wehrte sich nicht gegen seine Küsse. Sie konnte nicht. Ihr Körper gehorchte ihrem Kopf nicht mehr.
Seine Hände strichen ihr durch die Haare, übers Gesicht, wanderten ihren Hals hinunter, über ihr Schlüsselbein und dann ihre Taille entlang. Ihre Hände lagen auf seiner Brust und klammerten sich an seine Tunika. Sie zog ihn an sich heran. Es war, als ob ihr Körper sich nach seiner Nähe, nach seinem Schutz gesehnt hatte. Es fühlte sich so unglaublich richtig an und gleichzeitig so falsch.
Rurik löste seine Lippen von ihren. Sie standen Stirn an Stirn in der Ecke des Raumes und keuchten. Seine blauen Augen blickten sie gierig an.
„Bitte geh nicht", flüsterte er. „Bleib hier."
Avelines Herz pochte schnell.
„Rurik, ich—", wollte sie sagen, aber er unterbrach sie mit einem zweiten heissen Kuss.
Sie wollte ihn von sich stossen, aber sein grosser Körper drückte sie an die Wand. Sie spürte sein Verlangen, seine stürmischen Lippen, seine verführerischen Berührungen. Es war einfach zu schön, als dass sie hätte aufhören können. Sie stöhnte leise auf, als er ihren Hals küsste und sie von der Wand löste.
Sie taumelten zum leeren Tisch, auf welchen er sie hob. Er zwängte sich mit sanftem Druck zwischen ihre Beine und krallte seine Finger in ihren Hintern. Ihr Kleid schob es über ihre Knie und entblösste die zarte Innenseite ihrer Schenkel.
„Du bist unwiderstehlich schön", flüsterte er an ihre Lippen.
Aveline seufzte und löste sich von seinem gierigen Mund. Sie hielt seinen Kopf in ihren Händen und blickte ihm in die Augen. Ihr Gesicht glühte.
„Hast du Angst vor mir?", fragte er.
Sie schüttelte den Kopf und schob ihn vorsichtig von sich. „Nein."
„Du zitterst aber."
Er trat von ihr weg und strich sich durch die Haare, die von dem Gefummel durcheinander geraten waren. Sie blickten sich wortlos an. Aveline geschockt über das, was soeben geschehen war und Rurik beflügelt. Er atmete schwer, als hätte ihm das kleine Techtelmechtel gerade die ganze Kraft aus seinem Leib gesogen. Seine Augen wirkten dunkler, sein Ausdruck vor Lust getränkt.
„Überlege es dir", sagte er. „Vielleicht gibt es hier etwas, weswegen es sich lohnt, zu bleiben."
Mit der Hand fuhr er sich über die Stoppeln am Kinn, ein triumphierendes Lächeln zuckte an seinen Mundwinkeln. Dann drehte er sich um und ging in die feiernde Menschenmenge zurück.
Aveline blieb perplex auf dem Tisch sitzen und zog sich ihr Kleid wieder über die Knie. Ihr Herz pochte stark gegen ihre Rippen. Sie berührte ihre Lippen mit den Fingerspitzen.
Was war soeben geschehen?
Sie sprang vom Tischrand und strich sich die Haare zurecht. Das musste das viele Bier sein, redete sie sich ein. Noch nie hatte sie dermassen ihre Hemmungen verloren! Sie blickte um sich. Niemand in der Halle schien etwas gesehen zu haben, nicht einmal der betrunkene Kerl, der noch immer auf der Bank schnarchte.
Mit wackligen Beinen ging sie zurück an den Festtisch, an welchem die anderen heiter feierten. Keiner am Tisch hatte irgendwas gemerkt. Rurik sass bereits wieder neben Loki und grinste sie an, als sie sich setzte. Seine Augen glänzten vergnügt.
„Warst du nochmal tanzen?", fragte Salka, die den mittlerweile schlafenden Sveín auf ihrem Schoss trug.
„Nein. Warum?"
„Du hast ganz rote Bäckchen. Muss wohl die Hitze hier drin sein."
Aveline spürte, wie die Wärme in ihren Kopf stieg. Loki erklärte ihr, dass es einen Aussenbereich neben der Halle gäbe, den sie aufsuchen könne, wenn ihr hier drin zu heiss werde. Draussen werde auch gefeiert und Spiele würden gespielt. Das liess sich Aveline nicht ein zweites Mal sagen. Sie hielt es unter dem hungrigen Blick Ruriks nicht mehr aus. Sie brauchte eine Abkühlung und zwar schleunigst.
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Plünderung
Historical FictionBand I Die junge Fränkin Aveline verliert an einem Tag alles: Ihr Zuhause und ihre Familie. Wikinger fallen über ihre Stadt her. Sie wird vom flinken Krieger Rurik entführt und ihrer Heimat entrissen. In einer fremden Welt kämpft sie um ihr Überlebe...