Mit einem lauten Knall schlug die Tür des Arbeiterschuppens auf. Richard sprang erschrocken von seinem Bett und Aveline setzte sich kerzengerade auf.
„Hjalmar?"
„Die Pferde müssen gezügelt werden. Schnell!", donnerte dieser und verschwand aus der Tür.
Richard schlüpfte hastig in seine Hose. Aveline zog sich ihr dunkelbraunes Kleid über den Kopf.
„Was hat er denn?", wollte sie fragen, doch Richard eilte bereits hinaus zum Pferdestall, der etwas abseits hinter dem Wohnhaus lag.
Aveline folgte ihm, während sie sich im Lauf die Haare im Nacken zusammenband und die Müdigkeit aus dem Gesicht wischte. Die Pferde liefen ungezügelt auf der Weide herum, als Richard über den Zaun sprang und sich einem der Tiere näherte.
Die Stute schnaubte nervös, doch Richard sprach ihr mit tiefer Stimme gut zu. „Ruhig, ruhig", murmelte er auf Nordisch, dabei zog er die Worte in die Länge.
Die gefleckte Stute musste seine Stimme erkannt haben, denn sie kam mit hochgereckten Ohren auf ihn zu.
„Warum diese Hast so früh schon?", fragte Aveline hinter ihm.
Richard führte die Stute zum Stall und band ihr die Zügel um den Schopf. „Hjalmar will sich nicht verspäten", antwortete er.
Aveline runzelte die Stirn. „Verspäten? Wohin geht er denn?"
„Zum Thing", erwiderte Richard und klopfte dem Tier auf die Brust. „Holst du bitte Haski?"
„Zum was?" Aveline glaubte, sich verhört zu haben.
Richard schnaubte. „Jetzt ist nicht die Zeit, um Fragen zu stellen", meckerte er und deutete mit dem Daumen auf die Weide, auf welcher Ruriks Pferd stand. „Hol Haski und bereite ihn vor." Mehr sagte er nicht, sondern wandte sich den Hufen der Stute zu, die, zu seinem Erschrecken, arg verschlammt waren. Er liess er ein entnervtes Grollen hören.
Haski war Ruriks Pferd, was bedeutete, dass — wohin Hjalmar auch immer gehen wollte — Rurik ihn dorthin begleiten würde. Aveline lief über die Weide.
Von Weitem sah sie den schwarzen Hengst am Zaun entlanglaufen. Es war ein majestätisches Tier. Ein grosser Bursche, mit langem Schweif. Er wirkte aufgekratzt und das Donnern seiner mächtigen Schritte war über den Boden spürbar. Womöglich witterte er, dass sich seine Besitzer in Aufbruchstimmung befanden.
Seit ihrer Ankunft bei den Jarsons hatte es Aveline nicht geschafft, den wilden Hengst zu bändigen. Sie konnte nicht so gut mit Pferden. Richard hatte ein besseres Händchen für diese sensiblen Tiere.
Ruriks Hengst war besonders widerspenstig. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn überhaupt zu sich heranlocken konnte.
Mit fliessenden Schritten näherte sie sich dem Tier und versuchte, ihn mit ihrer Stimme zu besänftigen. Ihre Hände hielt sie leicht vor sich ausgestreckt, als wolle sie zeigen, dass sie keine Bedrohung darstellte. Haski stand seitlich am Zaun und peitschte mit dem Schweif, die Nüstern nach hinten gezogen und die Ohren angelegt.
„Shhh, alles gut", flüsterte Aveline auf Fränkisch.
Beim Klang der fremden Sprache zuckte Haski zusammen und galoppierte auf die andere Seite der Weide. Aveline fluchte laut, doch da hörte sie einen schrillen Pfiff hinter ihr und — wie auf Kommando — trabte Haski heran. Als sei nichts gewesen, näherte er sich seinem Besitzer.
Aveline drehte sich um und erkannte Rurik, der hinter ihr stand, die Hände in die Hüfte gestützt. Sie verwarf die Arme.
„Der hört mir nicht zu!", klagte sie.
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Plünderung
أدب تاريخيBand I Die junge Fränkin Aveline verliert an einem Tag alles: Ihr Zuhause und ihre Familie. Wikinger fallen über ihre Stadt her. Sie wird vom flinken Krieger Rurik entführt und ihrer Heimat entrissen. In einer fremden Welt kämpft sie um ihr Überlebe...