37 - Frühling

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Aveline stützte sich auf ihrem Gehstock ab. Ihre Fusssohlen schmerzten vom langen Stehen und so verlagerte sie das Gewicht von einem Bein aufs andere. Schon fünf Besucher waren aus der Stadt vorbeigekommen, weil ihnen zu Ohren gekommen war, dass eine Heilerin mit Wunderkräften bei Salka wohnte und ein Mittelchen für ihre Beschwerden haben könnte. Sie hatte bereits Salben für Hautausschläge und Gliederschmerzen verkauft und sogar einen Trunk gegen Magenbeschwerden.

„Noch mehr Kundschaft!", rief Salka und liess einen jungen Mann mit rostblonden Haaren in die Wohnstube.

Er trat herein und zog sich die schwarze Mütze von seinem Kopf. Fettige Strähnen hingen ihm ins Gesicht.

„Bist du die Heilerin?", fragte er und fummelte mit den Händen am Rand seiner Mütze.

Aveline nickte freundlich und bat ihn an den Esstisch. Salka setzte sich derweilen ans Feuer und schürte die Glut. Der Mann blickte nervös um sich.

„Wie kann ich dir behilflich sein?", suchte Aveline den Einstieg ins Gespräch.

„Sigvid. Ich heisse Sigvid", murmelte der junge Mann.

„Sigvid. Ich bin Aveline. Ich bin hier, um dir zu helfen. Aber du musst mir sagen, womit ich dir behilflich sein kann."

Er zögerte und blickte auf seine Finger. „Mir hat niemand gesagt, dass die Heilerin so schön ist. Das macht es schwieriger."

„Was ist schwierig?"

„Mein Problem zu erklären."

„Warum sollte das schwierig sein?"

„Weil du lachen könntest ...", nuschelte er.

Aveline setzte sich an die gegenüberliegende Seite des Tisches und faltete die Hände zusammen. 

„Sigvid", sagte sie mit mehr Nachdruck. „Ich bin eine Heilerin. Ich nehme die Beschwerden meiner Kundschaft ernst. Was für eine Heilerin wäre ich denn, wenn ich mich über dich lustig machen würde? Davon habe ich doch nichts. Bitte schäme dich nicht!"

Er blickte ihr unsicher in die Augen. „Also gut", begann er und presste seine Lippen zusammen, „ich habe einen Hautausschlag."

Aveline war erleichtert, dass ihr schüchterner Kunde endlich nachgab. Sie wollte schliesslich nicht über ihn urteilen, sondern nur herausfinden, ob sie ihm helfen konnte.

„Mit kleinen Pusteln auf der Haut kenne ich mich zur Genüge aus! Kannst du mir die Stelle zeigen, an welcher du den Ausschlag hast?", fragte sie, sehr darum bemüht, ihn nicht zu drängen.

Er schüttelte heftig den Kopf. „Nein! Das geht nicht!"

„Ich verstehe nicht."

Er blickte wieder nervös um sich. „Es juckt und beisst mich schon seit Tagen. Da unten", flüsterte er, als befürchtete er, dass Salka mithören könnte. Er deutete ihr mit einer Kopfbewegung an die Stelle, wo sich der Hautausschlag befand: Zwischen seinen Beinen.

Aveline machte grosse Augen. „Ah, verstehe. Entschuldige. Das musst du mir nicht zeigen. Aber ... ähm ... kannst du mir beschreiben, wie die Pusteln aussehen? Das würde mir helfen, dir die richtige Salbe zu geben", sagte sie etwas steif.

Der junge Mann beschrieb ihr die Eiterbläschen an seinem Genital so gut es ging, sodass Aveline ganz genau wusste, worum es sich handelte: Die Krätze. Ein juckender Hautausschlag, der sich am ganzen Körper ausbreiten konnte — harmlos, aber äusserst unangenehm.

Sie verkaufte dem schüchternen Mann eine Salbe, die er sich mehrmals pro Tag auf die Stellen reiben sollte und verschrieb ihm, sich gründlich zu waschen. Er bedankte sich mehrfach bei ihr. Die Erleichterung war ihm ins Gesicht geschrieben. Er litt wohl lange genug an der juckenden Hautkrankheit und sie hatte ihm soeben die Hoffnung gegeben, dass der Ausschlag verschwinden könnte.

PlünderungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt