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Hailey

Eigentlich hatte ich mir geschworen nie wieder auch nur einen Fuß in diese Stadt zu setzen. Aber LA war groß und mittlerweile waren auch einige Jahre vergangen. Trotzdem konnte ich das Kapitel Aiden nie ganz abschließen und der Grund dafür saß neben mir im Flugzeug und sah aufgeregt aus dem Fenster.

Meine zweijährige Tochter war ein aufgewecktes, freundliches Kind. Sie ging ohne scheu auf die Menschen zu und wickelte sie nach und nach um ihren Finger.

„Mommy schau." Zoey zeigte mit ihrem Finger auf das Fenster. Irgendetwas sah sie dort draußen. Ob es nun die Häuser waren oder etwas anderes konnte ich nicht genau bestimmen.

Zoey war das beste, was mir passieren konnte. Nie hätte ich erwartet das Aiden mich betrügen könnte. Erst recht nicht mit meiner besten Freundin. Doch dass ich meine kleine Prinzessin an meiner Seite hatte, war alles, was für mich zählte. Ihr Vater wusste nichts von ihrer Existenz und wenn es nach mir ginge, würde es auch so bleiben. Ich brauchte ihn nicht in unserem Leben.

Nachdem ich vor drei Jahren mein Haus fluchtartig verlassen hatte, fuhr ich mit dem Bus zum Flughafen und setzte mich in den nächsten Flieger nach Portland/ Oregon. Mitten in der Nacht stand ich verweint vor dem Haus meiner Tante und sie nahm mich ohne zu zögern auf. Sie hat mich während der Schwangerschaft großartig unterstützt und tut es noch bis heute.

Als Schwester meines Vaters hat sie mich immer auf dem Laufenden gehalten, denn wenn er mich besuchen kam vermieden wir es über Aiden zu reden. Durch Ramona wusste ich, dass er weiterhin in der Firma meines Vaters arbeitete, denn im Marketing war er unumstritten der Beste.

Mein Vater. Der Gedanke an ihn trieb mir wieder die Tränen in die Augen. Er war letzte Nacht allein in einem Krankenbett gestorben. Er rief mich am Morgen noch an und erzählte mir das es eine Routine Operation wäre und plötzlich war er nicht mehr da.

„Mommy?" Zoey forderte meine Aufmerksamkeit. „Wir fliegen schon lang. Wann sehen wir Grandpa?"
Mein Herz fühlte sich an als würde es in diesem Moment erneut brechen. Am  Morgen hatte ich ihr erklärt das Grandpa nun bei den Engeln im Himmel wohnt und von Oben auf uns aufpasst. Dabei hatte ich nicht bedacht, dass sie denken könnte wir fliegen in den Himmel, um ihn zu besuchen.

„Zoey dein Grandpa wohnt viel weiter oben im Himmel. So hoch kann das Flugzeug nicht fliegen. Aber wenn du winkst, dann sieht er es vielleicht", erklärte Ramona ihr, welche in der Reihe vor uns saß und sich zu uns umdrehte. Sie lächelte mir aufmuntern zu und Zoey schien mit ihrer Erklärung zufrieden sein. Diese drehte sich wieder dem Fenster zu und winkte den Wolken.

„Danke", flüsterte ich Ramona zu. Sie nickte mir aufmunternd zu und wandte sich wieder von Zoey und mir ab. Auch sie litt unter den Verlust ihres Bruders. Für meine Kleine wollten wir dennoch stark sein. Wenn Zoey älter wäre, würde sie es verstehen.

Eine halbe Stunde später landeten wir und als wir unser Gepäck vom Band nahmen, stiegen wir in ein Taxi und fuhren nach Malibu wo mein Vater zuletzt in einem Strandhaus lebte. Als wir dort ankamen, bemerkte ich, dass das Wort Haus eine Untertreibung war. Villa passte eher. In diesem Viertel waren die Reichen und Schönen per du und man kam nur an dem Portier, dessen Aufgabe es war die Gegend vor unerwünschten Besuchern zu schützen, nur unter Vorlage des Ausweises vorbei.

Ramona besaß einen Schlüssel zum Strandhaus und öffnete die Eingangstür. Sofort überkam mich der vertraute Geruch meines Vaters. Meine Tante legte ihren Arm um meine Schulter und wir versuchten uns gegenseitig Trost zu spenden.

„Du und Zoey könnt euch doch etwas im Haus umsehen. Ich mach uns in der Zeit etwas zu essen. Der Anwalt sollte in etwa einer Stunde hier sein." Ramona streichelte mir über den Rücken bevor sie sich in die Küche begab. Im Gegensatz zu mir und Zoey war sie bereits einige male hier zu Gast und kannte sich dementsprechend aus.

Ich trug meine Tochter in den Armen und sie kuschelte sich eng an mich. „Wollen wir nachsehen was oben ist?"

„Oh ja." Zoey war begeistert und stellte sie auf den Boden. Sofort trugen sie ihre kleinen Beine in Richtung Treppe und sie erklomm die ersten Stufen. „Komm Mommy", rief sie und rannte weiter nach oben.

Gemeinsam erkundeten wir die oberen Zimmer. Nur das Schlafzimmer konnte ich nicht betreten. Der Schmerz über den Verlust war noch zu frisch. In dem Atelier meines Vaters fanden wir einige unbenutzte Blätter und Stifte. Ich nahm die Dinge an mich und als wir wieder nach unten gingen und meine Tante in der Küche fanden, legte ich die Zeichenutensilien auf den Esstisch damit Zoey etwas malen konnte.

„Es ist schön hier", sprach ich zu Ramona die einige Sandwiches für uns vorbereitete. Mein Vater hatte schon immer Geschmack was die Einrichtung von Häusern anging. Er und meine Mutter trennten sich als ich zwei Jahre alt war und von da an gab es nur uns beide. Sie meldete sich nie und erst als Teenager hatte ich verstanden, dass sie schlicht kein Interesse an mir hatte. Doch das war in Ordnung. Immerhin hatte ich meinen Vater, der alles dafür tat, damit es mir gut ging.

Sie legte die fertigen Sandwiches auf eine Platte. „Du weißt doch, dass er nicht nur ein Händchen für Kleidung hatte. Dinge zu erschaffen, egal welcher Art, lag ihm einfach. Dich hat er immerhin auch sehr gut hinbekommen."

„Du machst mich verlegen."
Ramona nahm das Tablett und ging an mir vorbei zum Esstisch. „Das musst du nicht. Du bist eine tolle, aufregende Frau und ich versteh nicht, wieso du Männern ständig aus dem Weg gehst. Bemerkst du nicht wie sich dich ansehen oder ist es seinetwegen?"

Ich hatte keine Ahnung wie oft wir dieses Gespräch bereits geführt hatten. Ramona hatte schon einige Male versucht mich zu verkuppeln, doch ich konnte die Kandidaten immer erfolgreich abwimmeln. Ein Mann an meiner Seite kam nicht infrage. Meine Priorität lag einzig und allein auf Zoey.

„Tante Mona guck." Zoey hielt ein Blatt hoch. Sie ist am Ende der Kritzelphase und ihre ersten richtigen Kinderzeichnungen entstehen. Meist sind es Menschen, die nur einen Kopf haben. Aus diesem wachsen Arme und Beine und dennoch war ich auf jede einzelne Zeichnung unheimlich stolz.

Ramona begann laut zu lachen und zeigte mit ihrem Finger auf Zoey. „Mäuschen wie siehst du denn aus?"

Ich besah meine Tochter genauer. „Zoey... Baby habe ich dir nicht gesagt, dass du dich selber nicht bunt anmalen sollst?"

„Du malst dich auch an", erwiderte meine Kleine und verschränkte bockig ihre Arme.

„Ich bin aber such schon groß und nur große Mädchen dürfen sich anmalen." Zoey war schon immer fasziniert von meinem Make-up. Dieses versteckte ich immer vor ihr damit sie es nicht finden konnte. Nicht, dass es mir ums Make-up ginge, aber ich bekam meine Tochter danach nur sehr schwer wieder sauber und ich hörte jetzt schon ihr weinen, wenn ich sie später von der Farbe der Stifte befreien wollte. „Komm. Wir waschen uns die Hände und dann essen wir."

Zoey stieg vom Stuhl und sah mich durch ihre zusammen gekniffenen Augen an. „Ich bin ein großes Mädchen." Sie stampfte bockig mit ihrem Fuß auf den Boden und ich hielt mir meine Hand an die Schläfe. Ich hatte eigentlich gehofft, wir hätten die Trotzphase bereits hinter uns gelassen.

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