13

5.4K 221 9
                                    

Aiden

Eine Beerdigung ist für niemanden etwas Angenehmes. Für Hailey musste es eine noch größere emotionale Herausforderungen sein. Heute trug sie ihren Vater zu Grabe.

Zoey war im Kindergarten. Als wir uns am Dienstag in diesem vorgestellt hatten, wollte unsere Tochter gar nicht mehr weg. Hailey schien es schwer zu fallen, sie für einige Stunden dort zu lassen und auf der Fahrt in die Firma hatte sie es mir bestätigt. Sie waren immer zusammen und nun ging sie mit anderen Kindern in eine Gruppe, ohne jegliche Trennungsängste. Sie lachte uns an und meinte, dass wir sie später wieder abholen sollten.

Es war besser, dass sie heute nicht dabei war. Zoey war für ihr Alter zwar schon sehr weit, aber mit dem Tod wollten wir sie noch nicht konfrontieren. Sie sollte weiter glauben, dass Henry nun bei den Engeln lebte.

Die Zahl der Trauergäste war enorm hoch und doch hatte ich nur Augen für Hailey, welche die Hand ihrer Tante hielt. Sie hatten beide rote Augen, doch Hailey hielt ihre Tränen zurück.

Sie waren bereits einige Zeit vor Beginn der Trauerfeier anwesend um noch einmal still Abschied zu nehmen und dann die eintreffenden Trauergäste zu begrüßen.

Der Pastor begleitete die Trauerfeier und Hailey hielt eine Trauerrede, welche Henrys Leben rückblickend würdigte.

Abschließend verließ der Trauerzug die Kapelle und die Sargträger, gefolgt von den Trauergästen, folgten dem Pastor zur Beisetzung. Während des Gangs läuteten die Glocken, bis wir am Grab angekommen waren. Dort wurde noch ein Gebet gesprochen.

Hailey legte einen Brief auf den Sarg und beschwerte diesen mit etwas Erde. Ramona war die nächste und danach setzten sich alle in Bewegung. Nacheinander bedecken alle den, in die Erde gelassenen, Sarg mit Blumen und Erde. Sie sprachen Hailey und Ramona ihre Beileidsbekundungen aus und zogen sich dann zurück.

Im Anschluss gab es in seinem Haus in Malibu noch eine Gedenkfeier. Das komplette Untergeschoss war mit weißen Lilien geschmückt und überall standen Fotos von Henry. Die Leute unterhielten sich, nahmen Snacks zu sich oder schrieben in das Kondolenzbuch.

Ramona ging durch die Räume und unterhielt sich mit den Gästen, während ich Hailey schon seit längerer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Ich stand bei einigen meiner Kollegen und unterhielten uns, doch meine Augen suchten stehts nach Hailey. Wo war sie nur?

Irgendwann gesellte sich Ramona zu uns und unterhielt sich mit meinen Kollegen, welche ihr nochmals Beileid aussprachen.

„Sie ist schon einige Zeit oben und kam seitdem nicht mehr herunter", flüsterte sie mir ins Ohr und machte eine Kopfbewegung in Richtung Treppe. „Ich kümmere mich um alles und hole Zoey nachher ab. Geh du und seh nach ihr."

„Danke." Ich stieg einfach über die Absperrung an der Treppe, welche verhindern sollte, dass ungebetene Gäste sich oben umsehen konnten und erklomm die Stufen.

Oben angekommen brauchte ich einen kurzen Moment. Ich war zwar einige Male Gast in diesem Haus, doch hier oben war ich erst einmal. Zoey schlief bereits und Hailey ließ mich zu ihr, damit ich mich von ihr verabschieden konnte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht einmal mitbekommen hat, dass ich bei ihr war.

Zoey ist nun meine Erbin. Ich hatte in Absprache mit Hailey entschieden, dass alle unsere Vermögenswerte an Zoey gehen würden. Wir beide hatten mehr als genug Geld, doch durch unsere Ehe würde stets der jeweils andere Erben, sollten keine Vorkehrungen getroffen worden sein.

Es waren eine Menge Dokumente zum Unterschreiben. Verzichtserklärung, Testamente, Grundbucheinträge. Ich wusste nicht, wo mir der Kopf stand, doch Mister Anderson verstand sein Handwerk. Es wurde nur einmal etwas lauter im Büro als wir auf das Aufenthaltsrecht zu sprechen kamen.

Hailey unterstellte mir, dass ich ihr Zoey wegnehmen würde. Ich warf ihr an den Kopf, dass sie mir meine Tochter vorenthielt und seitdem redeten wir kein Wort mehr miteinander. Zoey, welche ich täglich sah, bemerkte bereits, dass wir Streit hatten und forderte, dass wir uns vertagen sollten. Immerhin forderten die Erzieherinnen im Kindergarten dasselbe von den anderen Kindern, wenn sie stritten.

Trotz unseres Streits machte ich mir Sorgen um Hailey. So wie Zoey nur ihre Mutter hatte, hatte Hailey nur Henry.

Ich hörte ihr wimmern aus einen der Räume und mich überkam ein Schmerz, welcher nur schlecht an ihren heranreichen konnte. Leise öffnete ich die Tür, hinter welcher ich das Weinen hörte und sah kurz darauf Hailey auf einem Bett sitzen.

Vorsichtig trat ich an sie heran und setzte mich zu ihr auf das Bett. „Hailey." Meine Stimme war nur ein Flüstern, doch den Anschein nach, reichte es aus um sie noch stärker weinen zu lassen.

Ich schloss sie in meine Arme und streichelte ihren Rücken. „Henry wäre sehr stolz auf deine Trauerrede gewesen", flüsterte ich ihr irgendwann ins Ohr und tatsächlich entwich ihr ein kurzes Lachen.

Wir saßen eine Weile zusammen. Niemand von uns Sprach und ich versuchte ihr irgendwie Kraft zu geben.

„Ich sollte wieder zu den Gästen gehen." Hailey versuchte aufzustehen, doch ich hielt sie zurück.

„Ramona kümmert sich um alles. Sie holt nachher Zoey aus dem Kindergarten", versuchte ich sie zurückzuhalten. „Du solltest dich hinlegen und etwas ausruhen."

„Ich habe das Gefühl, dass mir alles aus den Händen gleitet. Dass es Zuviel für mich ist." Erneut begann sie zu weinen. Diesmal stärker als zuvor.

„Zieh dich aus", forderte ich.

„Was?"

„Zieh dich aus. Also zieh dir etwas Bequemes an und dann leg dich hin. Ich bin gleich wieder da."

Hailey war sichtlich verwirrt, doch ich hatte einen Plan. Ich schloss die Tür hinter mir, lief die Treppe herunter und verließ das Haus. Aus meinem Auto nahm ich meinen Laptop und ging zurück.

Als ich nach wenigen Minuten wieder bei ihr ankam, saß sie in Jogginghose und T-Shirt auf dem Bett. „Was hast du vor?"

Meinen Laptop legte ich auf ihren Schoß. „Du kannst ihn schon mal hochfahren." Ich zog die Vorhänge leicht zu und begann mich zu entkleiden.

„Aiden!" Ihre Warnung verstand ich allein schon anhand ihrer Stimmlage.

„Keine Panik." Ich lächelte ihr zu. „Ich muss mich erstmal an ein Kind gewöhnen, darum werde ich dir vorerst kein zweites machen."

Sie sah mich entsetzt an, sagte jedoch nichts, als ich mich in Unterhemd und Boxershorts zu ihr setzte. Mit einer Hand hob ich den Laptop an, mit der anderen legte ich die Tagesdecke über uns aus. „Entspann dich."

Während ich nach einer ganz bestimmten Datei suchte, sah Hailey mich weiterhin skeptisch an. „Aiden, egal was du vorhast. Lass es."

Ich fand die gesuchte Datei, öffnete diese und lehnte mich nach hinten an das Kopfteil. „Sei jetzt endlich Still." Ich zog sie an mich, dirigierte ihren Kopf an meine Brust und streichelte ihr über diesen.

Obwohl ich mir vornahm, nie wieder diesen Film zu sehen, war es genau das, was Hailey brauchte. Vom Winde verweht begann und ich spürte wie Hailey ihren Widerstand aufgab. Sie platzierte eine Hand auf meinem Oberkörper und flüsterte ein leises Danke.

Allein das war es mir wert, sie war es wert, diese vierstündige Qual zu erleiden.

Someone you lovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt