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Hailey

„Mommy komm."

Zoey lief den Wellen entgegen und ich hatte meine Mühe hinter ihr herzukommen. Sie war kaum zu bremsen und lief mit Wilfried, in welchen sie sich sofort verliebt hatte, immer weiter.

„Zoey warte", rief ich und beeilte mich, um zu ihr aufzuschließen. Bei ihr angekommen, ging ich vor ihr in die Hocke. „Du sollst doch nicht weglaufen."

„Ich bin nicht weggelaufen. Wil und ich sind vorgelaufen, weil du so langsam bist." Sie tatschte mit ihrer kleinen Hand auf dem Kopf des Hundes, welcher meiner Tochter nicht von der Seite wich. Bei ihnen war es anscheinend Liebe auf den ersten Blick.

Ganz so wie bei ihrem Vater und mir. Aiden besaß meine Gedanken und mein Herz vom ersten Augenblick.

Mona war im Haus geblieben, um sich eine Pause zu gönnen. Diese hatte sie sich aber auch redlich verdient. Sie musste ihren eigenen Gedanken nachgehen, denn auch sie litt unter den neuen Erkenntnissen.

Konnte es wirklich sein, dass jemand meinen Vater Blutverdünner verabreichte und er deshalb auf dem Operationstisch verblutete?

„Mommy komm jetzt." Meine Tochter war schon wieder zehn Schritte vor mir und kurz davor das Wasser zu erreichen.

„Baby du musst dir zuerst die Schuhe ausziehen", rief ich ihr zu. Definitiv würden wir nicht hier wohnen bleiben. Diese Nähe zum Meer trieb mir Schweißperlen ins Gesicht und ich hätte diese ständige Angst, dass mein Kind ertrinken könnte.

Aber wollte ich es denn überhaupt? In LA leben? Natürlich war es meine Heimat und die Stadt kam mir so vertraut vor, doch wie zu Hause fühlte es sich nicht an. Zumindest im Moment.

Trotzdem würde ich einige Zeit hier verbringen müssen. Das hieß auch, dass ich einen Kindergartenplatz für Zoey finden müsste, aber vorerst bräuchte ich eine Wohnung. In dem Haus hier in Miami könnte ich nicht wohnen. Es erinnerte mich zu sehr an Dad. Das Haus in Downtown wurde von Aiden bewohnt, außerdem würde ich es eher abbrennen, als einen Fuß darin zu setzen.

Calabasas vielleicht. Die Siedlung lag etwas außerhalb von LA und hatte seinen ganz eigenen Charme. Ich müsste mir heute Abend, wenn Zoey schlief, die Unterlagen dazu einmal genauer ansehen.

Ich setzte mich in den Sand und beobachtete Zoey und ihren neuen pelzigen Freund wie die beiden vor den Wellen davonliefen. Zog sich das Meer zurück, liefen sie den Wellen hinterher und sobald es ihnen wieder näher kam, liefen sie weg.

Natürlich hatte mein Baby ihre Schuhe nicht ausgezogen. Sollte sie Blasen an den Füßen bekommen, wäre das Drama vorprogrammiert.

Dass meine Gedanken wieder zu meinem Vater schweiften, konnte ich nicht verhindern. Er war oft mit mir am Meer und ich genoss es seine volle Aufmerksamkeit zu besitzen und ihn einmal nicht mit SummerStyles teilen zu müssen.

Ein Blick auf meine Armbanduhr ließ mich erahnen, dass die Officer des Police Department vermutlich gerade jene Firma auf den Kopf stellten. Die Officer hatten vorhin um mein Einverständnis gebeten, die Räume genauer Untersuchen zu dürfen und Mister Anderson hatte sich bereiterklärt, die Arbeit der Beamten genauestens zu beobachten. Er würde mich kontaktieren, sobald es Neuigkeiten gab.

Während ich meine Tochter weiter beobachtete, versuchte ich in meinen Kopf die Worte zu finden, mit welchen ich die Mitarbeiter über den weiteren Verlauf von SummerStyles informieren würde. Ein Verkauf kam für mich nicht infrage, aber vielleicht würde sich ja ein Geschäftsführer finden. Dieser könnte die Firma in meinem Interesse führen.
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Ich saß an meinem Laptop und versuchte noch immer Worte zu finden, um den Mitarbeitern Trauer zu nehmen, Trost zu spenden und ihnen die Angst vor einer, für sie, ungewissen Zukunft zu nehmen.

Nachdem ich Zoey ins Bett gebracht hatte, in welchem nun übrigens auch der Hund schläft, sahen Ramona und ich uns das Exposé zum Haus in Calabasas an.

Es war riesig. Mit insgesamt 9000 Quadratmetern befand sich die komplett renovierte und privat gelegene Villa in der exklusiven Enklave The Oaks.

Die Oaks-Gemeinschaft war bekannt dafür, ihren Bewohnern eine exklusive Privatsphäre zu bieten und diese so vor neugierigen Blicken zu schützen. Die erst kürzlich renovierte Immobilie war eines von nur 16 Grundstücken in der bewachten Gemeinde und verfügte über einen einzigartigen Ausblick auf den Malibu Canyon, einen Pool und ein Spa, mehrere Außenbereiche sowie ein Gästehaus.

Das Herrenhaus war ein Traum. Aber was sollte ich mit sechs Schlafzimmern, sieben Badezimmern und einer Wohnfläche von 5000 Quadratmetern anfangen? Vermutlich würde ich Zoey beim Verstecken spielen mehrere Stunden suchen müssen.

Doch andererseits hatte ich eine Schwäche für Innendesign. Ich liebte es Dinge neu anzuordnen, zu dekorieren und Räumen leben einzuhauchen.

Durch die bewachte Wohnanlage müsste ich mir keine Sorgen um ungebetenen Besuch machen und Zoey könnte in einen hervorragenden Kindergarten gehen.

Ramona und ich redeten sehr lange über das Haus, bis ich mir selbst eingestehen musste, dass ich schon wie eine dieser superreichen Frauen klang, die nicht wussten was sie mit ihrem Geld anfangen sollten. Doch im Grunde war es nicht anders.

„Du hast eine große Menge Geld geerbt, also ist es nicht verwerflich, wenn du einen Bruchteil davon vor Inneneinrichtungen ausgibst", sagte Ramona, bevor sie sich verabschiedete und ins Bett ging.

Das war drei Stunden her und ich saß fast die gesamte Zeit vor diesem leeren Textdokument. Ohne auch nur ein Wort geschrieben zu haben.

Irgendwann stand ich auf und lief durch das Wohnzimmer. Ich sah mir die Fotos an den Wänden an. Die meisten waren von mir und Zoey. Es gab welche von Ramona und ihm als sie Kinder waren. Fotos von Prominenten, welche Roben von SummerStyles trugen und noch viele andere Erinnerungen.

Das wollte ich. Die Erinnerung an meinen Dad aufrechterhalten.

Ich setzte mich zurück an den Laptop und tippte, ohne groß nachzudenken, einfach darauf los.

Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kolleginnen und Kollegen -

Mein Vater war Zeit seines Lebens der Mode, deren Schöpfung und Entwicklung, verbunden. Als Designer und Geschäftsmann leitete er die Geschicke auf den großen Laufstegen der Welt. Für seine Leistungen erhielt er viele Auszeichnungen, aber auch Anerkennung, die ihm stets mehr bedeutete als jene Skulpturen, Titelblätter und Urkunden von denen er so viele angesammelt hatte.

Die Nachricht von seinem Tod hat uns alle tief getroffen. SummerStyles verdankt meinem Vater so unendlich viel. Seine vielfältigen Initiativen, seine kreativen Ideen, seine tatkräftige und persönliche Unterstützung haben uns über Jahrzehnte geprägt. Vor allem seine beeindruckende und sehr herzliche Persönlichkeit hat unsere Firma so unendlich bereichert. Sein Lebenswerk ist für uns so bedeutend, denn er hat Großartiges geleistet.

Er war die gute Seele und ich werde sein Andenken immer in Ehren bewahren. Henry Summer wird unvergesslich bleiben.

Als neue Geschäftsführerin ist es meine Pflicht, die Geschicke unseres Unternehmens, sowohl geschäftlich, als auch personell zur Zufriedenheit aller zu leiten. Mein Vater hat mich gelehrt, dass ein Geschäftsführer mit gutem Beispiel vorangehen muss. Ich setze hohe Maßstäbe an mich selbst.

Ich freue mich darauf Ihnen ab nächster Woche persönlich gegenüberzustehen und gemeinsam mit Ihnen durch Zuversicht und Vertrauen SummerStyles weiterleben zu lassen, denn wir können es und wir schaffen es!

Hailey

Someone you lovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt