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Aiden

Kaum hatte der Anwalt die Worte ausgesprochen, begann Hailey zu weinen. Ihr Körper bebte und sie verdeckte ihre Augen. Sofort überkam mich mein Beschützerinstinkt.

Schon früher konnte ich es nicht ertragen, Hailey weinen zu sehen. Doch damals lag es meist an schnulzigen Filmen, welche ich mir immer wieder mit ihr ansehen musste. Sollte ich noch einmal "Vom Winde verweht" sehen müssen, würde ich mir die Augen auskratzen.

Doch dieses Mal war es anders. Ich und unsere, noch immer existierende Ehe waren der Grund für ihre Tränen und ich wollte sie nicht weinen sehen. Nicht nach all den Jahren. Ich wollte, dass sie glücklich war.

„Ich glaube, Sie sollten nun gehen."

Mister Anderson verstand, dass seine Anwesenheit momentan nicht angebracht war und verließ nach einer kurzen Verabschiedung das Büro. Ich bezweifelte jedoch, dass Hailey davon etwas mitbekam.

Ihr zierlicher Körper bebte und nur schwer konnte ich mich zurückhalten, sie nicht in meine Arme zu nehmen. Für mich war es spätestens jetzt Gewiss, dass ich diese Frau, meine Frau, nach all der Zeit noch immer liebte.

Ich stand auf und suchte im Schreibtisch nach Taschentüchern, wurde aber nicht fündig. Also ging ich kurz nach draußen und fand welche auf Kylies Schreibtisch. Mit diesen in der Hand machte ich mich wieder auf den Weg zurück und ging, bei Hailey angekommen, vor ihr in die Hocke.

„Hier." Ich legte ihr die Packung auf den Schoß, bleib aber vor ihr hocken. „Es tut mir leid. Ich wusste nichts davon." Eine Zeit lang flüsterte ich ihr Entschuldigungen zu und hoffte, dass sie sich beruhigen würde.

„Mein Dad ist tot", schluchzte sie und begann stärker zu weinen.

Ich versuchte ihr die Zeit zu geben, welche sie brauchte. Nichts konnte ich sagen, dass ihr den Schmerz nehmen konnte. Also blieb ich vor ihr in der Hocke und hoffte, dass sie sich beruhigen würde. Es dauerte einige Minuten, ehe sie mich mit geschwollenen Augen ansah.

„Warum hat er das gemacht?", flüsterte sie.

„Ich weiß es nicht. Er wird sich irgendwas dabei gedacht haben. Doch was der Grund dafür war, kann ich dir nicht beantworten. Nur er kannte die Antwort darauf."

Henry war ein gewissenhafter Mann. Er vergaß nichts. Schon gar nicht hätte er vergessen, die Scheidungsunterlagen bei Gericht einzureichen. Er war es, der mich zur Unterschrift drängte. Warum also hat er die Papiere dann nicht eingereicht? Was konnte der Grund dafür sein?

„Wir könnten Mister Anderson fragen, ob er die Unterlagen für uns einreicht", bot ich ihr an. Doch mein eigener Vorschlag zerriss mich förmlich. Mein Schwiegervater wird sich etwas dabei gedacht haben.

„Denkst du, es würde funktionieren?"

„Die Unterlagen sind veraltet. Ich denke aber, wenn wir neue besorgen, sollte es kein Problem darstellen."

Unsere Unterhaltung verlief überraschend friedlich. Ich ging eigentlich davon aus, dass sie mich mit Dingen bewerfen würde, sollten wir uns Wiedersehen. Doch die Umstände waren anders, als in jeder meiner Vorstellungen. Immer wieder liefen ihr Tränen übers Gesicht.

„Bitte Hailey, hör auf zu weinen", bat ich sie. „Wir bekommen das schon hin."

„Warum hast du das gemacht?", fragte sie plötzlich und wusste im ersten Moment nicht so recht, worauf sie hinaus wollte. „Du hast alles kaputt gemacht."

Wieder einmal wurde mir schmerzlich Bewusst, was ich mit meinem unsagbar dummen Handeln verloren hatte. Nie wieder würde ich die Frau, welche ich mehr als alles andere liebte, in meinen Armen halten können.

„Ich weiß es nicht. Wirklich. Glaub mir Hailey. Was geschehen ist, ist geschehen und ich kann es nicht rückgängig machen. Egal wie sehr ich es mir wünsche."

„Erkläre es mir bitte." Sie schniefte und sah kurz zu mir, bevor sie ihren Blick wieder abwandte.

Kurz überlegte ich wo ich anfangen sollte. Doch dann sprudelten die Worte einfach aus mir heraus. „An dem Tag, als du zurückkamst, stand Khloé plötzlich vor der Tür. Ich dachte erst, dass sie nicht wusste, dass du auf der FashionWeek warst und darum hatte ich es ihr an der Tür noch erklärt. Mir ging es dreckig und ich wollte einfach nur meine Ruhe. Doch dann meinte sie, dass du sie darum gebeten hättest, nach mir zu sehen und sie hätte eine Hühnerbrühe für mich dabei. Daraufhin ließ ich sie hinein. Khloé erwärmte die Suppe und ich saß im Esszimmer. Ich habe die Brühe zu mir genommen und dann ist das nächste woran, ich mich erinnere, dass du aus dem Haus gelaufen bist."

Mir war bewusst, dass es wie eine billige Ausrede klang. Doch es war so. Ich hatte einen kompletten Black-out.

Hailey sah mich an und runzelte die Stirn. Entweder sie bezweifelte meine Aussage so stark, dass sie mich gleich schlagen würde oder aber sie machte sich dieselben Gedanken wie ich, seitdem dieser Ausrutscher geschehen ist.

Was hatte mich dazu getrieben, meine Frau mit ihrer besten Freundin zu betrügen?

„Darf ich dich noch etwas fragen?"

„Alles was du willst", antwortete ich.

„Seid ihr zusammen? Also du und Khloé?"

„Nein. Wir waren nie ein Paar und werden auch keines." Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich weiter sprach. „Sie hat es versucht. Aber ich konnte und wollte nicht. Mir kam nie der Gedanke, eine Beziehung mit ihr zu führen. Sie war nie die Frau, die ich wollte und diese Sache im Esszimmer war etwas Einmaliges."

Hailey sah abwechselnd in mein Gesicht und auf ihre Hände. Irgendetwas verbarg sie vor mir. Doch scheinbar wollte sie es mir nicht sagen.

„Sie hat mir damals einen Brief geschrieben. Dad hatte ihn mir einmal mitgebracht. In diesem stand, dass ihr beide glücklich wärt und es ihr leidtut, dass ich so von euch erfahren habe."

Dieses verfluchte Miststück! Ich habe schon immer geahnt, dass sie etwas im Schilde führt, aber damit ging sie zu weit.

„Das ist eine Lüge."

„Ich weiß." Erneut liefen Tränen über ihr wunderschönes Gesicht. „Dad hat mir gesagt, dass du mich suchst. Ich habe es ihm aber verboten, meinen Aufenthaltsort zu verraten. Er meinte auch, dass Khloé Hausverbot in der Firma bekommen hat. Sie muss dir zeitweise regelrecht aufgelauert haben."

„Ja", stimmte ich zu. „Es war nicht einfach. Du bist einfach verschwunden und ich wusste nicht wohin. Dein Dad zwang mich dazu, die Scheidungspapiere zu unterschreiben und Khloé war mir Tag und Nacht auf den Fersen." Vorsichtig legte ich meine Hände auf ihre. „Ich weiß, dass ich ganz großen Mist gebaut habe und es tut mir leid. Du warst stets der wichtigste Mensch in meinem Leben und ich hoffe, dass du mir irgendwann verzeihen kannst."

„Ich hab auch Mist gebaut", flüsterte sie und sah mich an. „Aiden ich..."

Bevor sie weiter sprechen konnte, wurde die Tür zum Büro aufgerissen und Zoey stürmte hinein. Doch ihr Lachen verschwand, als sie mich und Hailey erblickte.

„Du bist ein böser Onkel", rief sie aus und lief mit wütendem Blick auf mich zu. „Warum hast du Mommy zum Weinen gebracht?"

Perplex sah ich zu Hailey, welche Zoey auf ihren Schoß hob und flüsternd versuchte, zu beruhigen. Denn die kleine sah mich bitterböse an. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Was zur Hölle?"

Someone you lovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt