10

6K 213 12
                                    

Aiden

Sauer war gar kein Ausdruck für meinen momentanen Gemütszustand. Ich war nicht sauer. Ich war rasend vor Zorn. Wie konnte Hailey mir meine eigene Tochter verschweigen und vorenthalten?

Ich wusste, dass ich nicht ganz unschuldig an der Situation war. Doch was hatte sie sich dabei gedacht? Hatte ich denn kein Recht auf Zoey?

Die Fahrt nach Malibu schwiegen wir und als war ankamen, half Zoey mit dabei Wilfried aus dem Kofferraum zu lassen. Der Arme. Es gefiel ihm eindeutig nicht, dass er den kompletten Weg dort eingesperrt war.

Ganz selbstverständlich nahm Zoey meine Hand und ging mit mir und ihrem vierbeinigen Freund zur Haustür des Strandhauses. „Ich kann dir alles zeigen. Aber Mommy sagt, dass wir nicht hier wohnen bleiben."

„Nicht?" Ich war erstaunt. Wollte sie mir meine Tochter etwa weiterhin vorenthalten und mit ihr in einen anderen Bundesstaat ziehen? Ich sah nach hinten und erkannte, dass Hailey uns mit weitem Abstand folgte.

Sie wusste, dass wütend auf sie war. In all den Jahren unserer Beziehung hatten ihr nur einen großen Streit und der Grund dafür war genau derselbe wie der für unsere Trennung. Khloé. Sie hatte sich einige Wochen bei uns eingemietet und trieb mich mit ihrer permanenten Anwesenheit in den Wahnsinn. Hailey und ich hatten keinen ruhigen Moment für uns.

Nun, mit Zoey, wäre es nicht anders. Aber es war dennoch etwas komplett anderes. Ich würde ihr meine Welt zu Füßen legen und Hailey könnte mich nicht daran hindern. Denn trotz der Wut, welche ich auf meine Frau hatte, war in meinem Inneren noch etwas anderes.

Dankbarkeit. Dankbarkeit für dieses kleine Geschöpf, welchem sie das Leben geschenkt hatte. Andere Frauen hätten sich für eine Abtreibung entschieden. Doch Hailey hatte unsere Tochter auf die Welt gebracht, auch wenn mir die Umstände nicht ganz klar waren. Ich würde sie später danach fragen. Zuerst wollte ich die Zeit mit meiner Tochter genießen und deswegen musste ich die Wut in meinem Inneren unterdrücken.

„Mommy sagt, es ist zu gefährlich am Meer. Deswegen gucken wir uns morgen ein neues Haus an."

Hailey trat neben uns und schloss die Haustür auf. „Neben diesem Haus hier, hat Dad mir ein Haus in Calabasas hinterlassen. Ganz in der Nähe wäre ein Kindergarten für Zoey und die Wohnanlage ist bewacht. Hier habe ich ständig Angst, dass sie ins Meer läuft und von der Strömung erfasst wird."

Ich betrat hinter Hailey das Haus, in welchem ich Henry oft besuchen war. Meist, weil ich Unterschriften unter irgendwelchen Bestellungen oder Dokumenten benötigte. Aus der Küche drang Musik in unsere Richtung und während meine Frau sich ihre Schuhe auszog, nahm Zoey die Leine von Wilfried und rannte daraufhin mit ihm in die Küche.

„Einen kurzen Moment dachte ich, du würdest mit Zoey wieder verschwinden", teilte ich Hailey meine vorherige Vermutung mit.

„Ehrlich gesagt hatte ich während des Flugs hierher diesen Gedanken. Ich wollte jemanden suchen, der die Geschäfte in meinen Namen führen sollte. Doch als ich dieses Haus hier betrat habe ich alles über einen Haufen geworfen. Dad wäre nicht glücklich damit gewesen."

„Henry hätte dir die Hölle heiß gemacht, wenn du die Firma an jemand fremden gegeben hättest."

„Ich weiß."

„Ist Zoey meine Tochter?" Ich konnte die Frage, deren Antwort ich jedoch schon kannte, nicht länger vor mir herschieben.

Hailey nickte mir zu. „Ja", flüsterte sie und sah von mir in Richtung Küche. Aus dieser hörte man das Lachen unserer kleinen.

„Hattest du vor mir jemals von ihr zu erzählen?"

Sie wollte mir gerade antworten als Zoey lautstark nach uns rief. Hailey nickte mir zu und ging dann voran. Als ich hinter ihr die Küche betrat, lachte Ramona mich an.

„Sie hat mir schon erzählt, dass wir heute Besuch haben und dieser mit uns zu Abend isst." Ramona lächelte mich an. „Es freut mich, dass du hier bist Aiden. Danke, dass du meine Lieben nach Hause gefahren hast."

„Du brauchst dich nicht zu bedanken."

Ramona winkte mit ihrer Hand ab und bereitete weiter das Abendessen zu.

„Du kannst Zoey beim Decken des Tisches helfen", sprach Hailey und lächelte mich an. „Sie zeigt dir wo alles steht und erklärt dir haargenau wo du was hinstellen sollst."

Meine Tochter war eine kleine Perfektionistin. Hailey hatte nicht übertrieben und Zoey erklärte mir alles genauestens. Eine Art, die der ihres Großvaters erschreckend ähnlich war. Henry war ebenfalls ein Perfektionist und Zoey stand ihm in nichts nach.

„Wann besichtigt ihr das Haus in Calabasas?", fragte ich während des Essens.

„Morgen am Vormittag. Ein Vorteil daran sein eigener Boss zu sein. Ich kann mir die Zeit so legen wie ich möchte." Sie sah nicht zu mir während sie sprach, sondern lächelte unsere Tochter an.

Zoey fütterte nämlich heimlich den Hund unter dem Tisch und ging, mit ihrer naiven Art davon aus, dass niemand es bemerken würde.

„Ich kann euch fahren", bot ich ihr an.

„Solltest du nicht arbeiten?" Hailey sah mich mit hochgezogen Augenbrauen an.

„Ich bin in meiner Abteilung ebenfalls mein eigener Boss. Da sollte es kein Problem sein."

„Es wäre großartig, wenn du die beiden fahren würdest", meldete sich Ramona zu Wort. „Dann könnte ich bei meiner Hausbesichtigung anwesend sein."

„Welche Hausbesichtigung?", fragten Hailey und ich zeitgleich.

„Ich habe vor, dass Haus in Santa Barbara zu vermieten. Ich selbst würde nie darin wohnen und ihr zwei", sie zeigte auf Hailey und Zoey, „möchtet in Calabasas leben. Es wird also Zeit für mich nach Oregon zurückzukehren."

„Du lässt mich allein?" Hailey Rang um Fassung. Ich verstand nun, dass sie die letzten Jahre bei Ramona Unterschlupf gefunden hatte.

„Es wird Zeit. Ich liebe dich und unsere kleine Prinzessin, aber hier ist nicht mein Zuhause. Mein Leben ist in Portland. Ebenso mein Geschäft. Ich muss irgendwann zurück." Ramona lächelte. „Sobald Henry beerdigt wurde, werde ich nach Hause zurückkehren."

Während Hailey nickte, sah sie auf die Tischplatte und murmelte irgendetwas Zustimmendes. Diesen Freitag würde die Beerdigung stattfinden und Hailey gab, unabhängig davon, ob man zur Beerdigung erscheint oder nicht, dem kompletten Personal frei.

„Also fahre ich euch morgen früh nach Calabasas. Wann soll es losgehen?" Egal wie das Gespräch zwischen uns später verlaufen sollte, ich würde morgen Vormittag mit den einzigen beiden Frauen verbringen, welche mir etwas bedeuteten.

Es war deutlich spürbar, dass es ihr unangenehm war auf mich angewiesen zu sein. Doch auch sie achtete in Zoeys Gegenwart darauf, wie sie mit mir sprach. „Neun Uhr sollte passen. Die Fahrt dauert ungefähr eine halbe Stunde. Mister Anderson wird da sein und mir alles zeigen."

„Der Mann ist auch wirklich überall." Wenn er nicht schätzungsweise 50 Jahre älter als Hailey wäre, würde ich tatsächlich eifersüchtig auf diesen Mann sein.

„Es zählt eben zu seinen Aufgaben", sprach Hailey und langsam änderte sich die Atmosphäre zwischen uns.

Der friedliche Teil dieses Abends war definitiv vorbei. Sobald Zoey im Bett und Ramona sich zurückgezogen hatte, würde sie Situation zwischen uns eskalieren. Doch manchmal braucht es ein Gewitter, damit die Luft danach klar und rein ist.

Someone you lovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt