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Hailey

„Wir haben die Bänder gesichtet und würden gerne mit Ihnen über das Videomaterial reden. Wann könnten Sie ins Department kommen?"

Mit diesen Worten meldete sich ein Officer, als ich das Telefonat entgegennahm und wir vereinbarten einen Termin. Aiden würde mich begleiten, während Zoey im Kindergarten blieb.

„Wird Mister Anderson ebenfalls anwesend sein?", fragte Aiden während der Autofahrt.

Die Landschaft zog an uns vorbei und in meinen Gedanken war ich bereits bei den Videos und was darauf zu sehen war. Ich nahm Aiden, welcher mit mir sprach, kaum wahr und malte mir irgendwelche Horrorszenarien aus.

„Hailey!" Aidens Hand griff nach meiner und mit seiner Berührung holte mich aus meinen Gedanken. „Du hörst mir gar nicht zu."

Ich räusperte mich und sah auf unsere verschränkten Finger. „Entschuldigung. Mein Kopf ist einfach so voll."

„Alles wird gut. Wir hören uns an, was die Ermittlungen ergeben haben", sprach er mir Mut zu.

„Ich weiß nicht. Mister Anderson hat mich, kurz nachdem ich dich benachrichtigt habe, angerufen und gefragt, ob ich Anzeige erstatten möchte und damit einverstanden bin, dass ein Haftbefehl erlassen wird."

„Gegen wen?"

Ich schüttelte meinen Kopf. „Ich weiß nicht. Er meinte, die Zeit drängt und es wäre jetzt der optimale Zeitpunkt. Alles Weitere wird er uns erklären, wenn wir im Department eintreffen."

Einige Zeit später parkte Aiden den Wagen an der Straße und wir stiegen aus, um die wenigen Schritte zum Department zu laufen.

„Es wird Zeit, dass du dich wieder hinters Steuer setzt. Versteh mich nicht falsch, ich mag es wirklich, Zeit mit euch zu verbringen, aber fehlt dir denn nicht eine gewisse Unabhängigkeit?"

Aiden hielt meine Hand, während wir den Weg entlang liefen. Natürlich hatte er recht, aber ich konnte mich noch nicht dazu hindurchringen. Ich hatte einfach noch zu viel Angst. „Ich fühle mich noch nicht dazu bereit. Beim letzten Mal hätte ich fast Zoey verloren."

„Lass dich von mir nicht unter Druck setzen." Er gab mir einen Kuss auf meinen Handrücken. „Irgendwann kommt die Zeit. Spätestens, wenn Zoey alt genug ist und du sie von ihren Freundinnen abholen musst."

„Ich dachte, das machst du?" Ich wusste, was Aiden vorhatte. Er wollte mich ablenken und ein wenig Erfolg hatte er damit.

„Ich kann nicht immer von Downtown nach Calabasas oder in die anderen Stadtteile fahren. Ich wäre ja nur unterwegs."

„Wenn du von Calabasas aus losfahren würdest, wäre der Weg kürzer."

Er blieb stehen und sah mich überrascht, zeitgleich aber erfreut an. „Soll das etwa bedeuten?"

„Wir reden darüber, wenn wir das Gespräch im Department hinter uns gebracht haben." Doch mir war bereits bewusst, dass ich diesem Mann vollends verfallen war. Niemals würde ein anderer seinen Platz in meinem Herzen oder meinem Leben einnehmen können. Auch wenn seine Mutter vermutlich einen Tobsuchtsanfall bekäme, ich wollte ihn dauerhaft bei mir und unserer Tochter haben.
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Wenig später betraten wir das Departement und meldeten uns beim Empfang. Der Officer wies uns an, ihm zu folgen und brachte uns in einen separaten Raum, welcher spärlich eingerichtet war. Es gab einige Bildschirme, welche aber alle schwarz waren. In diesem erwarteten uns bereits Mister Anderson und Officer Taylor.

„Danke, dass Sie es so schnell einrichten konnten", sprach der Officer und reichte uns die Hand. „Bitte setzen Sie sich. Wir werden Ihnen gleich die Szenen zeigen, welche zum jetzigen Ermittlungsstand, zur Ergreifung der Täterin führten."

„Der Täterin?" Ich war erstaunt, dass es sich um eine Frau handelte. Aiden und ich setzten uns auf die freien Stühle neben meinem Anwalt und dem Officer mit Blickrichtung auf die Bildschirme.

„Es gibt eine Art Sprichwort, dass Gift das typische Instrument der Frauen sei." Mister Anderson nahm einen großzügigen Schluck aus dem Kaffeebecher, welchen er in der Hand hielt. Er sah aus, als hätte er die ganze Nacht hier gesessen und die Videos angesehen. „Der Staatsanwalt hat bereits Anklage erhoben. Ebenso hat er veranlasst, dass bis zum Prozessauftakt keine Haftentlassung, mithilfe einer Kaution möglich ist. Sie befindet sich mittlerweile auf den Weg in Untersuchungshaft und wird noch heute dem Haftrichter vorgeführt."

„Um wen handelt es sich denn?" Aiden war angespannt. Nicht weniger als ich, doch er zeigte es mehr.

„Sehen Sie es sich an." Officer Taylor zeigte auf einen der Bildschirme und startete das Videomaterial. „Wir haben es für Sie verkürzt. Somit müssen Sie sich nicht die ganzen Stunden ansehen, sondern nur das, was für Sie von Belang ist. Die Spurenermittler konnten bereits ausschließen, dass sich das Gift auf Gegenständen in ihrem Büro befanden. Also muss es durch Nahrung oder Getränke in Ihren Kreislauf gelangt sein."

Gebannt sah ich auf den Bildschirm. Unbewusst griff ich unter dem Tisch nach Aidens Hand, denn er gab mir die Kraft und den Halt, welche ich in diesem Moment benötigte. Das Erste, was ich sah, war ich selbst. Ich saß an meinem Schreibtisch und hielt meine dampfende Tasse in der Hand. Ich nahm einen Schluck daraus und stellte sie wieder zurück auf den Tisch. Die nächste Szene zeigte wieder mich erneut, wie ich aus der Tasse trank.

Was genau sollte mir damit gezeigt werden? Es gab viele solcher Szenen, aber ich erkannte keinen Zusammenhang. Nur das ich immer an meinem Schreibtisch saß und meinen Tee trank.

Ich sah zu Mister Anderson und er schien meine Frage zu verstehen, noch bevor ich sie gesprochen hatte. „Wir nehmen an, dass Ihnen das Gift durch den Tee verabreicht wurde. Wenn Sie sich alle Szenen, mit diesem Wissen, nochmal genau ansehen, fällt es Ihnen vielleicht auf."

Aiden drückte meine Hand und als ich meinen Blick zu ihm wandte, sah ich in sein entsetztes Gesicht. „Kylie!", rief er aus. „Es war Kylie!"

Es fühlte sich an, als hätte man mich geschlagen. Er hatte recht! Auf einigen Szenen erkannte man Kylie, welche mir meine Tasse reichte. „Sie hat meinen Tee vergiftet?"

„Du hast nie in der Firma gegessen, sondern warst immer in den umliegenden Restaurants oder hast dir eine Kleinigkeit geholt. Es kann nur der Tee gewesen sein."

Ich brach in Tränen aus. Alles prasselte auf mich ein. Meine Assistentin hatte mich vergiftet. Thalia war einige Male in meinem Büro und schwanger. Hätte sie von meinem Tee getrunken, hätte sie das Baby verlieren können. Zoey war ein paar mal mit in meinem Büro, doch zum Glück hatte ich immer ein separates Getränk für sie dabei. Meinem Dad wurden Blutverdünner verabreicht und er starb aufgrund dessen bei einer Routineoperation. Kylie hatte meinen Vater ermordet und dasselbe bei mir versucht. Warum nur?

„Miss Garver", begann Officer Taylor. „Ich muss Sie das fragen. Sind Sie damit einverstanden, dass wir ihre Büroräume und den Arbeitsplatz von Kylie Houston durch die Spurensicherung erneut untersuchen?"

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