Kapitel 12 - In Ohnmacht

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Kapitel 12 – In Ohnmacht

09. Mai, morgens, im Zaubereiministerium

Es war alles nach Plan verlaufen. Hermine war nicht aufgeregt und in der Gegenwart von McGonagall und Kingsley hatte sie ein Gefühl von Sicherheit, das sie noch nie bei einer waghalsigen Aktion verspürt hatte. Ihnen und Harry vertraute sie blind. Alle drei waren fähige Magier. Selbst Harry, der Jüngste im Bunde, war ein begnadeter Duellant. Seltsamerweise war es eine einfache Angelegenheit gewesen, in das Ministerium zu flohen. Sie waren über den Besuchereingang gekommen und hatten das Foyer durchquert, welches an diesem Tag besonders mit Ministeriumsangestellten gefüllt war. Diese gingen scheinbar ihrer Arbeit nach, doch Hermine konnte sich nicht erinnern, schon einmal solch volle Ministeriumsflure gesehen zu haben. Vielleicht war das Gebäude doch nicht so unbeobachtet, wie es auf den ersten Blick scheinen mag? Immer wieder bemerkte sie, wie sich Köpfe in ihre Richtung drehten und sie vermochte, die fremden Blicke in ihren Rücken zu spüren.

Neben ihr hielt Harry krampfhaft an seinem Zauberstab fest, zum Kampf bereit. Kingsley kannte das Gebäude wie seine Westentasche und hatte vorausschauend einen Desillusionierungszauber über den kleinen Trupp gelegt. Hermines Vorahnung, gerade in eine Falle zu tappen, verstärkte sich, als sie durch eine Tür zum Treppenhaus und damit durch einen Neutralisierungszauber schlichen. Verwirrt sahen sie sich um, doch niemand hatte von ihnen Notiz genommen. Regelmäßig, immer wenn sie eine Tür durchschritten, musste der Desillusionierungszauber erneuert werden. Kingsley beteuerte, dass dies letzte Woche noch nicht so gewesen war. Trotz allem erreichten sie das Büro des Ministers unbehelligt.

Die Vorzimmerdame bekam schnell einen Verwechslungszauber ab und glaubte, dringend neuen Kaffee holen zu müssen. In diesem Moment war Hermines Verdacht, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht, zur Sicherheit erwachsen. Warum war es so einfach? Sie hatte keine Todesser erwartet. Voldemorts Anhänger agierten immer noch aus dem Untergrund, obwohl sie seit Monaten das Ministerium in ihrer Hand hatten. Lieber begnügten sie sich damit, Thicknesse als Marionette einzusetzen, statt einen ranghohen Todesser zum Minister zu ernennen. Das Verschwinden ihres Herrn hatte an ihrer Vorgehensweise nichts geändert. Trotzdem hatte Hermine gedacht, das Büro leer vorzufinden, wenn sich schon niemand darum bemühte, es zu bewachen. Sie staunte, als Pius Thicknesse sie in seinem bemerkenswert prachtvollen und goldenen Büro begrüßte und dabei alles andere als erfreut aussah.

Er saß an einem schweren Schreibtisch aus Eichenholz, der mit einer leeren, doch wertvoll aussehenden Vase dekoriert war. An der Decke hing ein prunkvoller Kronleuchter. Hinter ihm konnte sie einen Kamin erspähen, der wahrscheinlich ans Flohnetzwerk angeschlossen war. Dies war eine leichte Möglichkeit der Flucht, auch wenn der Kamin mit einem Passwort gesichert war. Alles, was Thicknesse machen musste, war ein Hechtsprung nach hinten und schon wäre er außer Reichweite.

Doch Thicknesse dachte nicht an Rückzug, sondern sprang auf und schleuderte die Blumenvase, die auf seinen Tisch stand, in ihre Richtung. Reflexartig sprach Kingsley einen Protego, sodass die Vase am Boden in Einzelteile zersprang. Thicknesse nutzte die Schrecksekunde, die das Klirren des Porzellans auslöste und feuerte einen Fluch hinterher, der Hermine nur verfehlte, weil sie noch rechtzeitig von Harry zur Seite gezogen wurde.

„Pass auf dich auf!", sagten seine Augen, doch er musste die Warnung nicht aussprechen.

„Es war ein Fehler, hier aufzutauchen!", brüllte Thicknesse.

„Das werden wir noch sehen!", schrie Harry zurück und warf einen Fluch gegen den Minister. McGonagall gab ihm Rückendeckung und entsandte ebenfalls einen Zauber. Sie waren dem Minister bereits zahlenmäßig überlegen und auch im Duell hatte er ihnen keine gerissenen Zaubersprüche entgegenzusetzen. Einzig einen Schutzzauber, der stärker als gewöhnlich war und länger anhielt, hatte er heraufbeschwören können. Harry schaffte es so nicht, ihn zu entwaffnen. Auch Kingsleys, McGonagalls und ihre eigenen Sprüche prallten dagegen ab, ohne ins Wanken zu geraten. Nachdenklich biss sie in ihre Lippe. Ihre Gedanken schossen wild durcheinander. Thicknesses Schild war nicht umfassend, sondern eine gerade Linie. Wenn sie nur ein wenig mehr nach rechts weichen könnte, hätte sie die Möglichkeit, ihn in einen spitzen Winkel anzugreifen.

Moral und Wahnsinn - In der Gegenwart meiner FeindeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt