Kapitel 5 - Erwachen

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Kapitel 5 - Erwachen

I'm a runaway train on broken track

I'm a ticker on a bomb, you can't turn back this time

That's right

I got away with it all and I'm still alive

Meat Loaf - Alive


Die leise Musik schwebte förmlich zu seinem Ohr und kurz nach dem Aufwachen glaubte er, sich an einen Traum voll von Zügen und Bomben erinnern zu können. Ein Traum und er in feierlicher Stimmung wie ein Held oder Raufbold. Verrückt! Schon Sekunden später wurde ihm messerscharf klar, dass es lächerlich - ja gar lächerlich und krankhaft - wäre sich als einem von beiden zu sehen. Er war kein Held und erst recht kein Raufbold - das wäre eine pure Beleidigung für seinen außergewöhnlichen Intellekt. Die Musik hätte er abgeschaltet, wären da nicht die Schmerzen, die ihn zur bewegungsunfähig machte. Er war müde immer noch. Das machte die Musik erträglich, obwohl er sie in jeder wachen Sekunde schrecklich fand.

„Er ist wach!", drang es an sein Ohr, „Der Patient ist wach." Eine Frauenstimme, schreiend, aber nicht panisch, sondern routiniert. Ein Patient war er auch schon lange nicht mehr gewesen.

„Soll ich das Radio ausstellen?" Die Frau wartete nicht auf seine Antwort. „Werter Herr, bitte machen Sie das Radio aus." Es verstummte.

Er stöhnte - diese Schmerzen -, selbst der Unfall vor mehr als einer Dekade war nicht so scheußlich gewesen wie sein derzeitiger Zustand. Der Verlust seines Körpers durch seinen eigenen Todesfluch war ein glatter, sauberer Schnitt wie der eines Skalpells gewesen. Damals war seine gesamte Seele aus seiner körperlichen Hülle geschleudert worden. Seine Schmerzrezeptoren waren durchgedreht, doch der grandiose Schmerz war nach wenigen Minuten wieder abgeebbt. Das Gefühl des Verlusts und der Unförmigkeit waren die Dinge gewesen, die ihn dazu angetrieben haben, sich wieder einen neuen, begrenzten fleischlichen Körper zu suchen. Und die Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten, die sich im Besitz eines Körpers offenbarten.

„Hallo, Sie da, können Sie mich hören?", fragte dieselbe Frau, immer noch ein wenig routiniert.

Er nickte. Sein Nacken brannte, als hätte man ihn mit einer Paste aus Chilischoten eingerieben. Dieses Brennen breitete sich bis auf die linke Wange und auch an seiner Wirbelsäule entlang aus. Es kroch an beiden Armen entlang, an den Innenseiten der Arme, über die Handinnenflächen und erreichte sogar die Fingerkuppen. Zum Schmerz gesellte sich ein Gefühl... Er musste nach einem passenden Wort suchen... er fühlte sich beschwipst. Durch seine Augen nahm er keine Bilder, sondern nur helle und bunte, sich um sich herum schlingende und drehende Lichter wahr.

Er versuchte, einen Betäubungszauber gegen den Schmerz zu wirken, ohne Zauberstab, wie er es schon oft getan hatte, doch es verblieb alles, wie es gewesen war. Er war zu schwach, um zu zaubern, was wahrscheinlich daran lag, dass er gerade erst aufgewacht war.

„Bewegen Sie sich nicht", wurde er gewarnt. „Sie haben großes Glück, dass Sie überlebt haben. Es grenzt an ein Wunder. Jeder andere wäre wahrscheinlich an diesen Wunden verstorben."

Voldemort wusste, dass jeder andere auch keine Horkruxe hatte. Das hatte sich bereits ausgezahlt. Potter hatte also nicht geschafft, sämtliche Seelenstücke zu zerstören. Zum Glück hatte er nicht nur einen einzigen Horkrux hergestellt und war auch nicht so töricht gewesen, sich mit zweien zufriedenzugeben. Nein, er hatte eine Sammlung geschaffen, die seiner würdig war.

Doch nun wusste er nicht, wo er war und er hatte auch keine Ahnung, wo seine Widersacher waren und was sie gerade betrieben. Er war bewegungsunfähig und an ein Bett gefesselt. Sie, wer auch immer, konnte ungehindert agieren.

Moral und Wahnsinn - In der Gegenwart meiner FeindeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt