Zwanzig

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Zwei Wochen sind seit dem Hochzeitstag vergangen. Alec und ich haben uns fast jeden Tag gesehen, doch heute fängt mein Studium an und auch er muss wieder zur Uni. Glücklicherweise studieren wir beide in New York, können so bei unseren Eltern bleiben und uns trotzdem regelmäßig sehen. Lächelnd parke ich mein Auto. Durch das duale Studium bin ich längere Zeit im praktischen Bereich als im theoretischen, und so beginne ich heute mit meiner Arbeit im Jugendzentrum. Es wird von allen nur JuZ genannt, komischer Name für einen Ort, an dem Jugendliche sich ausleben können, aber es ist gut besucht und macht wirklich spaß hier.

Das Jugendzentrum in dem ich arbeite ist der schönste Ort der Welt. Wenn man es betritt steht man in einem riesigen Raum. Eine eingebaute Küche wird von einem Tresen vom restlichen Raum abgegrenzt. In einer Ecke stehen zwei Sofas und ein Fernseher mit mehreren Konsolen zum Zocken. In einer anderen Ecke stehen um einen Tisch herum mehrere Sessel und dahinter prangt ein riesiges Regal mit etlichen Brett- und Kartenspielen. Ein Biliardtisch, ein Tischkicker und ein Dartbrett gibt es hier auch. Alles was das Herz begehrt.

Angrenzend befindet sich ein großer Tanzraum mit einer Spiegelwand. Oft übe ich dort neue Choreos oder stelle welche zusammen, um sie meiner Gruppe zu präsentieren. Aber ich gebe auch den Kids hier unterricht und Tipps was das Tanzen angeht. Die meisten Kids die herkommen sind zwischen zwölf und sechzehn Jahre alt. Nur selten verirren sich Jüngere oder Ältere an diesen Ort. Aber das macht mir nichts. Ich liebe es mit Kindern beziehungsweise Jugendlichen zu arbeiten.

Ich wollte schon immer jemand sein, der sie beim Erwachsenwerden unterstützt. Ein Freund und Helfer. Jemand, dem sie Probleme anvertrauen können oder der sich mit ihnen über alltägliche oder besondere Dinge freuen kann. Der ihnen hilft, was beibringen kann und ein Vorbild ist. Ich liebe es unter Menschen zu sein und ich brauche es auch, um nicht in meiner Vergangenheit zu ertrinken. Dieser Ort hat mir in den letzten Jahren viel geholfen, mit Cat, meinen Eltern, dem Mobbing. Schon vor meinem Freiwilligen Jahr bin ich oft hergekommen. Ich habe Raphael hier kennen gelernt und viele neue Bekannte getroffen, die ich aber nur schwer als Freunde bezeichnen kann.

Doch am liebsten hier ist mir Luke. Er leitet das Zentrum und ist einer der liebsten Menschen die ich kenne. Und genau dieser kommt grade direkt auf mich zu, als ich an der Theke ankomme. "Magnus, mein liebster Tänzer.", lächelt er und zieht mich in eine herzliche Umarmung. Glücklich erwidere ich diese und sehe ihn dann an. "Wie geht es dir mein Schöner?", fragt er und ich muss sofort lächeln. Er ist ein toller Mensch, findet immer die richtigen Worte, weiß aber auch wann er schweigen muss. Die Tatsache, dass er mich 'Hübscher' nennt war am Anfang merkwürdig, doch es war ein liebevoller Spitzname.

Luke hat weder Kinder, noch Geschwister oder einen Menschen seiner Seite. Er sagt, die Kids die in seinen Laden kommen sind seine Kinder und er ist wie ein liebender Onkel für alle, weiß von jedem den Namen schon nach dem ersten Besuch und interessiert sich für jeden Menschen der hier reinkommt. Er liebt diesen Job, er lebt dafür. Schnell bringe ich meine Sachen nach hinten in meinen Spint, bevor ich mich wieder zu ihm in die Küche geselle. "Es ist viel passiert in den letzten Wochen.", fange ich an.

Ein wissendes Lächeln liegt auf seinen Lippen. "Wie heißt denn der Auserwählte?", fragt er neugierig. "Alexander.", seufze ich und stütze meinen Ellbogen auf die Theke um meinen Kopf in meine Hand zu betten. Lächelnd setzt er sich auf einen Barhocker neben mich und ich beginne ihm von meiner Geschichte mit Alec zu erzählen. Geduldig hört er mir zu bis ich geendet habe. "Klingt wie dein Traumprinz.", ist das erste was er dazu sagt. Lächelnd nicke ich. "Er ist einfach perfekt!", murmele ich.

Luke verabschiedet sich und gesellt sich zu ein paar Zwölfjährigen, die mit ihm Fifa zocken wollen. In Gedanken versunken räume ich den Küchenbereich etwas auf und denke an die letzten zwei Wochen. Alec und ich habe fast jeden Tag zusammen verbracht, waren entweder bei ihm oder bei mir. Wir waren aber auch oft Eis essen, sind im Centrelpark spazieren gegangen und waren einmal im Kino. Er wollte unbedingt 'After Truth' im Kino sehen. Also haben wir uns erst bei mir zuhause den ersten Teil angeschaut um dann direkt danach im Kino den zweiten zu gucken.

Eigentlich war der Film gut, nur ging mir die Handlung ziemlich schnell, das ist aber wohl normal wenn man Bücher verfilmt. Und auch, das diese ganze Beziehung von Tessa und Hardin auf Körperlichkeit aufgebaut ist. Es war gut umgesetzt, keine Frage, aber ich bin wohl zu romantisch dafür. Auch Alec war da meiner Meinung. Er könnte niemandem verzeihen, der mit ihm eine Beziehung eingeht ausgehend von einer Wette. Noch lange haben wir uns über den Film unterhalten und ich habe so viel über ihn erfahren.

Er ist eigentlich noch genauso wie früher. Er liebt Pizza, isst ungern Eintöpfe, er will Lehrer werden, er will eine Familie mit Haus haben und er vergöttert seine kleine Schwester. Er ist loyal zu seinen Freunden. Er hatte noch keine ernsthafte Beziehung. Aber was ich nicht weiß, will er eine Frau oder einen Mann an seiner Seite? Das ich bisexuell bin habe ich relativ schnell offen gelegt und er hat es wirklich gut aufgenommen, allerdings hat mir sein Blick gesagt, dass ihn etwas störte.

Auch haben wir über meine Erfahrungen geredet, dass ich noch nie etwas mit einem Mann hatte, weil ich dafür den Richtigen noch nicht getroffen habe und natürlich über meine Exfreundin Camille. Lange hat er sich über sie aufgeregt, wir sind auch nicht gut auseinander gegangen. Camille und ich waren fast zwei Jahre zusammen. Mit ihr hatte ich mein erstes Mal und ich dachte wirklich, es würde ewig halten. Allerdings war sie anstrengend, launisch. Sie hat nie über Probleme geredet und ist vor jedem Streit davongelaufen.

Irgendwann bin ich dann morgens aufgewacht und hatte mehrere Nachrichten von ihr, dass es vorbei sei und sie mich nicht mehr liebt. Wochen später erst habe ich rausgefunden, dass sie mich betrogen hat und sofort in einer neuen Beziehung war. Ihre Ausrede war, dass sie Sex wollte und ich ihr den nicht gegeben habe. Aber wieso soll ich mit ihr intim werden, wenn wir uns ansonsten nur streiten? Vor ein paar Wochen hat sie mit ihrem neuen Schluss gemacht und hängt mir seitdem am Arsch. Sie will mich zurück, sie liebt mich über alles, ich wäre die Liebe ihres Lebens und sie war so dumm mich gehen zu lassen.

Das Alec das scheiße findet kann ich verstehen, mich nervt es ja auch ungemein. Aber was soll ich tun? Ich ignoriere sie schon ständig und habe sie überall wo es geht blockiert, doch ständig hat sie eine neue Nummer, einen neuen Instagram Account oder ein neues Snapchat Profil. Das grenzt echt an Stalkin. Und wo wir grade bei Stalkin sind, da kommt die Königin höchstpersönlich. Das kann ja jetzt lustig werden...

If I see you againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt