Noah und ich verbringen eine lange Zeit im Diner und vergessen ganz die Welt um uns herum, sodass wir beide viel zu spät für unsere nächste Vorlesung dran sind. Bei Noah ist das kein allzu großes Problem, schließlich ist sein Professor cool drauf und macht keine Nummer daraus, wenn man sich mal verspätet, doch meine Professorin hat ein ernstes Problem, denn sie kann es sich nicht verkneifen, die Zuspätkommer fertig zu machen.Demnach bin ich auch nicht allzu überrascht, als sie versucht, mich während des Unterrichts mit bissigen Bemerkungen zu provozieren, doch zu meiner eigenen Überraschung beherrsche ich mich ziemlich gut, sodass ich es schaffe, nichts zu erwidern, was mich in eine noch kritischere Lage bringen könnte.
Ich bringe die Vorlesung also halbherzig über mich und packe meine Sachen erleichtert zusammen, als sich die Professorin nach einer halben Ewigkeit von uns verabschiedet.
"Lindsey!"
Ich drehe mich um und erkenne Miles, der mich zu sich winkt. Ich schnappe mir noch meinen Block, den ich in meinem Rucksack verschwinden lasse, ehe ich auf ihn zusteuere.
Miles schenkt mir ein unschuldiges Lächeln, doch als er meinen Gesichtsausdruck sieht, beginnt dieses zu bröckeln. Ich schnaube. "Du brauchst nicht so auf unschuldig tun, Noah hat mir erzählt, dass du dich bei ihm über meine Präsentation lustig gemacht hast. Dabei hast du mir versprochen, dass du ihm nichts sagst!"
Miles verzieht das Gesicht. "Sorry, eigentlich wollte ich wirklich nichts sagen, aber als ich aus dem nichts angefangen habe zu lachen, wollte Noah natürlich wissen, wieso, und ich dachte mir, es wäre nicht schlimm, wenn ich es ihm erzähle."
Ich verschränke die Arme vor der Brust und hebe eine Braue, während ich Miles betrachte. "Tja, dumm gedacht."
Miles seufzt. "Komm schon, Lindsey. Du hättest es ihm doch sowieso selbst gesagt, dann ist es doch nicht so schlimm, wenn ich ein bisschen Vorarbeit geleistet habe."
"Wer sagt, dass ich es ihm gesagt hätte?" Jetzt weiß Noah davon und wird sich ein Leben lang über mich lustig machen. Und wer weiß, wenn ich Pech habe, wird auch Clara davon mitbekommen. Und es wird sie sicher freuen, von so einem peinlichen Zwischenfall zu hören, der ihr niemals passiert wäre, weil sie eben so perfekt ist und ich ein lebender Tollpatsch auf zwei linken Beinen.
"Natürlich hättest du es ihm gesagt. Ihr habt keine Geheimnisse voreinander", bemerkt Miles überzeugt und geht dann los.
Doch das lasse ich nicht auf mir stehen. Hastig setzte ich mich in Bewegung und hole ihn ein. "Das wäre kein Geheimnis, ich hätte mir nur eine weitere Blamage erspart!", sage ich, während ich versuche, mit Miles großen Schritten mitzuhalten.
Macht er etwa extra schneller, um mich abzuwimmeln?
"Warum gehst du so schnell?", frage ich dann, weil ich langsam müde werde.
"Ich muss mich beeilen, Alisa wartet auf dem Campus auf mich", entgegnet er und ich nicke nur. Alisa ist das Mädchen, das er seit ein paar Wochen datet. Die beiden passen echt gut zusammen und Alisa ist wirklich süß.
"Sag das doch gleich. Jetzt bin ich ganz umsonst so früh am Morgen gerannt." Mit dieser Bemerkung und einem Lachen von Miles, verabschiede ich mich von ihm und sehe ihm dabei zu, wie er sich von mir entfernt.
Wieso haben eigentlich gefühlt alle Leute um mich herum einen Partner und ich bin mein ganzes Leben lang allein gewesen?
Nicht, dass es mich stört oder so, ich finde es einfach nur komisch.
Ich kann mir nicht weiter Gedanken darüber machen, da ich gerade als ich auf den Ausgang zusteuere und meinen Blick über den Campus schweifen lasse, innehalte. Ich erkenne von weitem Noah und Clara, die auf Eden einreden und gerade als ich auf sie zulaufen möchte, beendet Eden das Gespräch, als sie einfach so in meine Richtung gelaufen kommt.
Doch anstatt bei mir stehenzubleiben, läuft sie direkt an mir vorbei zurück ins Gebäude und bringt mich total verwirrt zum stillstehen. Clara und Noah kommen wie Eden zuvor in meine Richtung, und sobald ich Claras bedauernden Blick erkenne, fällt der Groschen.
"Habt ihr es ihr gesagt?", frage ich direkt an Noah gewandt und als er nur nickt und den Blick senkt, beginne ich zu fluchen. Warum haben sie denn nicht auf mich gewartet?
"Ich kümmere mich um sie", gebe ich den beiden Bescheid, bevor ich mich von ihnen abwende und zurück ins Gebäude verschwinde. Ich laufe zu den Mädchentoiletten und halte vor der einzigen verschlossenen Kabine inne.
"Eden, hey", beginne ich leise und versuche, besonders sanft zu klingen. "Willst du mir nicht aufmachen?"
"Nein", schluchzt sie, ehe sie nach Luft schnappt und ihre bebende Stimme unterdrückt. "Woher wusstest du überhaupt, dass ich hier bin?"
"Du bist gerade einfach an mir vorbeigelaufen, falls du das nicht bemerkt hast", scherze ich besonders blöd und seufze dann, als ich merke, dass die Lage ernst ist. Eden wollte dieses Stipendium wirklich. "Ich wollte genauso sehr wie du, dass du dieses Stipendium bekommst. Und du hättest es dir auch wirklich verdient, Eden. Aber leider...", ich stoppe für einen Moment und suche nach den richtigen Worten, doch ich bin völlig überfordert. Ich war noch nie gut im Trösten. "... leider sollte es nicht so sein."
Ich höre Eden schluchzen und es bricht mir buchstäblich das Herz. "Ich... ich hatte echt Hoffnung, dass ich es schaffe..."
"Wäre ich dieser blöde Bewerter gewesen, dann hätte ich es dir direkt gegeben", entgegne ich wie aus der Pistole geschossen. Scheiße, dass regt mich immer noch richtig auf. "Ich will mir gar nicht vorstellen, wie enttäuscht du bist. Aber denk daran, dass du dich davon nicht runtermachen lassen solltest. Wer weiß, mit etwas Glück wird nochmal eins vergeben und dann wirst du es sicher bekommen."
Als ich keine Reaktion mitbekomme, stoße ich leise die angestaute Luft aus und lehne mich gegen die Kabinentür. "Und wenn nicht, dann werden sie es mit mir zutun bekommen. Wer weiß, so tollpatschig wie ich bin, könnte ihnen vielleicht etwas ernsthaft Schlimmes widerfahren."
Eden lacht unter Tränen und die Tatsache, dass sie noch Lachen kann, beruhigt mich ein wenig.
"Wie wärs, kannst du jetzt vielleicht doch aufmachen? Ich fühle mich ein bisschen dumm dabei, zu reden und dabei diese Kabinentür anzustarren", bemerke ich und warte einen Moment, und als Eden dann tatsächlich aufmacht und mich aus ihren geröteten Augen ansieht, kann ich nicht anders, als sie zu umarmen.
"Mann Eden, sei nicht traurig. Weißt du was, ich glaube, du hast dir jetzt ein Eis mit Sahne und Streusel verdient", sage ich, während ich sie noch einmal an mich drücke, ehe ich mich dann von ihr entferne und zufrieden lächle, als ich erkenne, dass auch ihre Mundwinkel nach oben zucken.
Sie sieht mich ernst an. "Mindestens enttäuschst du mich nicht."
Zusammen beginnen wir zu lachen und machen uns dann auf den Weg zum Frustessen.
Und ich würde freilich sagen, das haben wir uns heute beide verdient.
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Friendzone
Romance"Lindy..." Seine Stimme ist rau und weht wie ein Sandsturm über meine Lippen. "Wenn du mich noch einmal so ansiehst, besteht die Gefahr, dass ich vergesse, dass wir beste Freunde sind... Das darf niemals passieren."