➳39. вяσкєη

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Das nächtliche Wien hatte einen Schleier über mich gelegt.

Ich wusste nicht, wie lange ich ausdruckslos in absoluter Dunkelheit auf dem Bett gesessen hatte. Minuten? Stunden?
Ich hatte keine Ahnung.

So viele Gedanken schossen mir durch den Kopf, und gleichzeitig war er doch so leer.

Tränen flossen über meine Wangen, und ich fragte mich, wie ich denn so dumm hatte sein können, die gleiche Lüge immer und immer wieder zu glauben.

Weshalb um alles in der Welt hatte ich mich dazu hinreißen lassen, es noch einmal mit ihm zu versuchen?
Weshalb um alles in der Welt hatte ich nicht meine Beine in die Hand genommen und das Weite gesucht?
Ich wusste es nicht.

Das hieß, eigentlich wusste ich es schon - aber es auszusprechen, oder auch nur zu denken, fühlte sich so verdammt falsch an.

Aber ich liebte ihn.

Und das lag immer allem zu Grunde - diese verdammten Gefühle.

Wozu waren sie überhaupt gut?

Um mir das Leben zur Hölle zu machen?

Ich hasste sie. Ich hasste sie mehr als alles andere, während das Loch in meiner Brust mit jeder Minute größer wurde.

Nichts, aber wirklich gar nichts konnte diesen Schmerz lindern; gar nichts schien auch nur ansatzweise Besserung bringen zu können.

Ein Klopfen ertönte an der Tür des Zimmers, in dem Liam und ich noch vor wenigen Stunden miteinander geschlafen hatten.

Ich brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, dass jemand vor der Tür stand und erwartete, dass ich sie öffnen wurde.

Ein kleiner Funken Hoffnung machte sich in mir breit, auch wenn ich wusste, dass das absolut lachhaft und jämmerlich war. Selbst, wenn Liam vor der Tür stehen und sich entschuldigen würde - würde ich wirklich so dumm sein, ihn noch einmal zurückzunehmen?
Ich stand auf und schlitterte zurück in die Realität. Die traurige Antwort war ein klares Ja.

Zitternd und wie in Zeitlupe machte ich mich auf den Weg zur Tür, noch immer mit einem Funken Hoffnung im Herzen.

Der kleine Funken erlosch sofort, als ich die Tür öffnete - und wieder hätte ich mich selbst ohrfeigen können, weil ich so blöd war und noch immer geglaubt hatte, er hätte seine Meinung ändern können.

Meine Mutter stand mit einem Blick vor mir, den ich bei ihr noch nie gesehen hatte. Nach den letzten Monaten hatte ich einige verzweifelte Gesichtsausdrücke auf dem Gesicht meiner Mutter gesehen.

Nachdem ich mich mit Händen und Füßen (und einigen Alkoholeskapaden) gegen ihre Hochzeit mit Liam's Vater gewehrt hatte, war sie vermutlich mehr als enttäuscht von mir gewesen.

Doch dieser Blick war anders. Sie war nicht enttäuscht.

Aber was war sie dann?

„Darf ich reinkommen?"

Wieder brauchte mein mit den Geschehnissen restlos überfordertes Gehirn einige Sekunden, um ihre Frage zu verarbeiten.

Schließlich allerdings trat ich zur Seite, sagte nichts, ließ sie ganz einfach in den Raum und wartete darauf, dass sie etwas sagen würde.

Irgendetwas - dass sie mir erklären würde, weshalb sie hier war, auch wenn ich die Antwort auf diese Frage eigentlich kannte.

Weshalb sollte sie schon hier sein?
Es gab eine Menge zu klären.

Allerdings war ich mir noch nicht sicher, ob sie hier war, um mich zu fragen, was zur Hölle ich mir eigentlich dabei gedacht hatte und ob ich jetzt tatsächlich den Verstand verloren hatte; oder ob sie ganz einfach hier war, um für mich da zu sein.

Sie sah zu Boden und warf schließlich einen Blick aus dem Fenster.

Die Stadt lag unter einem dunklen Himmel, glitzerte allerdings so wunderschön, dass sie allein hell genug war, um es Tag werden zu lassen.

Für einen Augenblick ließ ich mich von ihrem Anblick verzaubern, bevor meine Mutter mich mit ihrer zitternden Stimme zurück in die Realität holte: „Es tut mir leid, Niall."

Ich sah sie irritiert an.

Während ich mal wieder gar nichts kapierte, bildeten sich in den Augen meiner Mutter Tränen.

Weshalb um alles in der Welt tat es ihr leid?
Ich war derjenige, der es vermasselt hatte.

Schon wieder.

Ich legte meinen Kopf schief und war froh, endlich meine Sprache wieder gefunden zu haben. Auch, wenn meine Stimme dünner klang als die eines achtjährigen Mädchens. „Was tut dir leid?"

Sie ließ sich auf dem Teil des Bettes nieder, auf dem ich bis vor wenigen Minuten noch gesessen hatte und sah mich zum ersten Mal, seitdem sie mein Zimmer betreten hatte, an. „Ich hätte bemerken müssen, dass etwas nicht stimmt und es dir nicht gut geht."

Was?

Ich schüttelte irritiert meinen Kopf. „Wie zur Hölle kommst du denn darauf?"

Nun war sie diejenige, die mich nicht verstand. Sie sah mich an, als hätte ich ihr die bescheuertste Frage gestellt, die sie jemals gehört hatte. „Ich bin deine Mutter, Niall, und ich sehe erst jetzt, wie schlecht es dir eigentlich geht. Erst jetzt werden mir all die Situationen in den letzen Monaten klar, in denen ich mich gefragt habe, was bloß mit dir los ist."

Ich zog beide Augenbrauen nach oben und verschränkte die Arme vor der Brust, während ich mich gegen den Schreibtisch lehnte, der gegenüber von dem Bett stand, auf dem meine Mutter saß. „Wie kommst du darauf, dass es mir die ganze Zeit über nicht gut ging?"

Sie seufzte. „Es ist schwierig, das zu erklären, Niall. Gerade eben laufen die letzten Monate wie ein Film vor meinem geistigen Auge ab, und es gab einige Situationen, in denen mir eigentlich hätte klar sein müssen, dass du etwas verbirgst, über das du hättest reden sollen."

Ich konnte das spöttische Lachen nicht unterdrücken, das sich selbstständig aus meiner Brust drängte. „Ich hätte darüber reden sollen?", zischte ich, „Mit wem denn? Du siehst doch, wozu die Wahrheit geführt hat."

Meine Mutter seufzte erneut und sah mich hilflos und entschuldigend zugleich an. „Es tut mir leid, Niall. Ich weiß nicht, was in Geoff gefahren ist. Du darfst nicht vergessen, dass auch er überfordert mit der Situation ist..."

Ich verdrehte beide Augen und wäre ihr am liebsten ins Gesicht gesprungen. „Überforderung rechtfertigt in keinem Fall solches Verhalten. Weder in Geoff's, noch in Liam's Fall."

Meine Mutter nickte und presste beide Lippen aufeinander. „Willst du darüber reden?"

Während der Gedanke an Liam mir erneut Tränen in die Augen trieb, die ich versuchte, zu unterdrücken, warf ich einen erneuten Blick aus dem Fenster.

Die Schönheit der Stadt stand in absolutem Kontrast zu den Dingen, die sich gerade in meinem Leben ereigneten.

Ich fühlte mich, als wäre ich in einem absolut schlechten Film angelangt - oder in einem schlimmen Traum, aus dem ich jederzeit aufwachen könnte.

Nur leider war dem nicht so.

Zwischen all meinen eigenen Gedanken vergaß ich ganz, dass meine Mutter ja noch immer auf eine Antwort wartete.

Aber ich hatte keine.

„Ich weiß nicht", gab ich also zur Antwort. „Es würde nichts ändern, jetzt mit dir darüber zu reden."

Meine Stimme zitterte und ich war den Tränen nahe, wie so oft in den letzten Monaten.

Weshalb machte ich das noch immer mit?
Warum um alles in der Welt hatte ich das mit mir machen lassen?

Die ersten Tränen flossen über meine Wangen und ich wand das Gesicht von meiner Mutter ab; das Ganze war unangenehm genug. Ich wollte nicht auch noch vor ihr weinen - immerhin war ich ein Mann. Und sie meine Mutter.

Geduldig und mit einem warmen Lächeln auf den Lippen klopfte sie auf den Platz neben sich. „Vielleicht beginnst du einfach ganz am Anfang. Erzähl mir, was passiert ist."

Suddenly Brothers ➳ Niam AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt