Kapitel 45

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Nachdem ich mir ein Paar von Lins Gummistiefeln übergestülpt habe, verlasse ich das Haus.

Die Wolken hängen schwer und grau am Himmel und ich rechne schon fest damit im nächsten Moment von einem Regenschauer überrascht zu werden, doch entgegen meiner Erwartung bleibt der Niederschlag aus.

Trocken und schneller als gedacht erreiche ich schließlich das mir altbekannte dunkelgraue Holzhaus.

Mit jedem Schritt, den ich mich der glänzenden Metalltür nähre, steigt die Nervosität in mir an.

Mein Blick huscht suchend über den silbrigen Türrahmen, doch von einer Klingel fehlt jede Spur.

Unbewusst halte ich den Atem an, als ich meine leicht zitternde Hand hebe und zur Faust balle.

Zögerlich klopfe ich gegen das Metall, was einen erstaunlich dumpfen Ton erzeugt.

In der Bewegung erstarrt, verharre ich so für einen Moment und lausche, doch aus dem Inneren des Hauses dringt kein Geräusch zu mir durch.

Ich klopfe ein zweites Mal gegen die harte Oberfläche, dieses Mal fester.

Angestrengt lege ich die Stirn in Falten und will schon umdrehen, als ein leises Klackern von meinen feinen Sinnen erfasst wird.

Mein Herzschlag erhöht sich prompt und hastig trete ich einen Schritt zurück um im Falle davon, dass jemand abrupt die Tür öffnet, nicht wie ein Spanner zu wirken.

Sekunden vergehen, doch nichts bewegt sich.

Verwundert ziehe ich meine Augenbrauen zusammen.

Hatte ich mir das Geräusch doch nur eingebildet?

Nein das konnte nicht sein.

Mein Blick fällt auf die hölzerne Hauswand, die auf der Fjord zugewandten Seite in Glas übergeht und auch wenn ich eben noch nicht unangenehm auffallen wollte, so siegt dieses Mal meine Neugier.

Kurz schaue ich prüfend zur Tür, ehe ich mich von ihr abwende und an der Holzfassade entlangschleiche.

Ein angenehmes Kribbeln läuft meine Wirbelsäule hinunter und lässt mich fast schon sicher sein, dass mein Seelenverwandter sich irgendwo in der Nähe aufhält.

An der Stelle, an welcher das Dunkelgrau des Holzes der Farblosigkeit des Glases weicht, halte ich inne und lehne nur meinen Oberkörper weiter nach links.

Vorsichtig beuge ich mich soweit, bis ich eine relativ gute Sicht durch die Scheibe habe.

Auf der anderen Seite des Fensters befindet sich der Wohnbereich und als mein Blick über die moderne Bar, deren gepolsterte Lederhocker und das breitgefächerte Sortiment an Spirituosen in den Regalen dahinter gleiten lasse, werden Geister aus der Vergangenheit wach.

Mein Hals wird staubtrocken und ich muss schwer schlucken, als ich an den Moment zurückdenke, in dem ich genau an dieser Stelle zum ersten Mal auf Siljan getroffen war.

Ich habe noch genau das Geräusch des zersplitternden Glases im Ohr und den schweren Geruch nach einer Mischung aus Blut, Whisky und der ganz persönlichen Note meines Seelenverwandten in der Nase.

Schnell schüttle ich meinen Kopf um die Bilder vor meinem inneren Auge zu vertreiben und scanne weiter den Raum.

Er ist leer.

Ein weiteres Mal frage ich mich, ob meine Einbildung mir nicht doch nur einen Streich gespielt hatte, doch gerade als meine Zweifel mir dazu raten umzukehren, öffnet sich eine Tür.

Zwei Gestalten betreten den Wohnbereich und kommen direkt neben der großen Ledergarnitur zum stehen.

Ich verenge meine Augen leicht, als ich erkenne wer dort vor mir steht.

Bei dem größeren der beiden handelt es sich eindeutig um Siljan, seine riesenhafte Statur sowie die raubtierhafte Art und Weise wie er sich fortbewegt würde ich überall wiedererkennen.

Der kleinere Werwolf ist weiblich und besitzt fast schon weißblonde Haare.

Trotz der Entfernung kann ich ihre giftgrünen Augen aufblitzen sehen, als Christin den Kopf in den Nacken wirft und ein hohes Lachen ausstößt.

Gerade nur so kann ich es verhindern, mich vor Ekel zu schütteln.

Ich beuge mich noch ein Stück weiter seitlich, um eine noch bessere Sicht auf das Szenario zu erhaschen, während ich zu den Göttern bete, dass keiner der beiden in meine Richtung blicken möge.

Allerdings muss ich kurz darauf feststellen, dass meine Sorge als unberechtigt gilt, den Christin hat nur Augen für Siljan, welcher seinerseits gebannt auf den Boden vor sich starrt.

Seine massiven Schultern beben und ich frage mich augenblicklich, ob das seine Art zu lachen ist oder ob er gerade mit eingefrorenen Gesichtszügen einen Anfall erlebt.

Ich bin so auf meinen Seelenverwandten fixiert, dass mir fast entgeht wie Christin sich hüftschwingend in Bewegung setzt und Siljan umrundet, sodass sie schließlich direkt vor ihm zum Stehen kommt.

Die Hand, mit der ich mich an der Fassade des Hauses festhalte, krallt sich fester in das Holz, welches ein leises Knacken von sich gibt.

Erneut blitzt giftgrün auf, dieses Mal sind es jedoch die langen, pedikürten Fingernägel der Blonden als sie ihre Finger über den Oberkörper meines Seelenverwandten wandern lässt.

Meine Zähne knirschen als ich sie fest aufeinander presse und ich muss dem Drang wiederstehen gegen das Fenster zu schlagen.

Ich bin wütend.

Einerseits weil es meiner wölfischen Seite überhaupt nicht passt, dass eine andere weibliche Person Siljan so nahe kommt und andererseits weil meine menschliche Seite durch die Unfähigkeit ihre Gefühle alleine zu bestimmen verärgert wird.

Gebannt beobachte ich wie sich die Hände der Blonden um den Hals des Alphas schlingen, ehe sie ihn am Nacken zu sich runter zieht und ihre Lippen auf die seinen presst.

Fassungslos starre ich auf das Spektakel, während Schmerz in meiner Brust explodiert.

Sämtliche Luft wird aus meinen Lungen gepresst und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.

Keuchend kralle ich mich erneut an dem Holz fest, suche nach Halt.

Ich hoffe das Siljan sie von sich stößt oder anderweitig den Kuss beendet, doch er tut nicht dergleichen.

Angespannt verharrt er auf der Stelle und erwidert ihn vielleicht sogar.

Ich kann es nicht genau erkennen, da meine Sicht von den, plötzlich in meine Augen schießenden, Tränen getrübt wird.

Mir wird schlecht und als ich schließlich noch Christins Zunge aufblitzten sehe, muss ich mich abwenden und würgen.

Ich lasse das, mittlerweile mehr als ramponierte, Holz los und taumle genau vor die gläserne Fensterfront.

Meine wölfische Seite steht kurz vor dem Ausbruch und lechzt nur so danach sich mit ausgefahrenen Krallen auf Christin zu stürzen und ihr Blut zu kosten, doch ich kontrolliere mich und lege sie in Ketten.

Keiner der beiden bemerkt mich, als ich mich umdrehe und den steinigen Abhang hinunter, Richtung Fjord renne.

SaoirseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt