Kapitel 26

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Es war bereits über eine Woche vergangen, seitdem ich das letzte Mal mit Siljan geredet hatte.

Und mit jedem weiteren, atemberaubenden Sonnenaufgang, den ich von meiner Fensterbank aus sehnsüchtig erwartet hatte, wurde es immer offensichtlicher, das er mir aus dem Weg ging.

Anfangs war ich auf eine seltsame Art und Weise enttäuscht darüber gewesen, doch mit der Zeit war dieses Gefühl in Wut umgeschwungen.

Er ging doch wohl anscheinend tatsächlich davon aus, dass mich seine Abwesenheit strafte.

Ärgerlicherweise lag er damit allerdings auch nicht falsch.

Ich hatte mir im Nachhinein den Kopf über unser Zusammentreffen zerbrochen und unzählige Male hatte ich die Erinnerungen daran vor meinen inneren Augen abgespielt.

Sein kalter, ausweichender Blick nachdem ich ihm meine Meinung über ihn ins Gesicht gesagt hatte, verfolgten mich dennoch bis in meine Träume.

Es war der schwach glimmende Funken des Schmerzes, der von seinen Augen auf mein Herz übergesprungen war und sich eingebrannt hatte.

Etwas in mir war doch tatsächlich noch so naiv daran zu glauben, das meine Worte vielleicht doch mehr als nur blanke Wut in ihm ausgelöst hatten.

Dieser Teil von mir hielt des Weiteren auch beharrlich daran fest, so etwas wie einen Anflug von Sorge in seiner Stimme mitschwingen gehört zu haben, nachdem er mich vor dem Fallen in den Fjord bewahrt hatte.

Wie überaus lächerlich, denn leider schien ich die einzige von uns beiden zu sein, die dazu verdammt war mehr zu fühlen.

Immer wieder wurde mein Handgelenk von einer alles versenkenden Hitze erfasst, die von den Stellen ausging, an denen seine Finger mich berührt hatten.

Und auch wenn mein Kopf danach strebe dieses Feuer zu löschen, so verzehrte sich mein Körper nach mehr.

Brannte nach mehr.

Wie viele Nächte ich deswegen schon vollkommen verschwitzt aus dem Schlaf geschreckt war, wusste ich nicht.

Was aber feststand war, das es nicht besser wurde.

Um mich wenigstens am Tag von jeglichen Gedanken, die sich um ihn drehten, abzulenken, hatte ich damit begonnen Linnea bei ihrer Arbeit zu begleiten.

Die junge Ärztin war außer sich vor Freude gewesen und somit hatte beschlossen stillschweigen darüber zu wahren, das ich es eigentlich eher weniger gut vertrug Blut und offene Wunden zu sehen, um ihre Euphorie nicht zu trüben.

Zu meinem Glück hatten wir bis jetzt nur wenige Medizinische „Notfälle“ gehabt, von denen die meisten auch vorwiegend Prellungen, Verstauchungen oder Brüche waren.

Letztere waren bei den Trainingskämpfen der Werwölfe unabdingbar, jedoch wurden sie hier, im Vergleich zur Menschenwelt, nur als geringfügige Verletzung gewertet.

Die brünette Norwegerin richtete meistens nur wieder grob die Knochen ihrer Patienten, ehe deren ausgeprägten Selbstheilungskräfte den Rest völlig von selbst erledigten.

Die Zeit zwischen unseren Einsätzen verbrachten wir vorwiegend im Kindergarten des Reservates.

Eine gute Freundin von Lin, eine orientalisch angehauchte Schönheit namens Darya, arbeitete dort und auch wenn die anderen Erzieherinnen mich eher skeptisch und mit Argusaugen beobachteten, so machte Rya es mit ihrer temperamentvollen, aber auch vor allem herzlichen und umgänglichen Art wieder wett.

Für sie war es nebensächlich, das ich scheinbar ein Mensch und kein Werwolf war und diese Einstellung schienen auch die meisten Kinder der Kita zu teilen.

Wo sie mich anfangs zwar auch aufgrund meines Geruchs schief angeschaut hatten, so tummelten sie sich mittlerweile jedes Mal laut kreischend um meine Beine, sobald ich die Anlage betreten hatte.

Die Toleranz der Kinder erwärmte mein Herz, jedoch war sie anderen ein Dorn im Auge.

Vor allem eine große, gertenschlanke und hellblonde Werwölfin mit durchdringenden giftgrünen Augen und hohen Wangenknochen betrachtete mich ausschließlich mit angewiderter Miene.

Ihrem abschätzigen Blick nach zu urteilen, war ich in ihren Augen nicht mehr als ein lästiges Insekt.

Bis jetzt war es mir gelungen ihr aus dem Weg zu gehen um eine möglichen Konfrontation zu vermeiden, allerdings schien es mir nur eine Frage der Zeit zu sein, ehe sie sich mit ausgefahrenen Krallen auf mich stürzen würde.

Später hatte mir Rya hinter vorgehaltener Hand zugeraunt, das es sich bei der Blondine um eine gewisse Kristin handeln würde, welche ein Verhältnis mit Njal zu pflegen schien.

Des Weiteren hatte ich erfahren, das die eben erwähnte wohl auch schon ein vor Gift sprühendes Auge auf Siljan geworfen haben musste, von welchem sie aber keinerlei Beachtung erhalten hatte.

Nachdem Rya daraufhin gespielt traurig festgestellt hatte, dass ich und Kristin unter diesen Umständen wohl keine Freunde werden würden, waren wir zusammen in Gelächter ausgebrochen.

Durch Gespräche wie diese wurde mir die orientalische Schönheit immer sympathischer und aufgrund dessen waren Lin und ich auch heute wieder im Kindergarten zu Besuch.

Die Sonne stand hoch am Himmel und das herrliche Wetter ermöglichte es uns mit der Rasselbande nach draußen zu gehen, wofür ich äußerst dankbar war.

Ähnlich wie ich, konnten die kleinen Werwölfe es auf Dauer nämlich nicht sonderlich leiden im Inneren des bunten Hauses eingesperrt zu sein.

Mein Blick war gerade abwesend auf einen Pulk im Sand spielender Kinder gerichtet, aus dessen Mitte besonders ein engelsgleiches, blondes Mädchen hervorstach, als das Handy von Lin neben mir schrill zu läuten begann.

Die Brünette steht zwar bereits auf als sie den Anruf entgegennimmt, aber dennoch nehme ich die leicht verzerrte Stimme aus dem Lautsprecher immer noch in guter Lautstärke wahr.

Es handelt sich wie gewöhnlich um einen medizinischen Notfall, jedoch lässt mich eins der gesagten Worte aufhorchen.

Die anrufende Grenzwache berichtet von einem fremden Werwolf, der im Territorium des Nordpacks aufgegriffen wurde.

Möglicherweise handelt es sich laut ihm um einen Spion.

Um einen Gesandten des Westruddels.

Bei seinen Worten läuft mir trotz der sommerlichen Hitze ein kalter Schauer über den Rücken und mein Herzschlag setzt aus.

SaoirseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt