Kapitel 2

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Ein Wind frischt auf und peitscht mir einige Strähnen meiner roten Wallemähne,welche sich aus dem von mir zusammengefassten Zopf gelöst haben müssen, in mein von Sommersprossen bevölkertes Gesicht.

Einzelne Haare verheddern sich in meinem dichten Wimpernkranz sodass ich genervt die Augen zusammenkneife um sie zu vertreiben. Völlig aus den Gedanken gerissen wandert mein Blick nun über das in sonnenaufgangsorange getauchte Tal, welches sich unter mir erstreckt.

Dichte Mischwälder sorgen für eine Vielzahl an satten Grüntönen und ihre mit Tautropfen bedeckten Blätter, die  das Licht auf mysthische Art und Weise brechen, erzeugen den Anschein als würden Millionen von winzigen Diamanten darauf platziert sein.

Hier und da vermitteln Singvögel mit ihren lieblichen Tönen den Eindruck von Harmonie und jene wird vom Rauschen der Blätter im Wind nur noch unterstrichen. Es wäre so einfach sich dieser Idylle hinzugeben und die Welt um sich herum zu vergessen.

Ein fataler Fehler wenn man bedenkt das in diesem ach so friedlichen Tal der Tod lauert. Überall streifen überdurchschnittlich große Wölfe durch die Wälder und mehr als die Hälfte von ihnen ist mir alles andere als wohlgesonnen.

Auch wenn sie mich nicht erkennen, mein Duft würde mich auf der Stelle verraten. Bei uns Wölfen ist es schließlich so, dass man nach seiner Aufnahme in ein Rudel auch dessen spezifischen Geruch annimmt und dieser ermöglicht eine ziemlich genaue Zuordnung.

Und auch wenn ich bis jetzt noch nicht offiziell in mein Rudel aufgenommen wurde, das wäre schließlich nicht förderlich für meine Geheimhaltung, so haftet dennoch bedingt dessen charakteristische Duft an mir.

Im Großen und Ganzen bestand das sich vor mir erstreckende Tal einst aus vier Rudeln, benannt nach den jeweiligen Himmelsrichtungen.

Doch nach einer Weile machte sich das Nordrudel auf brutalste Art und Weise sein Nachbarterritorium zu eigen. Die Werwölfe, die dort lebten, schlachteten sie ab oder versklavten sie um die eigenen Reihen zu verstärken. Seitdem ist nur noch das Südrudel, welches neutral und unparteiisch ist, und mein Rudel vorhanden.

Schon vor dem Übergriff auf das Ostrudel lagen mein Pack und das des Nordens in einer Blutfehde. Verantwortlich dafür ist meine Urgroßtante, sowie zwei Brüder der Familie Surtur vom Norden.

Der eine Werwolf, der Ältere der beiden und auch gleichzeitig der nächste Alpha des Packs fand heraus das seine Mate und sein jüngerer Bruder eine Liaison miteinander pflegten. Meine Urgroßtante, die eben erwähnte Seelenverwandte, hatte den jüngeren Bruder ihres Mates auf einem Spaziergang  kennengelernt und sich in diesen verliebt.

Auch er erwiderte ihre Gefühle, naja jedenfalls bis zu dem Tag als sein eigener Bruder ihm vom Hass und der Eifersucht getrieben das Herz aus der Brust riss, vor den Augen ihrer beiden Geliebten.

Schon immer war er der Jähzornige der Beiden gewesen und hatte ein Hang zum Grausamen. Eine Eigenschaft die von Generation zu Generation in der Familie Surtur weitervererbt wird, so sagt man.

Dieser Anblick zerstörte meine Urgroßtante, sodass sie vom Kummer getrieben einige Tage später Selbstmord begang, indem sie sich von einer Klippe dem Tod und somit auch ihrem verstorbenen Geliebten entgegen warf.

Der Suizid seiner großen Liebe und der Mord an seinem eigenen Bruder brachten den jungen Alpha schließlich wieder zur Besinnung und in dem Augenblick nach ihrem Sprung, brachte er sich ebenfalls durch die eigene Hand um.

Zurück blieben zwei fassungslose Familien sowie Rudelmitgliedern die sich gegenseitig die Schuld an den Geschehenen gaben. Die Blutfehde begann und forderte in den letzten Jahren immer wieder ihren Tribut in Form von zahllosen Opfern.

Im letzten Jahr wurde der Alpha des Nord Packs durch dessen Sohn abgelöst und mein Vater erhoffte sich davon, den Krieg ein für alle Male zu beenden, jedoch soll der jetzige Alpha sogar noch tyrannischer sein als dessen Vorgänger.

Laut dem Geschwätz von einigen naiven Mädchen aus meinem Rudel, solle er allerdings zum Sterben gut aussehen und sie würden alles dafür geben auch nur eine einzige Nacht mit ihm zu verbringen.

Ist es komisch das sich gerade mein Kotzreiz meldet? Ich meine, wie leichtgläubig kann man eigentlich sein? Wollen diese Frauen wirklich nur als billige Spielzeuge fungieren ?

Deren einzige Lebensaufgabe daraus besteht, das Bett eines abgehobenen Kerls für eine Nacht zu wärmen?

Und vor allem wie soll es ihrem Mate, ihrem Seelenverwandten damit gehen ?Zu wissen, das die für einen vorbestimmte Person schon das halbe Rudel durch hatte?

Ein Schauer des Ekels läuft meinen Rücken hinab und veranlasst meine feinen Nackenhaare dazu, sich aufzurichten. 

Die Vorstellung, die Matratze zu spielen, stößt mich ab, ist aber eigentlich nicht mal das Schlimmste daran, schließlich sind sie in ihrem Tun frei. Vielmehr verabscheue ich den Gedanken, mich mit meinem Feind zu vereinigen.

Das wäre Verrat auf aller höchstem Niveau.

SaoirseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt