Kapitel 51

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Meine Sicht ist von einem roten Schleier getrübt und ich fühle mich seltsam schwerelos, während ich durch die Luft fliege.

Von meinem Aufjaulen alarmiert hält mein Seelenverwandter in seiner Bewegung inne und wendet den Kopf in meine Richtung, doch es ist schon zu spät.

Mit voller Wucht donnere ich gegen mein Ziel und reiße Siljan von meinem Bruder runter.

Ineinander verkeilt schlagen wir gemeinsam auf dem Boden auf und rollen anschließend weiter über den steinigen Untergrund.

Ich bin so in meiner Wut gefangen, dass ich anfange blindlings nach meinem Seelenverwandten zu schnappen.

Es gelingt mir, meine Zähne in seiner Schulter zu vergraben und voller Befriedigung nehme ich den eisenhaltigen Geschmack seines Blutes auf meiner Zunge wahr.

Ein Knurren entweicht dem Wolf unter mir, als er wütend versucht mich abzuschütteln.

Seine Bemühungen bleiben allerdings erfolglos, denn ich verbeiße mich nur noch fester in ihm.

Es steht für mich nicht zur Debatte loszulassen, nicht nachdem was er mir und meiner Familie alles angetan hatte.

Tränen der Trauer und des Zorns sammeln sich in meinen Augen, wärend mein Blick auf die Stelle fällt, die ich ursprünglich während meines Sprunges anvisiert und dann aber unglücklicher Weise verfehlt hatte.

Auf die Stelle, die sich unterhalb seines Unterkiefers und seitlich an seinem vorderen Hals befindet.

Auf seine Hauptschlagader.

Die Quelle seines Lebens.

Ich wollte sie auslöschen und zum versiegen bringen.

Und auch wenn sich meine wölfische Seite dagegen sträubte ihre zweite Hälfte zu verletzten, so setzte ich mich gegen sie durch.

In dem Moment war mir alles egal.

Es war mir egal, dass ich, wenn ich Erfolg haben würde zu einem seelischen Wrack mutieren und nie wieder die Chance darauf haben würde, glücklich zu sein.

Dass ich zu einem Schatten meiner selbst werden würde.

Ich war bereit diese Opfer zu bringen.

Erneut wallt eine Welle der Trauer in meinem Innern auf und ich strecke meinen Kopf nach vorne um die pulsierende Ader mit meinen Zähnen zu erreichen und zerfetzen zu können.

Gerade als einer meiner Reißzähne schon leicht über den Hals meines Seelenverwandtes kratzt, erkennt Siljan meine Absicht und bäumt sich unter mir auf.

Dieses Mal gelingt es mir nicht mich festzukrallen und ich werde vom Rücken des schwarzen Wolfes geschleudert.

Noch in der Luft drehe ich mich um meine eigene Achse und lande so unsanft auf meinen Pfoten.

Im Augenwinkel bemerke ich, dass Jonar sich wieder aufgerappelt hat und seine Muskeln bereits zum Sprung anspannt, um sich wieder in den Kampf einzumischen, doch ich stoße ein tiefes Knurren aus und signalisiere ihm damit, es sein zu lassen.

Das hier ist alleine mein Kampf.

Ohne ihn weiter zu beachten, starte ich erneut einen Angriff auf Siljan, bevor es diesem gelingt sich zu sammeln.

Da meine Wolfsgestalt kleiner und schwächer als die meines Seelenverwandten ist, kann ich ihn nicht offensiv bekämpfen und setzte daher auf meine Schnellig- und Wendigkeit.

Ich fange an ihn zu umkreisen und dabei blitzartig nach vorne zu schnellen um ihm so Verletzungen zu zufügen.

Ein paar Mal gelingt mir dieses Manöver auch, solange bis er meine Taktik durchschaut und mich bei meiner nächsten Attacke schon erwartet.

Als ich erneut nach vorne schnelle, um ihn einen weiteren schnellen Biss zu verpassen, kommt er mir zuvor.

Und jetzt wo ich in seiner unmittelbaren Nähe und damit auch in Reichweite seines Mauls bin, schlägt er zu.

Mit einem Satz ist er bei mir und ich bemerke meinen Fehler zu spät.

Das Letzte was ich sehe, bevor sich einen stechenden Schmerz in meinem Hals spüre, ist das Aufblitzen seiner weißen Reißzähne.


Ich fühle wie sich seine Zähne in meinen Hals vergraben und mein Körper augenblicklich erschlafft.

Für einen Moment bin ich so überwältigt von dem über mich einbrechenden Schmerz, das ich nur am Rande mitbekomme, wie mich Siljan loslässt und ich leblos wie eine Puppe auf den Boden falle.

Die Stelle, in die noch vor Sekunden die Zähne meines Seelenverwandtens vergraben waren, fängt an wie Feuer zu brennen.

Es fühlt sich an wie als würde pures Gift durch meine Adern fließen.

Mein Körper fängt als Reaktion darauf an, sich zu krümmen und zu zucken, als ich anfange mich unkontrolliert zurück in meine menschliche Gestalt zu verwandeln.

Mein Fell weicht meiner hellen Haut und den roten Haaren, die von dem aus meiner Kehle sprudelnden Blut sofort feucht und schwer werden und in unregelmäßigen Wellen über meine Schultern fallen.

Mit meinen Fingern kralle ich mich in den Boden unter mich um Halt zu finden, während ich röchelnd nach Luft schnappe.

Ich bin mir sicher, noch nie in meinem Leben solche Schmerzen erlitten zu haben und doch fühlt es sich im gleichen Augenblick seltsam an, denn da ist mehr.

Mehr als nur mein eigener Schmerz.

Ich spüre, dsas eine Veränderung in meinem Inneren stattfindet.

Etwas, das tiefer geht als alles was ich es je erlebt habe und weit über mein Verständnis der Dinge hinausgeht.

Man könnte es als eine Art von Verbundenheit beschreiben.

Eine Seelenverwandtschaft, die so viel absoluter ist, als alles was ich vorher empfunden habe.

Am Rande meines Bewusstseins bemerke ich, wie der Werwolf, zu dem ich eben jene empfinde, mich fassungslos aus seinen roten Augen anstarrt.

Erkenntnis und pure Angst flammen in ihnen auf, als er erkennt, dass ich es bin, der er gerade die Kehle zerfetzt hatte.

Für den Moment in dem sich unsere Blicke kreuzen, hört die Welt auf sich zu drehen.

Es gibt nur noch das, was er und ich früher nicht waren und jetzt doch sind, uns.

Am Ende bin ich es, die unseren Blickkontakt unterbricht, als die Muskeln in meinem Hals nachgeben und mein Kopf zur Seite kippt.

Und bevor sich meine Lider schließen und meine Welt schwarz wird, sehe ich wie Siljan neben mir auf den Boden sinkt.

Und das letzte was ich wahrnehme, ist das herzzerreißende Heulen, das er ausstößt und das die Geräusche der um uns tobenden Schlacht zum verstummen bringt.

SaoirseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt