Triggerwarnung!
Dieses Kapitel enthält zum Teil selbstverletzendes Verhalten.Ich wusste nicht mehr wie lange es schon her war, seitdem ich das letzte Mal das Sonnenlicht erblickt hatte.
Dieser von Einsamkeit und Dunkelheit regierte Ort raubte mir jegliches Zeitgefühl.
Um welche Tageszeit es sich handelte konnte ich nur grob daran festmachen, wenn Njal mir Nahrung und Wasser brachte.
Er war der Einzige der kam.
Der Einzige, der mich weniger einsam in meiner Einsamkeit fühlen ließ.
Und auch wenn er nicht sprach, so wurde er zu meiner Bezugsperson.
Immer wenn er ging wünschte ich mir, das er noch bleiben würde.
Denn in Anwesenheit des großen brünetten Jungens verstummten die Stimmen in meinem Kopf und es wurde still.
Friedlich.
Ich fing an diese Momente zu genießen und sie wurden zu meinem Ruhepol.
Zum Verständnis könnte man sie mit dem Auffinden einer Oase vergleichen, nachdem man tagelang durstig durch eine staubtrockene Steinwüste geirrt war.
Natürlich wusste Njal nichts von meinen Gedanken, wie sollte er auch?
Seitdem ich meinen Seelenverwandten getroffen hatte, war schließlich kein einziges Wort mehr über meine Lippen gekommen.
Aber was hätte es auch gebracht?
Niemals hätte ich meine Gedanken in Worte fassen können oder wäre in der Lage gewesen zu beschreiben, was in meinem Inneren vor sich ging.
Ich wusste es ja selbst nicht einmal.
Ein Teil von mir verachtete Siljan zu tiefst und hasste ihn innig auf eine Art und Weise, von deren Intensivität ich selbst überrascht und entsetzt war.
Der andere Teil von mir hingegen, fühlte sich von ihm angezogen und alleine der Gedanke an ihn reichte aus, um einen Schwarm von Schmetterlingen in meinem Bauch zu erwecken.
Für ihn war ein Leben ohne meinen Seelenverwandten undenkbar.
Diese beiden Bruchstücke meiner Selbst hatten sich eine Stimme verschafft, die anfangs zwar nur unterschwellig meine Gedanken beeinflusst hatte, mittlerweile aber immer mehr an Macht und Lautstärke gewonnen hatten.
Der Konflikt in mir und die daraus resultierende Spaltung meiner Gefühls-und Gedankenwelt machten mir schwer zu schaffen, da ich so jede Sekunde in der ich weiterhin von Siljan getrennt war seelische Schmerzen erlitt.
Es ging nicht ohne ihn, aber dank meiner Zerrissenheit wusste ich, dass es auch nicht mit ihm gehen würde.
Ich drehte mich also im Kreis, unfähig je einen Ausweg zu erreichen oder von mir aus eine Verschnaufpause einlegen zu können.
Selbst in meinen Träumen wurde ich davon geplagt.
Vor meinen inneren Augen taucht , wie so oft schon zuvor, das Paar sturmgrauer Augen auf, dessen Besitzer der Verursacher des ganzen Chaos war.
Und mein verräterisches Herz macht sofort einen Satz.
Daraufhin gibt mein Gehirn im Affekt meinem Kopf den Befehl nach hinten zu knallen.
Er schlägt hart gegen die Steinwand in meinem Rücken.
Schmerz explodiert wie Feuerwerk in meinem Schädel und ich spüre wie meine Haut aufplatzt.
Frisches, warmes Blut rinnt meinen Nacken hinab und verklebt meine Haare.
Ein Gefühl an das ich mittlerweile schon gewöhnt bin, denn es hilft.
Wenn ich ihn oft genug gegen den Stein schlage, hört er auf an ihn zu denken, mein Kopf.
Eine Art Befriedigung erfüllt mich und meine Lippen verziehen sich zu einem seligen Lächeln, wärend ich in die Dunkelheit vor mir starre.
Es ist still.
Endlich.
Das einzige was nun noch meinen Frieden stört sind diese verdammten Schmetterlinge muss ich verärgert feststellen.
Ohne zu Zögern findet meine geballte Faust ihren Weg in meine Magengrube.
Einmal, zweimal, dreimal…solange bis sie alle tot sind.
Erst jetzt gelingt es mir wirklich durchzuatmen.
Und auch wenn ich diese Art der Selbstverletzung hasse, so würde ich es wieder tun.
Ich habe keine anderen Alternativen um wenigstens für einen Augenblick betäubt und damit abgelenkt zu sein.
Und wenn Njal das nächste Mal kommt, werde ich wieder an der selben Stelle sitzen wie ich es schon alle anderen Male davor getan habe.
Auf diese Weise sieht er das Blut nicht.
Ich will auch nicht, das er es je zu Gesicht bekommt, denn es zeigt meine Schwäche.
Symbolisiert das meine inneren Dämonen den Kampf gewonnen haben.
Malt mein Versagen an die Wand.
Diese Erkenntnis lässt mich aufschluchzen und heiße Tränen sammeln sich in meinen Augen.
Zitternd greife ich nach dem Zipfel meines T-Shirts und beiße fest auf den dick gewebten Stoff.
Mein Schrei wird dadurch im Keim erstickt.
Flashbacks davon, wie ich im Badezimmer meines Elternhauses sitze, suchen mich heim.
Damals war ich ebenso wenig selbstbestimmt wie jetzt.. genauso gefangen und doch war ich noch ganz.
Nicht zerbrochen.
Ich will nicht mehr so schwach und erbärmlich sein, wie ich es momentan bin.
Ich will wieder zu der alten Saoirse werden.
Stück für Stück beginne ich die Scherben in meinen Inneren zusammen zu kratzen und klebe sie mit Gedanken an meine Familie und meinen besten Freund zusammen.
Ich fange an das Puzzle zu komplementieren, von dem ich dachte es nie wieder vervollständigen zu können.
Und auch wenn ein Teil fehlt, werde ich lernen müssen auch ohne es als Einheit neu zu erblühen.
Eine innere Gelassenheit nimmt mich ein und lässt mich wachsen, gibt mir die Kraft die Ketten zu sprengen in die ich mich selbst gelegt hatte.
Und mit jedem Knoten den ich löse um mein Gefängnis aufzubrechen, werden die Stimmen in meinem Kopf leiser.
Zwar werden sie nie gänzlich schweigen, aber von nun an werde ich ihr Gebieter sein.
Ihre Regentschaft ist vorbei.
Erneut werden meine Augen nass, doch diesmal sind es Freudentränen.
Mein verschwommener Blick richtet sich auf den Lichtschein, der unter der Tür hindurchfällt und ich strecke mich ihm entgegen.
Ab jetzt werde ich mich aber nicht mehr von ihm abwenden.
Gerade als ich der Helligkeit auf wackligen Beinen entgegen gehen will, tritt jedoch ein Schatten vor die Tür und teilt den künstlichen Lichtstrahl.
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Saoirse
Werewolf♤ Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste, oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben. ~Nelson Mandela ...