Kapitel 57

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„Ich will das diese Blutfehde endet, damit wir endlich in Frieden leben können“, teile ich Siljan meine Forderung mit.

Meine Augen sind dabei nicht auf ihn, sondern ausweichend auf das Fenster hinter ihm gerichtet.

Der vorherige Blickkontakt hatte mir nur wieder bestätigt wie verführerisch und verhängnisvoll sein Antlitz sein konnte.

Wie leicht es war, in den Tiefen seiner Augen, die mich momentan an Hämatite erinnerten, zu versinken.

Diese spezielle Art und Weise, wie er mich angesehen hatte.

Als gäbe es nur uns beide.

Als gäbe es wirklich nur mich für ihn.

Es weckte einen Hunger in mir, den ich weder empfinden noch je ausleben wollte.

Mein Herz schlägt immernoch unkontrolliert in einem viel zu schnellen und viel zu wildem Rhythmus.

Was auch immer du willst.

Sein Versprechen wirbelt durch meinen Kopf, lenkt meine Gedanken vom wesentlichen ab und beflügelt die verräterische, durch meine Adern jagende Hitze.

Die Reaktionen meines Körpers auf seine Anwesenheit und Nähe fühlen sich an wie Verrat.

Ich vergrößere den Abstand zwischen uns noch mehr und vergrabe meine Fingernägel in meinen Handflächen um mich von ihm und seiner Anziehungskraft abzulenken, immerhin hatte ich diplomatische Verhandlungen zu führen.

„Du hast Recht, das Blutvergießen muss ein Ende haben“, willigt Siljan ein.

„Zu viele Werwölfe haben ihr Leben dafür gelassen längst Vergangenes zu rächen. Es ist an der Zeit aus diesem Kreislauf des Hasses und der Schuld auszubrechen“, fügt er hinzu.

„Hätte ich früher gewusst wer dein Vater ist, so hätte ich niemals…“, er stockt und schluckt schwer, „… ich hätte niemals so weit kommen lassen“.

In seiner Stimme schwingt so viel Ehrlichkeit und aufrechtes Bedauern mit, das ich mich zum ersten Mal frage, ob es überhaupt richtig ist, ihn für den Tod meiner Eltern verantwortlich zu machen.

Ob diese Abscheu gegen ihn überhaupt gerechtfertigt ist.

Schließlich war es mein Rudel, das den Kampf begonnen hatte.

Es war mein Rudel, das in das Lager des Nordpacks eingedrungen war und dessen Bewohner angegriffen hatte.

Dabei hatte es für meinen Vater keine Rolle gespielt, ob die feindlichen Werwölfe unschuldig waren oder eine Familie hatten.

Ihre Leben waren ihm egal gewesen.

Die Erkenntnis, das Siljan sich und alle anderen nur verteidigt hatte, trifft mich wie ein Faustschlag in den Magen.

Ein Teil von mir wehrt sich dagegen, diese Wahrheit anzunehmen und will lieber jede Schuld und jeden Fehler bei ihm suchen.

Im Grunde meines Herzens weiß ich allerdings, dass ich ihn ungerechtfertigter Weise zum Sündenbock mache, denn an seiner Stelle hätte ich nicht anders gehandelt.

Ich hatte nicht anders gehandelt.

Wie auch er, war ich bereit dazu gewesen das Leben eines anderen zu beenden.

Ich war bereit dazu gewesen sein Leben zu beenden.

Und mehr als das, ich hatte es sogar gewollt.

Eine Welle der Abscheu überrollt mich, doch dieses mal nicht wegen ihm, sondern wegen mir selbst.

Ich wende ruckartig meinen Kopf in seine Richtung und schnappe zittern nach Atem.

SaoirseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt