Kapitel 24

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Mein Gehirn ist wie leergefegt, unfähig auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können.

Es ist Schachmatt gesetzt und das durch nur einem Zug.

Durch einen einzigen Blick.

Die stahlgrauen Augen des sich mir nährenden Mannes halten die meinen gefangen. Alleine sie reichen aus um mein Herz gegen meinen Willen höher schlagen zu lassen. 

Als Siljan mich schließlich erreicht und leichtfüßig den Felsbrocken auf dem ich sitze erklimmt, verliere ich komplett die Kontrolle über meine Gefühlswelt.

Anstelle davon wegzurutschen, um so viel Abstand wie nur möglich von ihm zu gewinnen, bewegen sich mein verräterischer Körper in die andere Richtung.

„Darf ich mich setzten?“, seine tiefe, leicht rauchige Stimme lullt mich ein und vernebelt meine Sinne, sodass ich nicht anders kann als sofort bejahend mit dem Kopf zu nicken.

Das er die Höflichkeit besitzt mich um Erlaubnis zu fragen, schockiert mich.

Ebenso entfacht es allerdings auch eine unbändige, heiße Wut in meiner Magengegend, schließlich kann er diesen gespielten Anstand in die Tonne klopfen.

Hätte ich nicht die letzte Woche auf seinen Befehl hin in einem dunklen und einsamen Verlies verbracht, wäre ich vermutlich seinem vermeintlich gutem Benehmen verfallen, doch jetzt kann er mich nicht mehr so leicht um den Finger wickeln.

Das nun in mir entzündete Feuer fängt an nach den trügerischen Schmetterlingen in mir zu züngeln und erwischt einige an den schillernden Flügeln.

Immer mehr der Insekten brennen und trudeln nun mehr flugunfähig zu Boden.

Wortlos zwinge ich mich dazu aufzuhören Siljan anzustarren, ehe ich demonstrativ auf die aufgewühlten, sturmgrauen Fluten unter mir starre.

Das ich ihm nun die kalte Schulter zeige scheint den Norweger nicht weiter zu stören. Offensichtlich nichts anderes erwartend nimmt er ebenfalls schweigend neben mir Platz und folgt meinem Blick.

Das er nur ungefähr einen halben Meter von mir entfernt sitzt und ich nur den Arm ausstrecken müsste um ihn zu berühren, ist für mich die pure Hölle. Meine Hände verkrampfen sich und ich kralle mich regelrecht in den Steinboden unter mir um zu verhindern auch nur eine falsche Bewegung zu machen.

Diese Intensität, mit der ich seine Anwesenheit wahrnehme, lässt mich fast den Verstand verlieren.

Behutsam schiele ich durch meine rote Haarpracht hindurch zu ihm rüber und lasse meine Augen über seine Gestalt wandern.

Sofort fällt mir auf, dass er ebenfalls mehr als nur angespannt zu sein scheint, denn seine Muskeln und die Adern auf seinen Unterarmen sind deutlich ersichtlich.

Ich bin also doch nicht die einzige, die mit ihrer wölfischen Seite ringen muss.

„Es tut mir leid“, seine Zähne mahlen aufeinander wärend er diese Worte gepresst über die Lippen bringt.

Die elektrische Spannung in meinem Körper nimmt bei seinen Worten schlagartig zu und mein Herz macht einen Sprung, während mir hingegen äußerlich nur vor Fassungslosigkeit die Kinnlade runterklappt.

Siljan Sutur hatte sich gerade wirklich bei mir entschuldigt.

Hastig lenke ich meinen Blick wieder auf die schäumende Gischt unter uns, um nicht zu hyperventilieren.

Als ich schließlich gerade dabei bin zu überlegen ob das eben Gesagte nicht doch nur Einbildung war, fährt er fort,

„ Deine Anwesenheit muss wohl eine Kurzschlussreaktion in mir ausgelöst haben.. Zum Verständnis musst du wissen, das ich in Gesellschaft von.. Menschen.. nur noch rot sehe“.

Die Bezeichnung für mich und meine vermeintlichen Artgenossen bringt er nur verächtlich und im Beisein von viel Ekel über die Lippen.

Meine Hände ballen sich zu Fäusten, als mich die von ihm ausgehenden Wellen des Hasses zu überrollen drohen.

„Es ist also nicht unbedingt etwas persönliches“, fügt er gedehnt hinzu und durchbohrt mich mit seinen nun mehr glühenden Augen.

Die Sekunden, in denen er mich einfach nur weiterhin anstarrt wie ein Räuber seine Beute und ich immer noch viel zu sprachlos bin um etwas zu erwidern, ziehen sich wie zäher Kaugummi in die Länge und scheinen eine halbe Ewigkeit anzudauern.

„Nicht unbedingt?“, harke ich entgeistert schließlich nach und beteilige mich somit zum ersten Mal aktiv an der Konversation.

„Das freut mich aber ungemein zu hören, dass du mich nicht in einer Zelle hast verrotten lassen, weil du mein Gesicht nicht magst,“ höhne ich.

„Ehrlich danke, ich fühle mich geschmeichelt“, füge ich fauchend hinzu ohne ihn zu Wort kommen zu lassen.

„Und bevor du dich wunderst, in Gesellschaft von jemanden wie dir, fange ich an nur noch rot zu sehen.. aber nimm es nicht persönlich“.

Der plötzliche Stimmungsumschwung meinerseits scheint auf ihn überzugehen, denn augenblicklich verfinstert sich seine Miene und seine Augen fangen an zu blitzen.

Ein Unwetter braut sich zusammen.

„Du solltest besser aufpassen, wie du mit mir redest ansonsten..“, knurrt er bedrohlich leise, wird aber bevor er seinen Satz vollenden kann von mir unterbrochen.

„Ansonsten was? Sperrst du mich wieder ein, weil ich ein Mensch bin ? Oder diesmal doch aus deutlich privateren Gründen?“, provoziere ich den dunklen Krieger vor mir weiter.

Mittlerweile bebt sein gesamter Körper und er hat krampfhaft seine geballten Fäuste unter seine muskulösen Arme geklemmt.

Vermutlich um sich davon abhalten mich mit einer Hand zu zerquetschen.

Voller Genugtuung stelle ich fest, dass ich ihn bis aufs Blut gereizt habe, doch ich bin noch lange nicht fertig.

Woher ich den plötzlichen Mut oder das Verlangen danach frühzeitig und qualvoll zu sterben nahm wusste ich nicht.

Mit einem feinen Lächeln auf den Lippen beuge ich mich näher zu ihm und blende währenddessen den allesverschlingenden Impuls aus ihn zu berühren.

„Ich denke du vertauscht unsere Rollen. Nicht ich sollte weggesperrt werden. Monster bedürfen der Freiheit beraubt. Derjenige, der hinter Gitter gehört bist du Siljan. Du und kein Anderer.“

SaoirseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt