Erschrocken löse ich mich von Njal und mache ein paar taumelnde Schritte zurück , ehe ich mich hastig in die Richtung drehe, aus der die Stimme kam.
Dort schält sich gerade Siljan, aus dem Schatten einer großen Eiche und alleine ein Blick auf ihn genügt mir um festzustellen, dass das, was auch immer als nächstes passieren wird, ein blutiges Ende haben würde.
Die sonst blaugrauen Irden meines Seelenverwandten haben eine feuerrote Farbe angenommen und seine Schultern scheinen nur so vor Zorn zu beben.
Njal, welcher immernoch fast direkt neben mir steht, bemerkt die von Siljan ausgehende Gefahr sofort und geht in Verteidigungsposition.
„Das kommt ganz darauf an, was du als wahr erachtest“, ruft er dem Alpha mit fester Stimme zu.
Der darin mitschwingende, herausfordernde Tonfall entgeht dabei weder mir noch Siljan.
„Versuch mich nicht für einen Narren zu halten, Njal“, knurrt der Dunkelblonde aggressiv und macht einen Schritt auf uns zu.
„Mein Vertrauen in dich, hat mich blind gemacht. Viel zu lange war ich unfähig zu bemerken, wie du mich hinter meinem Rücken verraten hast, doch mir wurden die Augen geöffnet“, fügt er bitter hinzu.
„ Aber alleine die Tatsache, dass nur wegen deiner Exfreundin eure Lüge aufgeflogen ist, macht das Ganze noch schlimmer. Hast du denn gar kein Ehrgefühl? Wenn sie nicht gewesen wäre, wie lange hättet ihr dieses Spiel noch gespielt? “, ruft Siljan aus und lacht freudlos.
Seine Augen zucken dabei von Njal zu mir und brennen sich in die meinen.
Sofort werde ich in einen Strudel aus Zorn, Enttäuschung und Schmerz gezogen, der so tief ist, dass ich darin zu ertrinken drohe.
Die Umgebung um mich herum wird immer unbedeutender und verschwimmt zu einer einzigen schlammfarbenen Masse.
In diesem Augenblick gibt es nur Siljan und mich.
Eine Seele, getrennt in zwei Körpern.
„Wieso war mir klar, dass Christin ihre Finger im Spiel hat?“, gibt Njal unbeeindruckt von sich.
Seine Worte unterbrechen meine mentale Verbindung mit Siljan und holen mich zurück in das hier und jetzt.
Hastig ringe ich nach Atem und versuche mein rasendes Herz zu beruhigen.
„Was für Lügen hat sie dir aufgetischt, nachdem ich sie abserviert habe?“, harkt der Brünette spottend nach.
„Also gibst du es zu? Das du Christin abserviert hast, um dich weiter an meine Seelenverwandte ranmachen zu können?“, grollt Siljan und bleckt seine Zähne.
Diese dreiste Unterstellung ist schließlich der Funken, der das Feuer in mir entfacht und als Njal gerade dabei ist, erneut das Wort zu erheben, unterbreche ich ihn.
„Wie kannst du es wagen?“, zische ich empört und kann meine wölfische Seite nur mit Mühe unter Kontrolle halten.
„ Ich habe mit eigenen Augen gesehen wie Christin dir ihre Zunge in den Hals gesteckt hat und jetzt beschuldigst du mich, etwas mit deinem besten Freund zu haben?“, fahre ich meinen Seelenverwandten zornig an.
Die Augen des Blonden weiten sich kaum merklich bei meinen Worten, ehe er den Blick senkt und auf den Boden starrt.
Offenbar überrascht ihn mein Wissen.
„Du siehst Geister von Dingen, die nicht existieren weil du so Gefangen darin bist, zu glauben jeder Mensch wäre dein Feind. Du erzählt mir etwas von Verbundenheit und davon was ich hätte haben können, dabei hast du unserer Verbindung von Anfang an keine Chance gegeben. Es gibt Millionen von Menschen auf dieser Welt, doch trotzdem bewahrt dich diese Tatsache nicht davor einsam zu sein.“, rede ich mich weiter in Rage und balle meine Hände zu Fäusten.
Glühend heiße Wut jagt durch meine Venen und lässt meinen Körper unkontrolliert beben, während ich mein Gegenüber mit Blicken erdolche.
Siljan scheint es nach meiner Ansage die Sprache verschlagen zu haben, denn er starrt nur weiterhin schweigend auf die Erde vor sich.
Einmal mehr machen es mir seine versteinerten Gesichtszüge unmöglich seine momentane Gefühlslage zu ergründen, was meine Wut nur noch befeuert.
Neben mir tritt Njal unbehaglich von einem Bein auf das andere, während er Siljan abschätzende Blicke zuwirft.
Anscheinend rechnete er damit, dass mein Seelenverwandter sich jeden Moment auf mich stürzen würde.
Sekunden verstreichen, in denen wir alle in die Stille des Waldes gehüllt, unbewegt auf der Stelle verharren.
Gerade als ich denke, die Diskussion wäre abgeschlossen und mich abwenden will, ergreift Siljan unvermittelt das Wort.
„Du hast Recht“, gesteht er leise und presst seine Kieferknochen hart aufeinander.
Erstaunt wandern meine Augenbrauen nach oben und ich frage mich, ob seine Antwort nicht doch nur ein Gespinst meiner Fantasie war.
Mein Seelenverwandter stößt ein gequältes Lachen aus, ehe er den Blick hebt und mich direkt anschaut.
Der noch vor wenigen Augenblicken präsente Rotton seiner Augen, ist wieder dem kühlen, undurchschaubaren Blaugrau gewichen, welcher mir das Gefühl gibt, er könnte mir bis in die Seele schauen.
„Alles was du gesagt hast entspricht der Wahrheit. Natürlich habe ich unserer Verbindung von Anfang an keine Chance gegeben “, fügt er düster.
Mein Herz zieht sich bei seinen Worten schmerzhaft zusammen.
Diese Bestätigung von ihm zu erhalten fühlt sich an, wie als würden tausend kleine Nadeln in meinen Körper stechen.
„Ich habe mir geschworen nie wieder jemanden in mein Leben zu lassen oder gar eine tiefere Beziehung einzugehen, warum auch?“, führt er seine Gedanken fort und richtet seinen Blick in die Ferne.
„Jene, die ich liebte, wurden mir genommen und ein Teil von mir ist mit ihnen gestorben. Es ist allein meine Schuld, was an jenem Tag vor zwei Jahren passiert ist. Ich hätte es verhindern müssen und das weiß ich auch. Aber ich war zu schwach und das war mein persönlicher Untergang. Ihr Ende. Tagelang bin ich also in meinem Selbsthass ertrunken, solange bis ich schließlich erkannt habe, dass ich für meine Geschwister und das Rudel weiterleben muss. Gleichzeitig habe ich aber auch jegliche Personen und Gefühle, die zu meinen Schwachstellen werden könnten, aus meinem Leben verbannt. Alles Gute, denn entgegen der Vorstellung aus Märchen, erkannte ich, dass schwarz über weiß siegt und nicht andersherum. Ich schwor mir, mich nie wieder machtlos fühlen zu müssen und das funktionierte besser, als ich es mir je hätte vorstellen können. Der Preis den ich dafür zahlte, erschien mir sehr gering im Vergleich zu dem, was ich ansonsten noch hätte verlieren können.“, öffnet sich Siljan mir weiter.
„Und mein Plan ging auf. Zumindest solange, bis du in mein Leben getreten bist. Du, meine Seelenverwandte, ein Mensch und damit meine ganz persönliche Schwachstelle. Wenn du wüsstest wie sehr ich in diesem Moment das Schicksal gehasst habe.“, knurrt der Blonde verächtlich.
„Ich wusste, dass du sehr wohl in der Lage dazu wärst Gefühle in mir zu wecken, Gefühle die mich schwach machen würden. Also entschied ich mich dafür dich niemals in mein Leben zu lassen. Als erstes schien mir der einfachste Weg dafür zu sein, dich abzulehnen aber ich erkannte schnell, dass das mein Ende sein würde. Infolgedessen entschied ich mich um und beschloss dich dazu zu bringen, mich zu hassen, um jedes noch so positive Gefühl im Keim zu ersticken. Und auch wenn ich meine Abscheu gegen dich immer mit der Tatsache begründete, ich würde sie empfinden weil du ein Mensch bist, so war das nichts weiter als eine Lüge.“, eröffnet mir mein Seelenverwandter und lacht bitter.
Fassungslos starre ich Siljan an und komme kaum hinterher, sein eben Gesagtes zu verarbeiten.
„Ich weiß, dass es kein Happy End für mich geben wird und ich habe es akzeptiert, aber es war nicht fair von mir, dir deins nehmen zu wollen. Nun habe ich erkannt, dass du Recht hast. Du bist ein Mensch und das bedeutet, dass du frei bist. Frei darin eine Entscheidung zu treffen, wem du dein Herz und deine Liebe schenken willst. Und ich kann nicht länger von dir verlangen hier zu bleiben, nicht nachdem was ich dir alles angetan habe.“, verkündet mir der Blonde und ein Blick in das klare blaugrau seiner Augen verrät mir, dass er jedes einzelne seiner Worte ernst meint.
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Saoirse
Wilkołaki♤ Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste, oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben. ~Nelson Mandela ...