Ich lag auf einem der Felsen am Rand des Fjordes und schaute in den Himmel.
Betrachtete das Meer aus Schäfchenwolken, das sich langsam über mir zusammentürme.
Ein weißes, fast schon makelloses Gefüge. Einzig und alleine ein kleiner, schwarzer Punkt schien für Disharmonie zu sorgen.
Es war ein Sturmvogel, der seine Kreise über mir am Himmel zog.
Das Tier glitt mühelos durch die Lüfte und ließ den Wind die Federn seiner Flügel liebkosen.
Ein sonniges Lächeln hob meine Mundwinkel als ich den schwebenden Körper des Vogels näher betrachtete.
Wie es sich wohl anfühlten musste zu fliegen? Frei und unabhängig von allem die Schwere des Lebens abzustreifen und hinter sich zu lassen?
Mein Blick folgt weiter dem grauen Vogel, während ich das Rauschen des Fjordes unter mir als angenehmes Hintergrundgeräusch wahrnehme.
Es waren nun mehr drei Monate vergangen, seitdem ich zur offiziellen Anführerin des Nordruddels ernannt worden war und in dieser Zeit war viel geschehen.Nachdem Siljan und ich uns versöhnt hatten, war ich zu meinem ehemaligen Zuhause zurückgekehrt und hatte Jonar meine Entscheidung mitgeteilt.
Anfangs war dieser vor Wut fast wahnsinnig geworden und hatte sich von mir verraten gefühlt, doch nach einigen Wochen schien er erkannt zu haben, das ich das letzte bisschen Familie war, das ihm noch blieb.
Er akzeptierte meine Wahl, wenn auch missmutig und unsere Rudel lebten seither friedlich nebeneinander.
Zwar war immernoch ein gewisses Misstrauen zwischen ihnen spürbar, aber langsam flachte auch dieses ab.
Arn hatte mich mit seiner Entscheidung mit mir zu kommen und ein Mitglied des Nordruddels zu werden überrascht.
Natürlich war dafür, neben meiner Persönlichkeit, ein gewisser Brünetter Werwolf mit blauen Augen verantwortlich.
Das Lächeln auf meinen Lippen vertieft sich als ich daran zurückdenke was ich vor einigen Tagen, zur Sommersonnenwende, in der Lage war zu beobachten.Arn und Njal hatten auf Grund des Festtages den gesamten Vormittag damit verbracht die Siedlung prachtvoll zu dekorieren.
Natürlich hatte sich mein bester Freund davon mehr begeistern lassen als der Beta, der dem Blonden nur sichtlich mürrisch gefolgt war.
Vermutlich hatte er diese Aufgabe als für weit unter seiner Würde erachtet.
Letztendlich hatte Njal sich aber dennoch dazu hinreißen lassen seinem Seelenverwandten unter die Arme zu greifen und so hatten sie gemeinsam das Holz für das geplante Lagerfeuer aufgeschichtet.
Nach dieser schweißtreibenden Arbeit und im Glauben darin unbeobachtet zu sein, hatte Arn den Brünetten mit einem Kuss belohnt.
Zwar war dieser nur von kurzer Dauer, jedoch reichte es vollkommen um mein Herz vor ehrlicher Freude zu erwärmen.
Es war schön das die beiden nach anfänglichen Diskrepanzen nun zueinander standen, ihre Verbindung akzeptierten und ihr auch eine Chance gaben.
Neben meiner Persönlichkeit hatte sich besonders Linea für die beiden gefreut.
Die Brünette hatte es mir auch, entgegen meiner Erwartungen, nicht übel genommen, dass ich kein Mensch sondern ein Werwolf war.
Viel mehr hatte sie mir mit einem Grinsen gestanden, schon von Anfang an gespürt zu haben, das mehr in mir steckte, als ich vorgeben hatte zu sein.
Wir beide waren einander seitdem noch näher gekommen und ich war mir sicher in ihr eine Freundin fürs Leben gefunden zu haben.
Anfangs hatte ich deswegen auch noch weiter bei ihr und Njal in meinem alten Zimmer gelebt, bis ich schließlich vor einer Woche umgezogen war.
Und zwar nicht zu Siljan, so wie es viele der Rudelmitglieder es angenommen hatten, sondern in mein eigenes, kleines Holzhaus am Rand der Siedlung.
Die Hütte war zwar klein, aber vollkommen ausreichend und sehr gemütlich.
Ich hatte sie eigenständig renoviert und es so eingerichtet, das sich mir ein direkter Blick auf den Fjord sowohl von meinem Schlaf, als auch von meinem Wohnzimmer aus bot.
Alles in allem war mein neues Zuhause ein perfekter Rückzugort und ich war dankbar dafür etwas eigenes zu besitzen.
Und einen Ort für Ruhepausen brauchte ich dringend.Die letzten Wochen waren sowohl schweißtreibend, als auch nervenaufreibend gewesen.
Denn auch wenn die Mitglieder des Nordrudels mich als ihre Anführerin akzeptiert hatten, so war es immernoch einiges an Arbeit gewesen jeden einzelnen von ihnen kennenzulernen und ihr Vertrauen zu gewinnen.
Natürlich war dies nicht zwangsläufig erforderlich, doch für mich persönlich war es eine Herzensangelegenheit gewesen.
Siljan hatte, ohne sich einzumischen mein Unterfangen beobachtet und auch wenn er sich nie dazu geäußert hatte, war ich dennoch davon überzeugt Anerkennung in seinen Augen aufblitzen haben zu sehen.
Was uns beide anbetraf, so hatte sich ebenfalls einiges verändert. Der Blonde war mir gegenüber Stück für Stück aufgetaut und wir hatten beschlossen uns neu kennenzulernen.Denn so wie die Mauern des Blonden eingefallen waren, so hatten auch die meinen angefangen zu bröckeln.
Seitdem trafen wir uns jeden Tag mindestens einmal um gemeinsam zu essen und Rudelangelegenheiten zu besprechen.
Insgeheim hatte ich angefangen unsere gemeinsame Zeit zu genießen und ich wusste, das diese Treffen von einer tieferen Bedeutung für beide von uns waren.
Ich hatte das Gefühl endlich den Mann kennenzulernen, von dem ich vorher nur auch Lins Erzählungen erfahren hatte.Den echten Siljan, der sich jahrelang hinter einer kalten Fassade versteckt hatte.
Ein liebevoller und gutmütiger Mann.
Einem Mann, vor dem ich nicht mehr weg laufen musste um frei sein zu können.
Ich musste nicht mehr lernen zu fliegen um unabhängig zu sein.
Ich musste kein Sturmvogel mehr sein.
Mein Blick löst sich von dem gefiederten Tier, das immer noch am zunehmend grauer werdenden Himmel seine Kreise zieht und wandert zu der Ansammlung von roten Holzhütten zu meiner Linken.
Zu meinem neuen Zuhause.
Bei diesem Anblick breitet sich Wärme in meinem Inneren aus.
Ich habe endlich das Gefühl angekommen zu sein.
Und auch wenn der Verlust meiner Eltern für immer ein Loch in meinem Herzen hinterlassen würde, so hatte ich dennoch einige Personen gefunden die diese Leere ein Stück weit füllten.
Und ich war endlich bereit.
Bereit dazu den Weg zu gehen, der mir schon immer durch mein Schicksal vorherbestimmt war.
DU LIEST GERADE
Saoirse
Werwolf♤ Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste, oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben. ~Nelson Mandela ...