Kapitel 10

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Unter einem ordentlichen Frühstück scheint Lin ein Dreigängemenü zu verstehen und so zaubert sie mit einem Kochlöffel und einer Schürze bewaffnet, Berge an Waffeln, frischen Obst mit Joghurt aber auch Knäckebrot mit süßen und pikanten Aufstrichen.

Demnach werde ich über und über mit allerlei Köstlichkeiten vollgestopft, solange bis ich kein Essen mehr sehen kann.

Bis zum Rand gefühlt nippe ich noch ein letztes Mal an meinem frisch gepressten Saft und lasse mich anschließend an die Stuhllehne zurück sinken.

So gut habe ich noch nie gefrühstückt.

Zufrieden lasse ich meinen Blick über die rustikal eingerichtete Küche schweifen, ehe er an einer sich öffnenden Tür hängen bleibt.

Heraus kommt ein verschlafender und halbnackter Njal.

Er maschiert, nur mit einer schwarzen Unterhose bekleidet, zu der frei stehenden Kücheninsel und stibitzt sich eine Waffel von seiner Schwester, ehe er sich zu mir an den Küchentisch gesellt.

Ohne das ich es will wandert mein Blick über seinen muskulösen Oberkörper.

„Du bist ja immer noch hier“,stellt er leicht genervt fest, als er Notiz von mir zu nehmen scheint.

Ich öffne schon meinen Mund um mich zu rechtfertigen, als Linnea einschreitet und Njal einen leichten Hieb mit dem Holzlöffel verpasst.

„ Sie ist unser Gast und bleibt mindestens solange, bis sie vollkommen genesen ist“,flötet sie und erntet dafür sie ein gereiztes grummeln von Njal, was sie allerdings gekonnt ignoriert.

„Versuch doch einfach etwas netter zu sein, das bin ich schließlich zu deinem ständigen Damenbesuch auch“,fügt sie hinzu, was ein Grinsen auf mein Gesicht zaubert und ihrem Bruder eine dezente Zornesröte.

„Du musst sein Verhalten entschuldigen, er ist am Morgen für gewöhnlich unausstehlich“,erklärt sie an mich gewandt.

Nach dem Essen assistiere ich gerade Lin beim abräumen und aufwaschen, als Njal sie zu einem Vieraugengespräch auffordert.

Die beiden verlassen die Küche und gehen in den Flur und auch wenn die Tür geschlossen ist und ich versuche ihre Stimmen auszublenden und nicht zu lauschen, verstehe ich jedes Wort.

“Du weißt schon in welche Schwierigkeiten uns dein Gast bringen kann und was du von mir verlangst oder?“ ,knurrt Njal.

“ Ja aber ich bitte dich Njal, sie bleibt höchstens noch zwei Tage, bis ich mir wirklich sicher bin das es ihr gut geht und ich verspreche dir das keiner der Anderen ihre Anwesenheit bemerkt“, redet seine Schwester beschwichtigend mit Engelzungen auf ihn ein.

„Das will ich auch für dich hoffen, Siljan macht uns einen Kopf kürzer wenn er erfährt das wir einen Menschen beherbergen und ich, sein bester Freund und Beta, auch noch davon wusste und es ihm verschwiegen habe.“

Die Beiden reden weiter doch nach diesem Satz hat mein Gehör abgeschaltet und mein Gehirn läuft auf Hochtouren um das eben Belauschte verarbeiten zu können.

Ich verrichte weiterhin mechanisch meine Arbeit, während ich grüble.

Der Name Siljan ist heute schon einmal bei meinem Gespräch mit Linnea gefallen, in einem ähnlichen Kontext.

Mein Körper wird von einer feinen Gänsehaut überzogen, als mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter kriecht.

Offenbar handelt es sich bei dem eben genannten um einen von Menschen abgeneigten Werwolf, der mit den Zwillingen befreundet ist und der Alpha des Nordpacks zu sein scheint.

Spitzenmäßig, das kann doch wohl nicht wahr sein.

Natürlich musste ich von allen Werwölfen, denen ich in die Arme rennen hätte können, ausgerechnet in die des Betas meines Rivalenrudels und seiner Schwester rennen, welche natürlich auch noch die besten Freunde des Alphas sind.

Und bei besagtem Alpha handelt es sich, wie sollte es auch anders sein, um den bisher grausamsten Nachfahren der Familie Sutur, welche seit jeher das Nordpack anführt.

Sämtliche Alarmglocken schrillen in meinem Kopf, den nach und nach erinnere ich mich an all jene Geschichten, die über Siljan Sutur in meinem Rudel erzählt wurden.

Und es ist keine Lüge wenn man sagt das eine schlimmer als die vorhergehende ist. Mit einem Mal kann ich es gar nicht mehr erwarten von diesem Ort wegzukommen, aber ich muss mich zusammenreißen.

Lin meinte sie wolle mich noch höchstens zwei Tage beherbergen, je nachdem wie es um meine Gesundheit bestellt ist und da diese, dank meiner Wolfsgene erste Sahne ist, hoffe ich optimistisch darauf, morgen schon gehen zu können.

Dann bin ich endlich frei.

Heute wird der letzte Tag sein, an dem ich mich verstellen und vorgeben muss ein Mensch zu sein.

Danach kann ich meiner wahren Natur entsprechend leben, gänzlich ohne Einschränkungen.

Ich muss nur noch so lange meine Rolle spielen und mich unauffällig verhalten, sodass sie keinen Verdacht schöpfen.

Bis jetzt hat mich Lin noch geschont das weiß ich, aber sie wird irgendwann meine Geschichte wissen wollen, und dann muss ich vorbereitet sein.

Zusätzlich hoffe und bete ich zu unseren Göttern, das sich das Versprechen von der Brünetten gegenüber ihren Bruder bewahrheitet und ich mit keinem der anderen Rudelmitglieder in Kontakt komme.

Darauf kann ich nämlich gut und gerne verzichten.

Vor allem auf den Alpha will ich unter keinen Umständen treffen, denn ich habe schon seit Anfang an dieses unwohle Bauchgefühl dabei.

Eine Art unheimliche Vorahnung, das etwas großes passieren würde.

Ich weiß nicht genau wie ich es umschrieben soll, es ist wie die Ruhe vor dem Sturm, wie die Ordnung vor dem Chaos, wie der Anfang vom Ende.

SaoirseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt