Ein Stimmengewirr über mir reißt mich aus meiner nicht wirklich erholsamen Traumwelt.
Kraftlos blinzle ich durch meine Wimpern und sehe im ersten Moment nur verschwommen.
Ich versuche mich aufzurichten, doch ein stechender Schmerz lässt mich mein Vorhaben unterbrechen.
Ein Keuchen verlässt meine Lippen, was mir die ungeteilte Aufmerksamkeit der Personen über mir einbringt, denn als nächstes vernehme ich nur ein, „ Hey schau mal, Dornröschen ist aufgewacht“.
Vor mir taucht das feingeschnittene Gesicht eines Mädchens auf.
Die Unbekannte hat Nussbraunes Haar, welches ihr in Korkenzieherlocken über die Schultern fällt und ebenso braune Rehaugen, durch welche sie mich interessiert aber auch besorgt mustert.
Sommersprossen tummeln sich auf ihrer nachdenklich gerümpften Stubsnase.
Nachdem wir uns für einen Augenblick beide einfach nur schweigend begutachtet haben, ist es die tiefe Stimme eines Jungens, die die Stille bricht. „So jetzt hast du gesehen, dass sie wach und gesund ist, können wir sie jetzt endlich zum Waldrand bringen? Irgendeiner von ihren menschlichen Artgenossen wird schon finden und …“,
„ Das werden wir mit Sicherheit nicht machen, Njal“ , unterbricht ihn die brünette Schönheit vor mir, ohne ihren Blick von mir zu nehmen.
„Aber Schwesterherz…“, setzt der Junge, offenbar Njal, an, hat aber erneut keine Chance auszureden.
„ Du sieht doch das sie eine große Kopfverletzung hat, ich lasse sie jetzt bestimmt nicht hier liegen…“, stellt die mir immer noch Unbekannte ungerührt fest.
Sie erhebt sich und geht zu meinen Füßen. „Jetzt wäre übrigens der Moment gekommen, in dem du dich nützlich machst und mir hilfst sie zu den anderen zu tragen“ , meint sie anschließend euphorisch und umschließt sanft meine Fußgelenke.
“Als ob du das nicht alleine hinbekommen würdest, Linnea“ ,wirft der Junge grummelnd ein, wofür er einen warnenden Blick erntet.
„Außerdem was wird Siljan dazu sagen wenn du einen Menschen in unser Rudelhaus schleppst? Hast du die Regeln vergessen oder legst du es einfach nur darauf an deinen Kopf zu verlieren? Ich bezweifle nämlich stark, das sie deine Seelenverwandte ist“ , fügte er spöttisch hinzu, beugt sich jedoch im selben Moment nach vorne, um mir unter die Arme zu greifen und so dem Befehl seiner Schwester Folge zu leisten.
Dabei erhasche ich einen flüchtigen Blick in sein Gesicht, welches das Abbild von Linneas zu sein scheint, wenn auch mit maskulinen Zügen und blauen Augen anstelle der Braunen.
Die von ihm verwendeten Wörter vertreiben auch noch den letzten Hauch Benommenheit aus meinem Gehirn, sodass mein nun auch aktiv werdender Geruchssinn, nur noch den Gedanken bestätigt, der schon seit Anfang an in meinem Kopf umherspuckt.
Die beiden sind Werwölfe, daran lässt sich nicht zweifeln. Fuck.
Zudem waren sie gerade im Begriff mich zu ihrem Rudelhaus zu verschleppen, doppel Fuck.
Wenn mich jemand nach meiner persönlichen Definition von einem Pechvogel fragen würde, dann würde ich ihm meinen Namen entgegen brüllen, denn sein wir mal ehrlich, wem außer mir würde es passieren, aus seinem persönlichen Käfig auszubrechen, endlich seine Flügel ausbreiten zu können und sie im nächsten Moment aber auch gleich wieder gebrochen zu bekommen.
Auch wenn ich mir vor gar nicht allzu langer Zeit den Kopf angestoßen habe, so verfüge ich dennoch über eine ausreichende Anzahl an Gehirnzellen, um feststellen zu können, wie beschissen meine derzeitige Situation doch ist.
Gefangen in den Armen meiner schlimmsten Feinde, denn ja genau meine beiden „Retter“ sind Rudelmitglieder des Nordpacks, befinde ich mich nun auf dem Weg zu ihrem Lager.
Erschwerend kommt jedoch noch dazu, dass ich mit nichts weiter als einer, mir etwas zu großen, gelben Regenjacke bekleidet bin.
Zwar ist es unter Wölfen völlig normal nackt zu sein, schließlich zerreißen die Klamotten beim Verwandlungsprozess, dennoch ist es mir mehr als unangenehm.
Das war es schon immer.
Das Wissen, da mich Njal vermutlich unbekleidet gesehen hat, bringt meinen inneren Wolf aus unerfindlichen Gründen zum Durchdrehen.
Ich ziehe das dünne Stück Stoff fester um meinen Körper, während ich versuche Skady nieder zu ringen, denn das letzte was ich jetzt gebrauchen kann ist das sie sich an die Oberfläche kämpft und mir mein letztes Ass im Ärmel verspielt.
Aus der Unterhaltung der beiden Wölfe, sowie aus ihrem insgesamten Verhalten mir gegenüber, habe ich nämlich entnommen, das sie sich keineswegs im Klaren darüber sind, wen genau sie hier so unbeschwert durch den Wald transportieren.
In der Annahme ich wäre ein Mensch, was mich unter anderen Umständen vermutlich gekränkt hätte, schließlich bestätigt es nur die Meinung meiner Eltern, werde ich von auf Händen, meinem Verderben entgegen getragen.
Nachdem ich das brünette Mädchen vor mir betrachtet hatte, habe ich mich vorläufig wieder Ohnmächtig gestellt, immerhin brauche ich einen ordentlichen Plan, bevor ich mit ihnen ins Gespräch komme.
In meinem Kopf jagt ein Szenario das nächste, ich stelle mir vor wie ich die beiden überwältige und anschließend im Schutze des Dickichts entkomme, doch das kann ich gleich vergessen, immerhin bin momentan viel zu geschwächt und auch wenn ich in normaler Verfassung wäre, so könnte ich es niemals mit beiden auf einmal aufnehmen.
Ich könnte mich auch tot stellen und darauf hoffen, das sie mich am Wegrand liegen lassen.
Njal würde ohne Zweifel sofort den Ballast beseitigen, schießt es mir durch den Kopf, allerdings reicht mir ein Blick auf den Hinterkopf der brünetten Schönheit um meine Idee in den Wind zu schießen.
Sie würde mich nicht zurücklassen.
Ich kneife meine Augen zusammen und mir entweicht ein leiser frustriertes Seufzen, wofür ich einen besorgten Schulterblick meiner Samariterin ernte.
Die einzige sich mir noch bietende Möglichkeit, um wieder heil aus der Sache raus zukommen, scheint mir ausgerechnet mein verrücktester Gedankenblitz zu sein.
Ich würde vorgeben müssen ein Mensch zu sein.
Und das ohne je einem von ihnen begegnet zu sein.
DU LIEST GERADE
Saoirse
Werwolf♤ Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste, oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben. ~Nelson Mandela ...