Mein Herz hört für einen Moment auf zu schlagen, während sich mein Körper in einem Zustand starrer Bewegungslosigkeit befindet.
Er weiß es.
Zu erschüttert um etwas erwidern zu können starre ich ihn einfach nur an.
Seine stechendblauen Augen bohren sich in die meinen.
Herausfordernd erwidert er meinen Blick und scheint meine Reaktion abwarten zu wollen.
Als diese jedoch ausbleibt, presst er die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen.
„Weißt du, ich hatte von Anfang an so ein Gefühl bei dir“, bricht er schließlich die Stille.
Ich bilde mir ein so etwas wie Triumph in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
„ Eine Vorahnung, das du nicht ehrlich bist und mir etwas verschweigst“, fährt er fort und fängt an mich zu umkreisen.
Sein Blick brennt sich wie Feuer in meinen Hinterkopf.
Mein Gehirn läuft auf Hochtouren.
„Ich weiß nicht wovon du redest“, entgegne ich schließlich lahm.
Ein breites Grinsen schleicht sich auf die Lippen des Blonden.
„Natürlich, sag das nochmal vielleicht glaube ich dir dann“, amüsiert er sich.
„Lin wollte mich schon als paranoid abstempeln, aber ich verzeihe ihr, immerhin will sie immer nur das Gute in Menschen sehen und schenkt ihnen Vertrauen, obwohl sie es gar nicht verdient haben. Und von Siljan will ich gar nicht anfangen, er ist so unendlich blind wenn es um dich geht.“, fügt er hinzu und stößt ein hohles Lachen aus.
Ich überlege fieberhaft ob es mir gelingen würde ihn zu überrumpeln, schiebe den Gedanken aber gleich wieder zur Seite.
Er ist der Beta des Rudels, was meine Chancen bei einem Kampf zu gewinnen erheblich schwinden lässt.
Njal beendet seine Runde und bleibt direkt vor mir stehen.
Fasziniert legt er den Kopf leicht schief und mustert mich. „
Es ist wirklich erstaunlich wie lange du es geschafft hast mich und das gesamte Rudel zu täuschen“, stellt er mit einem Anflug von Anerkennung in seiner Stimme fest.
„Wie konnten wir das Feuer in deinen Augen nur übersehen?“, fragt er nachdenklich und mehr an sich selbst gewandt.
“Zugegeben bis vorhin dachte ich noch du würdest eine Wilderin sein“, räumt der brünette Norweger ein.
Meine Augenbrauen schießen in die Höhe.
Ich hatte nicht damit gerechnet das Njal mir so misstrauisch gegenüberstand und war sogar arroganter Weise davon ausgegangen, ich würde meine Rolle überzeugend genug spielen.
Dunkel glaube ich mich daran zu erinnern, er habe bei unserem ersten Aufeinandertreffen schon prophezeit ich würde ihnen nichts als Ärger bringen.
„Wie hast du…“, ich stocke und kann die Worte nicht über die Lippen bringen.
„Wie ich heraus gefunden habe das du kein Mensch bist?“, vervollständigt der Brünette meine Frage belustigt.
Ich nicke schwach.
Das war es.
Die Maske war gefallen, endgültig.
Njal befeuchtet kurz seine Lippen und legt sich betont nachdenklich einen Finger an die Wange.
„Lass mich überlegen, tatsächlich hat Christin die ersten richtigen Zweifel in mir gesät, aber ich glaube es müsste die Tatsache gewesen sein, das ich vorhin deine Verwandlung gesehen habe, die mich argwöhnisch gemacht hat.“, grübelt er spöttisch.
Das er in Anbetracht der Situation lacht und seine altbekannte sarkastische Ader auslebt, verwirrt und verärgert mich gleichermaßen.
„Ich war gerade auf dem Weg zu Christin als ich gesehen habe, wie du durch die Dunkelheit geirrt bist, wobei irren ist ein schlechtes Wort“, korrigiert er sich grinsend.
„ Jedenfalls war ich neugierig wohin du so spät in der Nacht noch hin willst und bin dir gefolgt. Als du dann zu Siljans Haus gegangen bist, dachte ich schon ihr würdet euch wohl vergnügen wollen“, erneut macht er eine Kunstpause und kann seine zuckenden Mundwinkel, bei meinem mittlerweile rotanlaufenden Gesicht, nicht länger verbergen.
„Was im übrigen ein schlauer Schachzug wahr, so bist du schließlich Isak losgeworden, aber das weißt du ja. Und als du dich dann in den Fjord gestürzt hast und ich schon dachte das du Selbstmord begehen willst, habe ich bemerkt das du etwas zu widerstandsfähig, schnell und kraftvoll bist um nur ein ganz normaler Mensch zu sein.“, der Norweger mustert mich bei diesen Worten erneut.
„ Alleine schon wie viele Verletzungen du bis jetzt schon hattest, die allesamt auf wundersame Weise äußerst schnell geheilt sind“, fügt er mit einem Blick auf meine Schulter hinzu.
Die Fleischwunde hat sich innerhalb der vergangen halben Stunde bereits vollständig geschlossen und nur noch ein Kribbeln an jener Stelle und der zurückgebliebene Blutfleck erinnern mich an ihre frühere Existenz.
„Komisch das das nur mir aufgefallen ist und nicht meiner Schwester, die eine angehende Ärztin ist“, wundert er sich kurz.
Seine aufmerksame Art überrascht mich, auch wenn ich innerlich schon wusste das er es sein würde, der meine Tarnung eines Tages durchschauen und mein wahres Wesen erkennen würde.
„Du hast es mir leicht gemacht. Ich musste mich nur noch auf die Lauer legen und warten bis du zurückkommst“, wirft mir Njal schon beinah enttäuscht vor.
„Also habe ich mir das Knacken und den Schatten doch nicht eingebildet, du warst da“, erkenne resigniert ich und schlucke schwer.
Es ist nur eine Frage der Zeit bis er von diesem Spiel müde wird und wir zum Ernst des Lage kommen.
„Ja das stimmt. Im Übrigen hast du als Werwolf eine sehr schöne Fellfarbe. Diese Mischung aus cremefarben und rötlich ist wirklich ausgewöhnlich“, sinniert er und schenkt mir ein raubtierhaftes Lächeln.
Er hatte es benutzt.
Das Wort „Werwolf“.
Zwei Silben die ausreichen um auch noch den letzten Funken Hoffnung im Keim zu ersticken, er könne mein Geheimnis doch nicht gelüftet haben.
Verzweiflung macht sich in meinem Herzen breit.
Der Norweger liest mir die Erkenntnis von den Augen ab und betrachtet mich schon beinah mitleidig, ehe er seinen nächsten Satz mit Bedacht wählt.
„Der Wolf im Menschenpelz, was für eine gelungene Darstellung. Doch jedes Schauspiel findet irgendwann ein Ende“.
Er liefert sie mir unbewusst, die Lösung.
Und plötzlich weiß ich, was ich zu tun habe.
Ich straffe die Schultern und hebe langsam den Blick, suche den seinen und halte ihn fest.
„Du hast recht, doch wenn ich untergehe dann kommst du mit mir. Ich weiß was du bist“, werfe ich ihm nun meinerseits mit unbewegter Miene vor.
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Saoirse
Hombres Lobo♤ Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste, oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben. ~Nelson Mandela ...